Allianz

Ausnahme von der Regel

Die Milliardenklagen gegen die Allianz gefährden ihr Image der Verlässlichkeit. Eine Wiederholung müssen die Anleger jedoch nicht befürchten. Es ist ein Einmaleffekt.

Ausnahme von der Regel

Die Allianz ist verlässlich und fast langweilig. Klar, ein Stereotyp – und doch: Die Investoren nehmen den Versicherer so wahr. Für das Image erhält die Allianz viel Lob am Kapitalmarkt, und dies zu Recht. Denn hinter dieser Berechenbarkeit und Vertrauenswürdigkeit steckt harte Arbeit von Vorstand und Beschäftigten. Seit der Finanzkrise hält die Allianz meist, was sie den Anlegern verspricht.

Seit einigen Tagen allerdings ist der Versicherer nicht in entspannter Performance-Stimmung, sondern in den Schlagzeilen. Institutionelle Anleger und Einzelpersonen haben die Allianz in den USA auf 6 Mrd. Dollar verklagt, neben der US-Wertpapieraufsicht SEC hat auch das US-Justizministerium eine Untersuchung eingeleitet. Gerät die Allianz in unruhiges Fahrwasser und ruiniert ihr Image? 

Klar ist: Die finanziellen Auswirkungen des Streits sind keine Quantité négligeable. Dass die Allianz keine Rückstellung gebildet hat, liegt nur daran, dass sie die Höhe der voraussichtlichen Belastung – die eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit als 50% hat – noch nicht abschätzen kann. Am Ende dürfte ein Milliardenbetrag stehen, der den Nettogewinn des Versicherers spürbar senkt.

Das schmerzt. Die Folgen für die Anleger sind allerdings gedämpft dank der Tatsache, dass die Allianz ihnen schon vor Jahren eine Dividende zumindest auf Vorjahreshöhe garantiert hat – soweit die Finanzkraft dem Versicherer diese Zahlung ermöglicht. Die Solvabilität aber ist von einer Milliardenbelastung nicht wesentlich beeinträchtigt. Für die Allianz-Investoren ist daher eine ganz andere Frage als ihre Ausschüttung wesentlich: Besteht die Gefahr, dass die Sparte Vermögensverwaltung wiederholt in derartige juristische Scharmützel verstrickt wird? Denn in diesem Szenario würde sich der Unternehmenswert der Allianz dauerhaft verringern, weil der Kapitalmarkt das Risiko mit hohen Multiples einpreisen müsste.

Derlei Befürchtungen sind nicht von der Hand zu weisen. Schließlich sind die meisten Kläger Pensionsfonds, die selbst unter enormem Druck stehen. Sie müssen möglichst hohe Zahlungen an die Ruheständler ermöglichen in einem Umfeld, in dem weltweit nur sehr niedrige Renditen zu erzielen sind. Hohe Verluste sind daher schlicht inakzeptabel. Außerdem wachsen gerade in den USA immer noch die Chancen, sich vor Gericht durchzusetzen. Dies erhöht den Anreiz, die Scharte einer schlechten Performance per Klage auszuwetzen. Zudem hat die Allianz wie jeder Vermögensverwalter für die institutionellen Anleger maßgeschneiderte Lösungen, die anders als das standardisierte Privatkunden-Massengeschäft versteckte Risiken bergen können.

Trotzdem sprechen alle Anzeichen dafür, dass eine mögliche Milliardenbelastung ein Einmaleffekt im Assetmanagement ist. Erstens sind selbst US-Klagen kein Selbstläufer. Zweitens hat die Allianz in den vergangenen zwölf Monaten ihr Assetmanagement-Portfolio durchleuchtet, ohne weitere Fonds nach dem Strickmuster der Structured-Alpha-Familie zu finden. Drittens nimmt Allianz Global Investors schon seit geraumer Zeit Komplexität aus dem Geschäft, indem beispielsweise weniger Investmentstrategien angeboten werden. Weniger Vielfältigkeit reduziert die Gefahr, dass Risiken übersehen werden. Viertens wird die Allianz, wenn sie Fehlverhalten im Management der Fondsfamilie ortet, derlei Praktiken künftig mit einer verbesserten Kontrolle unterbinden.

Ein Restrisiko bleibt natürlich. Die Vermögensverwaltung darf nicht der Versuchung erliegen, in Hedgefonds-Konstruktionen jene Rendite herauszukitzeln, die die Anlagewelt eigentlich nicht bietet. Wer dann auf das Hedgen extremer Volatilität verzichtet, weil dies die Performance ruinieren würde, der zahlt den Preis, beim Eintreten dieser Volatilität ruiniert zu sein. Dieser Preis ist zu hoch.

Der Vorstandsvorsitzende Oliver Bäte hat bereits rhetorisch eine Brandmauer zu diesem Fall errichtet, indem er betonte, die Ethik der Allianz sei eine andere. Die Wiederaufnahme des Aktienrückkaufs ist das zweite Signal zur Vertrauensbildung: Das finanzielle Fundament ist nicht gefährdet, lautet die Botschaft an den Kapitalmarkt. In einem dritten Schritt muss die Allianz die Belastung möglichst bald quantitativ abschätzen, um die Unsicherheit aus dem Markt zu nehmen. Es gilt auch, genauere Erkenntnisse über den Fall und Schlussfolgerungen öffentlich zu machen. Dann können Langeweile und Verlässlichkeit zurückkehren.

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