Im BlickfeldWettbewerb der Standorte

Am Finanzplatz Hamburg sorgt ein „Kümmerer“ für Zuversicht

Ein engagierter Finanzsenator macht der Finanzwirtschaft in Hamburg Mut. Nach der Erosion des Standorts durch Übernahmen in den vergangenen zwei Jahrzehnten steht nun die Warburg Bank im Fokus.

Am Finanzplatz Hamburg sorgt ein „Kümmerer“ für Zuversicht

Am Finanzplatz Hamburg sorgt ein „Kümmerer“ für Zuversicht

Ein engagierter Finanzsenator macht der Finanzwirtschaft in der Hansestadt Mut. Nach der Erosion des Standorts durch Übernahmen steht nun die Warburg Bank im Fokus.

Von Carsten Steevens, Hamburg

Nach der Ende Mai verkündeten Übernahme von Hauck Aufhäuser Lampe durch die niederländische Großbank ABN Amro bleibt der deutsche Privatbankensektor in Bewegung. Bis Jahresende könnte eine Entscheidung fallen, wer bei dem Hamburger Traditionshaus M.M. Warburg & CO einsteigt. Spekulationen über eine Übernahme des von dem Cum-ex-Skandal erschütterten Bankhauses zirkulieren. Dass der Finanzplatz die Zuversicht dennoch nicht verliert, liegt auch am Engagement des Finanzsenators Andreas Dressel (SPD).

Seit dem Übergang der Zuständigkeit für die Finanzwirtschaft von der Wirtschafts- auf die Finanzbehörde vor wenigen Jahren habe man mit Senator Dressel einen „Kümmerer“, sagt Eberhard Sautter, Vorstandschef des ansässigen Versicherers HanseMerkur sowie Vorsitzender des Finanzplatz Hamburg e.V. An den jüngsten Initiativen habe der Finanzsenator einen großen Anteil.

„Es geht darum, Fachkräfte zu sichern, mit der Wissenschaft Innovationen zu entwickeln, Hamburg als Sustainable-Finance-Standort zu profilieren, Fintechs und Insurtechs zu fördern und die Finanzwirtschaft mit Clusterpolitik zu verknüpfen“, betont Sautter. Wichtig sei zudem, den Finanzplatz sichtbar zu machen und mit Akteuren der Branche im In- und Ausland zu vernetzen. Das passiere unter anderem mit Delegationsreisen. „Der Finanzsenator öffnet dabei wichtige Türen.“

Ungewisse Zukunft

Bislang steht auch gar nicht fest, ob sich die beiden langjährigen Haupteigentümer vollständig von der Warburg-Bank trennen werden. Christian Olearius, der der schweren Steuerhinterziehung durch Cum-ex-Geschäfte der Warburg Gruppe in den Jahren 2007 bis 2011 mit einem hohen Schaden für den Fiskus beschuldigt wird und seit September vergangenen Jahres in Bonn vor Gericht steht, und Max Warburg halten zusammen gut 80% der Anteile.

Wie sich die Eigentümerstruktur verändern wird, lasse sich derzeit nicht absehen, sagt Markus Bolder, seit 2022 im Vorstand für die Marktfolgebereiche der Warburg Bank zuständig, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Neben einem Family Office seien auch ein strategischer oder ein Finanzinvestor denkbar. Mit dem Einstieg eines neuen Investors ist die Hoffnung verknüpft, dass zusätzliches Knowhow und Eigenkapital der auf die drei Geschäftsfelder Private Banking, Asset Management sowie Corporate und Investment Banking ausgerichteten Bank neue Handlungsspielräume verschaffen.

„Die fachliche Kompetenzvermutung besteht nach wie vor, wir sind sehr gut in der Beratung und bieten sehr gute Produkte“, sagt Marktvorstand Stephan Schrameier und verweist darauf, dass die Marke Warburg im Ausland „positiv besetzt und zugkräftig“ sei. Für die Reputation und das Geschäft der Bank in Deutschland indes werde wesentlich sein, „dass die Aufarbeitung der Cum-ex-Thematik abgeschlossen wird und die Bank aus den Schlagzeilen verschwindet“. Die mediale Begleitung sorge für einen „Gegenwind, dem wir uns nicht entziehen können“.

Auf Distanz

Kunden wie kirchliche Einrichtungen und Stiftungen hat die Warburg Bank in den vergangenen Jahren verloren. Während nach wie vor über eine politische Einflussnahme auf die steuerliche Behandlung des Instituts im Zusammenhang mit Cum-ex-Geschäften während der Zeit von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als Erstem Bürgermeister Hamburgs spekuliert wird, steht die Politik in der Hansestadt auf Distanz zu der Bank. Dabei waren Bindungen zwischen beiden Seiten traditionell eng.

Auch in der Jubiläumsschrift zum 225-jährigen Bestehen im vergangenen Jahr schreibt das Institut: „Die regionale Verwurzelung der Bank ist bis heute ein identitätsstiftendes Element und wichtiger Teil der Unternehmensphilosophie.“ Vorstand Bolder verweist auf den in den vergangenen Jahren weiter angewachsenen Abstand zwischen Frankfurt und den anderen regionalen Finanzplätzen in Deutschland. Auch Hamburg habe ansässige Institute verloren. Für die Warburg Bank sei „der Sitz in Hamburg aber nach wie vor von Vorteil.“ Hamburg sei eine starke Stadt mit einer breit gefächerten Wirtschaft und sehr viel Wohlstand.

Warburg vor Neuausrichtung

Ob die Warburg Bank, die derzeit eine strategische Neuausrichtung durchläuft, die mit dem Wechsel des Kernbanksystems zum genossenschaftlichen IT-Dienstleister Atruvia 2026 abgeschlossen sein soll, eigenständig bleibt? Zu einzelnen Finanzmarktakteuren äußere man sich nicht, erklärt Dressels Behörde. Grundsätzlich sei es für jeden Finanzplatz wichtig, Banken und andere Finanzmarktakteure am Standort zu halten und attraktiv für Neuansiedlungen zu sein.

Man werde, so sagen Beobachter hinter vorgehaltener Hand, einem traditionsreichen und mit Hamburg eng verflochtenen Haus wie der Warburg Bank in der Stadt auf jeden Fall nachweinen, sollte es übernommen werden und die Unabhängigkeit verlieren. Gleichwohl herrscht die Meinung vor, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen für den Finanzplatz Hamburg überschaubar wären.

Lokaler Aderlass

Dabei hat der Standort in den vergangenen drei Jahrzehnten einen Aderlass erlebt: Lokale Größen wie der Versicherer Volksfürsorge oder die Vereins- und Westbank gingen in Großkonzernen (Generali, Unicredit) auf. Die HSH Nordbank überlebte die Finanzkrise nur dank Milliardenhilfen ihrer staatlichen Eigentümer und wurde 2018 – als erste Landesbank und massiv geschrumpft – privatisiert. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Finanz- und Versicherungswirtschaft sank in Deutschland allein seit 2015 nur in Nordrhein-Westfalen stärker als in Hamburg. Einzig Frankfurt legte in diesem Zeitraum zu.

Dass sich Finanzplatzakteure in der Hansestadt dennoch zuversichtlich zeigen, hängt vor allem mit dem 2021 beschlossenen „Masterplan Hamburger Finanzwirtschaft 2021-2025“ zusammen. Und der von der Stadt, der Handelskammer Hamburg und dem 2007 gegründeten Finanzplatz Hamburg e.V. 2023 initiierten Clusteragentur Finance City Hamburg. Sie befasst sich mit der Umsetzung der Masterplan-Ziele. In diesem Zusammenhang heben Finanzplatzakteure das verstärkte Engagement der Politik in Hamburg hervor.

Türöffner für die Finanzwirtschaft

Aufschluss darüber, wo Hamburg im Finanzplatzwettbewerb derzeit liegt liefert der Global Financial Centres Index des Londoner Thinktank Z/Yen. In der im März veröffentlichten 35. Auflage rangiert die Hansestadt unter weltweit 121 bewerteten Finanzplätzen an 51. Stelle – in Deutschland hinter Frankfurt (13), Berlin (32), München (36) und Stuttgart (44).

Wechselwirkung

Finanzplatz-Lobbyist Sautter unterstreicht, die Entwicklung der Finanzstandorte sei abhängig von der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung einer Region. „Es besteht immer eine Wechselwirkung.“ Bayern etwa sei nach dem Krieg ein eher armes Land mit niedrigen Löhnen gewesen. Damals habe Bayern auch Gelder aus dem Länderfinanzausgleich erhalten. Diese Konstellation habe dem Land in der Standortpolitik geholfen. Technologien, Elektronik und Software seien nach Bayern gekommen. Die Stärke als Versicherungsstandort mit Unternehmen wie der Allianz und der Münchener Rück wiederum habe zu einem starken Finanzplatz beigetragen.

Frankfurt, erläutert Sautter weiter, profitiere heute davon, dass der ansässige Bankensektor sehr groß sei und dies auch die Entscheidung für die EZB maßgeblich beeinflusst habe. Die regionale Börse in Stuttgart habe sich ein Alleinstellungsmerkmal im Zertifikatehandel geschaffen. Für Hamburg, zunächst vor allem stark wegen Hafen und Handel, und für den Norden biete nun die Energiewende, der starke Ausbau bei erneuerbaren Energien, eine große Chance für stärkeres Wachstum. Es entstünden neue Wirtschaftsstrukturen, neuer Kapitalbedarf und Nachfrage nach Fachkräften. Ein schlauer Finanzplatz, betont Sautter, partizipiere daran.

Chancen und Risiken

„Wo die Wirtschaft floriert, floriert auch der Finanzplatz.“ Windenergie und die Finanzierung der Transformation böten für die Küstenländer in Norddeutschland gute Geschäfts- und Wachstumsmöglichkeiten. „Deshalb bin ich für den Finanzplatz Hamburg auch zuversichtlich gestimmt“, sagt Sautter. Zugleich dürfe man Risiken, die das Wachstum dämpfen, nicht übersehen, etwa mit Blick auf den hohen Energiebedarf neuer Technologien und die hohen Energiepreise in Deutschland. „Bei verlässlicher Energie sind andere Länder in Europa wie Frankreich im Vorteil, wenn es um Standortentscheidungen ausländischer Unternehmen geht.“ Dies werde in Zukunft durch KI- und Cloud-Anbieter noch stärker zum Tragen kommen.

Ermutigt sieht man sich in Hamburg auch durch den Zuwachs von Fintech-Unternehmen. Seit 2017 habe sich die Anzahl der Fintechs von 30 auf über 100 erhöht, berichtet Sautter. Der Standort sei für junge Unternehmen attraktiv, auch weil es gute Finanzierungsmöglichkeiten gebe. Hamburg sei zwar „nicht so hipp wie Berlin", zeichne sich dafür aber durch Kooperation aus. Etablierte arbeiteten mit neuen Unternehmen zusammen, junge Unternehmen würden durch Stadt und Handelskammer „hervorragend unterstützt“.

Stabilität als Mutmacher

Durch die Übernahme von Versicherungsunternehmen, aber auch im Bankensektor gab es eine Erosion am Finanzplatz Hamburg. Das konzediert auch Sautter. „Dennoch bin ich überzeugt, dass sich der Finanzplatz gut entwickeln wird, auch weil es in Hamburg viel Stabilität gibt, die beständig ist.“ Dafür stehe mit der Hamburger Sparkasse (Haspa) die größte Sparkasse Deutschlands als "leuchtendes Beispiel“.

Das Institut bezog vor wenigen Wochen seine neue Zentrale als Ankermieter im neu errichteten „Deutschlandhaus“ am Hamburger Gänsemarkt - eines der wichtigsten großen Immobilienprojekte der Hansestadt in den vergangenen Jahren. „Ein starkes Bekenntnis zu Hamburg und zur Innenstadt“, so Vorstandssprecher Harald Vogelsang bei einer Präsentation Ende Mai. Gefragt sei „ultimative Arbeitgeberattraktivität“. In den kommenden zehn Jahre benötige man bis zu 2.500 neue Mitarbeiter, um die in Rente gehenden Baby-Boomer zu ersetzen.

Weniger Berührungsängste

Dass sich Politik in Hamburg wieder stärker für die lokale Finanzwirtschaft mit ihren rund 44.000 Beschäftigten interessiert und einsetzt, lässt sich indes nicht zuletzt mit dem gewachsenen Abstand zu den Jahren der HSH-Nordbank-Misere erklären. Berührungsängste haben abgenommen. Es wäre für den Finanzplatz aber von Vorteil, würde auch die Wirtschaftsbehörde den Sektor im Interesse einer besseren Vernetzung mit anderen Branchen unterstützen.

Möglichkeiten, den Finanzplatz Hamburg weiterzuentwickeln, gäbe es durch eine stärkere Vernetzung mit dem nicht weit entfernten skandinavischen Raum. Finanzplatzakteure könnten sich auch eine stärkere Belebung traditionsreicher Verbindungen nach London gut vorstellen. Vorerst werden die Erwartungen jedoch vor allem mit der Masterplan-Initiative verknüpft: „Mit unserem Masterplan Finanzwirtschaft, den wir gemeinsam mit vielen Akteuren in der Stadt umsetzen, haben wir eine hervorragende Grundlage, Hamburg als Finanzstandort national und international stärker in den Mittelpunkt zu rücken“, sagt der Senator Dressel.