Arabische Investoren vor Berlin
Arabische Investoren vor Berlin
Dass arabische Fonds und Staatsunternehmen in Deutschland und Europa investieren, ist kein Novum, aber ihre Ziele haben sich geändert. Aus stillen Teilhabern werden strategische Käufer.
Von Heidi Rohde und Christoph Ruhkamp, Frankfurt
Botschafter Ahmed Alattar wurde vor zwei Jahren von seinem Land nach Berlin entsandt. Der Absolvent der Khalifa University in Abu Dhabi mit einem Abschluss in „Petroleum Geosciences“, der seine Karriere beim staatlichen Ölkonzern Adnoc begonnen hat, ist sich sicher: „Die Vereinigten Arabischen Emirate und Deutschland pflegen seit mehr als 50 Jahren von Vertrauen und Respekt geprägte Beziehungen“, konstatiert Alattar. „Ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor in Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten ist der Übergang zu kohlenstoffärmeren Energiequellen.“
Vor diesem Hintergrund sind beide Länder 2017 eine Partnerschaft mit Fokus auf die Förderung von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien eingegangen. „Ein wichtiger Partner für unser Land ist dabei das deutsche Energieunternehmen Siemens Energy, das erst kürzlich ein Global Innovation Center an der Khalifa-Universität in Abu Dhabi eingeweiht hat“, erklärt Alattar. „Ziel ist die Entwicklung von Partnerschaften und Technologien.“ Es sei eines von nur vier Zentren dieser Art, die Siemens Energy weltweit betreibt. Viele andere namhafte deutsche Unternehmen wie BASF oder Henkel seien ebenfalls in den Emiraten vertreten. Das Handelsvolumen hat sich 2023 schon um 40% auf 14 Mrd. Euro erhöht.
Keine Einbahnstraße
Die Beziehung ist indes keine Einbahnstraße. Arabische Investoren haben deutsche Firmen seit langem auf dem Radar. Allein der katarische Staatsfonds QIA hat rd. 30 Mrd. Euro nach Deutschland gepumpt und hält Anteile an deutschen Blue Chips wie Siemens (4%), VW (17%), Hapag-Lloyd (14,4%) – an der auch Saudi-Arabien substanziell beteiligt ist – und Deutsche Bank (6%). Allerdings hat sich der Charakter der Investments geändert. Galten die Staatsfonds aus der Golfregion früher als denkbar langmütige, im buchstäblichen Sinne stille Teilhaber, die als Kapitalgeber in der Not willkommen waren, sind die Motive heute andere.
Der neue Geldregen aus der Golfregion ergießt sich nicht kleinteilig als Finanzinvestition über deutsche und europäische Assets, sondern er wird von einer gesamtwirtschaftlichen Strategie begleitet. Die neue Generation Unternehmens- und Fondsmanager aus der arabischen Welt denkt in Masterplänen, Wertschöpfungsketten und Know-how-Gewinn. Der Investment-Ansatz ist dabei sowohl pragmatisch wie opportunistisch. So ist Covestro nicht von ungefähr ins Visier von Adnoc geraten. Die Aktie des Dax-Konzerns war im Coronajahr 2021 auf 61,02 Euro gestiegen, ein Kurshoch, nach dem es lange Zeit abwärtsging, bis vergangenes Jahr die ersten Spekulationen zu Übernahmeplänen von Adnoc aufkamen.
Opportunistisches Angebot
Adnoc hat 150 Mrd. Dollar für Investitionen zur Verfügung. Der Ölkonzern der Vereinigten Arabischen Emirate bietet inklusive Schulden 14,4 Mrd. Euro für den Kunststoffkonzern und hat mit der Due Diligence begonnen. Die avisierten 62 Euro je Aktie sind ein Aufschlag von 60% auf den Kurs vom Juni 2023, ein opportunistisches Angebot, denn damals war das Kursniveau auf einem Tiefpunkt. Die Übernahme wäre nicht nur der bisher größte M&A-Deal in diesem Jahr in Europa. Es wäre auch die erste Komplettübernahme eines Dax-Konzerns durch einen Staatskonzern aus den Golfstaaten.
Dementsprechend wird die Transaktion akribisch beobachtet. Zumal sich auch für den Kauf der Bahn-Logistiktochter DB Schenker der Staatsfonds Adia (Abu Dhabi Investment Authority) und der Logistikkonzern Bahri aus Saudi-Arabien bewerben. „Man schätzt unsere Verlässlichkeit als Energielieferant und unseren respektvollen Umgang. Das öffnet uns Türen“, sagt Klaus Fröhlich. Der Deutsche ist Group Chief Investment Officer von Adnoc. „Wir erwarten mehr Investments arabischer Investoren in Deutschland. Ihre Aktivität hat in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen“, sagt Marcus Schenck, Co-Head of Investment Banking im deutschsprachigen Raum bei Lazard in Frankfurt.
Angesichts der unsicheren politischen und wirtschaftlichen Lage mit Krieg und Neuwahlen in mehreren Ländern sind arabische Investoren eine wichtige Triebfeder für M&A. „Es gibt mehr verschiedene arabische Investoren als bisher, die sich Investments in Deutschland anschauen“, sagt Christopher Droege, Deutschland-M&A-Chef bei Goldman Sachs in Frankfurt. Die Palette reiche vom Staatsfonds Adia aus Abu Dhabi über PIF aus Saudi-Arabien sowie die Qatar Investment Authority bis hin zum Staatsfonds Mubadala der Vereinigten Arabischen Emirate.
Preis entscheidet
Bei der Bahn-Logistiktochter DB Schenker wären arabische Käufer durchaus willkommen, wenn sie denn am meisten bieten. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU-Fraktion hervor. Darin heißt es, das Bieterverfahren werde „entsprechend den hier anwendbaren Regeln des EU-Beihilferechts als offenes, diskriminierungsfreies Verfahren ausgestaltet“. Ein Verkauf an staatliche arabische Kaufinteressenten ist also möglich. Entscheidend ist, wer den höchsten Preis zahlt, solange auch die Transaktionssicherheit gewährleistet ist. Aber: „Sofern am Ende des Verkaufsprozesses ein ausländischer Investor den Zuschlag erhalten soll, erfolgt wie in anderen vergleichbaren Fällen eine Investitionsprüfung nach dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung“, antwortete die Bundesregierung auf die CDU-Anfrage.
Kulturelle Vielfalt ist – zumindest im Fall der Vereinigten Arabischen Emirate – Teil der Gründungsidentität des Landes. Wohl deshalb sagt der Siemens-Energy-Vorstandsvorsitzende Christian Bruch, Abu Dhabi verfüge über eine „Supermacht“ namens Konnektivität und bringe sowohl Menschen als auch Wirtschaft und Wissenschaft zusammen. Oder der DWS-Chef Stefan Hoops kann sich nach eigener Aussage „kaum einen anderen Ort“ als die Emirate vorstellen, an dem Menschen aus Ländern wie den USA, China und Indien „faktenbasierte“ Diskussionen führen und die Politik beiseite lassen.
Argwohn bei kritischer Infrastruktur
Je stärker sich arabische Unternehmen nach Beteiligungen in Deutschland und Europa umschauen, die offensichtlich mehr geschäftsstrategisch denn als reine Finanzanlagen gedacht sind, desto mehr Argwohn löst dies aus. Im Rampenlicht stehen derzeit auch gerade arabische Investments in europäische Telekommunikationskonzerne, deren hochmoderne Netze als kritische Infrastruktur besonderen Schutzbedarf haben und entsprechende staatliche Aufmerksamkeit auslösen. Auch hier haben arabische Branchenkonkurrenten wie e& oder STC opportunistisch zugegriffen, weil die Zielunternehmen mit geschäftlichen Problemen und anhaltendem Kursverfall zu kämpfen hatten.
Vodafones größter Einzelaktionär mit gut 14% ist e& aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dem Vernehmen nach wollten die Araber noch aufstocken, was bisher aber nicht geschah. Bei der spanischen Telefónica ist STC mit knapp 5% engagiert, was den spanischen Staat veranlasst hat, sich selbst erneut in Stellung zu bringen. Hierzulande hält der Bund zusammen mit der KfW an einer Sperrminorität bei der Telekom fest. Internationaler Großaktionär ist Softbank, manch andere Nationalität würde wohl mit Argwohn bedacht. Auch bei DB Schenker wird ein Kauf durch einen arabischen Investor kein Selbstläufer sein.