Am Dollar hängt Wohl und Wehe
Notiert in Buenos Aires
Am Dollar hängt Wohl und Wehe
Von Andreas Fink
Kommt meine Tochter nach Hause und fragt: Weißt du, was die bei „Mostaza“ für einen Hamburger verlangen? 20.000 Pesos! Nun ist „Mostaza“ gewiss kein Gourmettempel, sondern die argentinische Konkurrenz zu den nordamerikanischen Schnellfütterungsanstalten. Aber, und darum ging es bei dieser Empörung: 20.000 Pesos waren im Dezember, wo sich das alles zutrug, etwa 20 Dollar wert. Eine bizarre Paarung aus Preisauftrieb und Wechselkursverfall bewirkte, dass sich Buenos Aires – in Dollar gerechnet – binnen 12 Monaten von einer der günstigsten Städte Südamerikas in die teuerste verwandelte. In Dollar gerechnet habe sich die Lebenshaltung binnen eines Jahres um den Faktor 2,7 verteuert, berichtete kürzlich das Massenblatt „Clarín“. Das kann ich bestätigen. Unsere Miete hat sich in einem Jahr – in Euro – vervierfacht.
So etwas konnte geschehen, weil die Preise seit dem Amtsantritt Javier Mileis um 166% stiegen, aber der Präsident und sein Finanzminister Luis Caputo gleichzeitig die Notenpresse anhielten. Damit verknappten sie die Pesos und bewirkten, dass sich die vielen parallelen Dollar-Kurse allmählich dem offiziellen annäherten, bis sie Anfang Dezember fast gleichauf lagen. Diese Rosskur konnte die Inflation massiv drosseln. Im Monat November lag sie bei 2,5%, was einem Jahreswert von etwa 45% entspräche.
Auslandsinvestoren bitter nötig
So erfolgreich die Inflationsbekämpfung und die Sanierung des Budgets sein mögen – Argentinien hat weiterhin ein enormes Problem: Ihm fehlen die Dollar! Darum will oder kann Milei die seit 2019 geltenden Wechselkursbeschränkungen nicht aufheben. Das wäre aber erforderlich, um Konzerne ins Land zu holen, die in die reale Wirtschaft investieren. Und das ist bitter nötig. Milei und Caputo hoffen nun, dass der IWF ihnen mit einem zweiten Kredit aushilft, dabei verhandeln sie gerade eine Modifikation der Rückzahlung für jene gut 40 Mrd. Dollar, die noch vom Kredit aus 2018 ausstehen.
Wie kein Zweiter feierte Milei den Wahlsieg Donald Trumps – verbunden mit der Hoffnung, dass dieser den IWF erneut zu einer Großzügigkeit bewegt, die nicht den Regeln entspricht. Bereits 2018 hatte Argentinien viermal so viel zugestanden bekommen, wie nach den Statuten eigentlich möglich ist. Alternativ hoffen die Libertären in Buenos Aires, dass Trump aus dem US-Budget mindestens 15 Mrd. Dollar loseist.
IWF unter Druck
Das wäre unter Umständen bequemer für sie, denn der IWF ist mit der offensichtlichen Überbewertung des argentinischen Peso nicht einverstanden. Im Fonds wird bemängelt, dass Argentiniens Zentralbank wider jegliche Vorgaben alle verfügbaren Dollar verkauft hat, um den Peso zu stärken, zugleich aber nichts für die Währungsreserven tat. Nach den IWF-Vorgaben hätte die Notenbank im Vorjahr 8 Mrd. Dollar akkumulieren müssen, aber heute stehen dort 10 Mrd. Dollar Miese zu Buche. Schon 2018 hatte der IWF ein großes Problem mit Caputo. Dieser hatte als Zentralbankchef mit IWF-Dollar den Peso gestärkt, was dem Kreditvertrag diametral widersprach. Der IWF forderte vom damaligen Präsidenten Mauricio Macri, Caputo zu entlassen, was dieser dann auch tat.
Bleibt die Frage, was Milei und Caputo mit einer Politik bezwecken, die nicht nur einen Hamburger 20 Euro kosten lässt, sondern die auch argentinischen Betrieben und Rohstoffproduzenten jegliche Konkurrenzfähigkeit im internationalen Geschäft nimmt. Nun, sie wollen, was alle Politiker in Argentinien bislang wollten: Mit einem billigen Dollar Wahlen gewinnen. Solange die US-Devise so günstig ist, sind auch importierte Autos, Elektronik, Treibstoffe oder sogar Lebensmittel deutlich erschwinglicher. Ein starker Peso und stabile Preise sollen bei den Parlamentswahlen im Herbst helfen, dass Milei in beiden Kammern deutlich mehr Sitze bekommt.
Darum rechnen die meisten Ökonomen in Buenos Aires damit, dass die Wechselkurse frühestens im Oktober freigegeben werden können, wenn die damit verbundene – und längst überfällige – Abwertung nicht mehr aufs Wahlergebnis durchschlägt.