Asiatischer Dreikampf um die Batteriekrone
Asiatischer Dreikampf um die Batteriekrone
Der Aufbau nationaler Lieferketten eröffnet Ex-Weltmarktführer Panasonic neue Chancen im Wettbewerb mit China und Südkorea.
Von Martin Fritz, Tokio
Das Städtchen Norderwöhrden bei Heide in Schleswig-Holstein hat dem Bau einer Batteriefabrik für Elektroautos zugestimmt. Die schwedische Northvolt will dort schon 2026 die ersten Lithium-Ionen-Zellen fertigen. Die Endkapazität von 60 Gigawattstunden (GWh) reicht für 1 Million Elektroautos jährlich. Bis 2030 strebt der Stockholmer Hersteller eine europaweite Gesamtkapazität von 150 GWh an. Damit wäre Northvolt nach einer Prognose von S&P Global Intelligence der Marktführer in Europa vor der französischen Automotive Cells und würde zugleich in die Top 10 der weltgrößten Batteriehersteller vorstoßen.
Aber die Weltmarktführung für Lithium-Ionen-Batterien (LiB) werden Hersteller aus den drei asiatischen Ländern China, Südkorea und Japan unter sich ausmachen. Zugleich wird der Wettbewerb erheblich verzerrt, weil viele Regierungen die LiB-Lieferketten mit Subventionen und Vorschriften beeinflussen, um ihre Abhängigkeit von China zu verringern. Diese Maßnahmen helfen nicht chinesischen Herstellern, den mächtigen Rivalen aus dem Reich der Mitte zu trotzen und ihnen Marktanteile abzunehmen.
Chinesische Dominanz
Im ersten Halbjahr 2023 lag die chinesische Contemporay Amperex Technology (CATL) laut Marktforscher SNE Research im Weltmarkt mit fast 37% Anteil vorne. CATL beliefert Tesla, VW, BMW, Mercedes-Benz und andere. An zweiter Stelle in der LiB-Fertigung platzierte sich BYD aus China, inzwischen selbst der weltgrößte Hersteller von Elektroautos, mit knapp 16%, gefolgt von LG Energy Solution aus Südkorea mit 14,5% und Panasonic Energy aus Japan mit 7,5%. Laut der S&P-Prognose werden bis 2030 neben CATL, BYD und LG Energy noch die chinesische EVE Energy, die südkoreanische SK Innovation und die japanische Envision AESC (Nissan, NEC und Tokin) zu den größten sechs LiB-Produzenten zählen.
Der S&P-Ausblick berücksichtigt jedoch noch nicht die Aufholpläne von Panasonic Energy. Der ehemalige Weltmarktführer will auf dem Umweg über die USA verlorenen Boden gutmachen und seinen alten Glanz wiederherstellen. Nach der Gigafactory in Nevada in Partnerschaft mit Tesla, die seit 2017 in Betrieb ist, entsteht im Bundesstaat Kansas derzeit das zweite US-Batteriewerk, ein drittes in Oklahoma liegt wegen der aktuellen Nachfrageschwäche bei Elektroautos noch auf Eis. Die geplante Kapazität von 30 GWh in Kansas deckt den Bedarf von 550.000 Model 3 von Tesla. Insgesamt will Panasonic die weltweite Kapazität bis 2030 auf 200 GWh vervierfachen.
Allerdings begrenzt der teils beträchtliche Rückstand auf die Chinesen bei Kapitalkraft, Kapazitäten und Fertigungspreisen, wenn auch nicht bei Technologien, das Potenzial der Aufholjagd. In den 1990er und frühen 2000er Jahren dominierten japanische LiBs dank der Forschung von Nobelpreisträger Akira Yoshino und verhalfen Panasonic, Sony und NEC zum Welterfolg. Noch 2016 war Panasonic laut Marktforscher Techno Systems Research der führende Batteriehersteller für elektrifizierte Fahrzeuge.
Japanische Rückstände
Aber danach wuchs das Unternehmen langsamer als der Markt, weil Japans Autobauer sich nicht für Batterieautos interessierten und in dieses Vakuum chinesische Hersteller vorstießen, auch dank kräftiger Staatshilfen. Dass China der weltgrößte Markt für Elektroautos ist, verschafft den einheimischen Produzenten einen dauerhaften Vorteil. „Der Weltmarktanteil der vorsichtigen japanischen Hersteller könnte in Zukunft noch etwas zurückgehen, weil der Großteil des Marktes für Batterieautos in China liegt und südkoreanische Hersteller aggressiv investieren“, warnt Auto-Analyst Masashi Okada vom US-Berater Arthur D. Little.
Dennoch will es Panasonic noch einmal wissen. Die USA als zweitgrößter Automobilmarkt sind für diese Ambitionen von entscheidender Bedeutung, da sie japanischen Unternehmen einen entscheidenden Vorteil gegenüber der chinesischen Konkurrenz geben: Zugang zu US-Steuergutschriften aus dem Inflation Reduction Act 2022, der den Aufbau einer US-Lieferkette für Batterieautos fördert. Bereits im auslaufenden Geschäftsjahr bringen diese Gutschriften der Konzernmutter Panasonic geschätzte 110 Mrd. Yen (688 Mill. Euro) ein, ein Viertel des prognostizierten Nettogewinns.
„Geld und Taten“ nötig
Bei dem Elektronikriesen macht man sich keine Illusionen über die eigene Wettbewerbsfähigkeit. „Wenn wir jetzt nicht expandieren, wird unser Marktanteil sinken“, sagte Shoichiro Watanabe, Chief Technology Officer von Panasonic Energy und früherer Chef ihrer US-Tochter, der Finanzzeitung „Nikkei“. „Das wäre der Anfang vom Ende. Wir haben die Technologie, was wir brauchen, sind Geld und Taten.“ Aus den holprigen Anfängen der Nevada-Gigafactory, die erst nach vier Jahren schwarze Zahlen schrieb, hat Panasonic gelernt, die Fertigung stärker zu automatisieren.
Staatshilfe für Produzenten
Rückenwind kommt neuerdings von der japanischen Regierung. Die einheimischen Kapazitäten sollen bis 2030 von derzeit 20 auf 150 GWh wachsen. Japan soll ein „globales Kraftwerk für die Entwicklung und Produktion von Speicherbatterien“ werden, heißt es in einem Papier des Ministeriums für Wirtschaft, Handel und Industrie (METI). Ein neues LiB-Werk von Honda und dem Hersteller GS Yuasa in der Präfektur Shiga erhält einen Zuschuss von 160 Mrd. Yen (1 Mrd. Euro). Das Batterie-Joint-Venture von Toyota und Panasonic, Prime Planet Energy & Solutions, bekommt 120 Mrd. Yen (750 Mill. Euro). Dazu subventioniert der Staat den Kauf eines Elektroautos mit bis zu 850.000 Yen.
Mit seiner Offensive will der Staat auch Toyota unterstützen. Der weltgrößte Autobauer plant, die Produktion von nahezu null bis 2030 auf 3,5 Millionen Elektroautos zu steigern. „Angesichts des sich verschärfenden internationalen Wettbewerbs werden groß angelegte Investitionen von Toyota zu einer erheblichen Stärkung der Lieferkette für Speicherbatterien in Japan führen“, erklärte der damalige METI-Chef Yasutoshi Nishimura. Die verlorene Weltmarktführung dürfte Panasonic zwar kaum zurückerobern können, aber man könnte ein stärkerer Branchenplayer werden.