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Autoindustrie unterm Hakenkreuz – Sonderfall Porsche

Der Aufstieg des Familienunternehmens Porsche ist eng mit der NS-Diktatur verknüpft.

Autoindustrie unterm Hakenkreuz – Sonderfall Porsche

Von Stefan Kroneck, München

Der Angriffskrieg Wladimir Putins in der Ukraine hat zuletzt die Frage in den Mittelpunkt von Diskussionen gerückt, wie sich Unternehmen in Kriegszeiten verhalten. Vor diesem Hintergrund wird auch die Rolle von Unternehmerdynastien im Nationalsozialismus wieder thematisiert, wie das vom niederländischen Journalisten David de Jong dieses Jahr erschienene Buch „Braunes Erbe“ (Kiepenheuer & Witsch) veranschaulicht. Ein großes Gewicht hatte dabei die deutsche Autoindustrie.

Die Rüstungsgüter von Daimler-Benz, BMW, Opel und Volkswagen ermöglichten es Hitler, 1939 den Krieg vom Zaun zu brechen.

Vor dem Hintergrund der Ereignisse von damals rückt vor allem ein Unternehmen in den Vordergrund: Porsche. Das 1931 von Ferdinand Porsche (1875 bis 1951) in der Großen Depression gegründete Stuttgarter Konstruktionsbüro für Fahrzeuge stellte einen Sonderfall in der Autobranche unter dem Hakenkreuz dar. Denn während die oben genannten Hersteller seinerzeit etablierte Konzerne der Großindustrie waren, war der aus Nordböhmen stammende Ex-Technikchef und Vorstand von Daimler-Benz ein Außenseiter, der 1933 mit der Machtübernahme der Nazis aktiv die Gelegenheit nutzte, um aus der neuen politischen Lage für sich Vorteile zu ziehen. Der Name Porsche steht nicht nur für staatlich subventionierte Rennwagen in Kooperation mit Auto Union aus Sachsen sowie dem ersten, später in der Nachkriegszeit erfolgreichen Massen-Kleinwagen Volkswagen („Käfer“), sondern eben auch für Kriegsgerät wie die Käfer-Derivate Kübelwagen und Schwimmwagen sowie für Panzer wie die Modelle „Hybrid-Tiger 1“ und „Ferdinand“. Hitler setzte Ferdinand Porsche im Krieg als Alleskönner ein. Dieser leitete zeitweise sogar die Panzerkommission.

In seinem 2017 erschienenen Buch „Porsche – vom Konstruktionsbüro zur Weltmarke“ (Siedler Verlag) kommt der Historiker Wolfram Pyta zu einem wenig schmeichelhaften Resümee über das Wirken von Ferdinand Porsche in der NS-Zeit: „Ohne politische Rückendeckung wäre der rasante Aufstieg eines kleinen Anbieters von Konstruktionsleistungen zu einem kompletten Entwicklungsbetrieb für Fahrzeugtechnik nicht möglich gewesen. Aus eigener Kraft hätte die Porsche GmbH das Volkswagen-Projekt nicht zu ihrem profilbil­denden Markenzeichen machen und den unternehmerischen Durchbruch schaffen können. Insofern ist die These gewiss nicht übertrieben, dass Ferdinand Porsche ein politischer Konjunkturritter war, der die Nähe zur Politik suchte, um sich unter ungewöhnlich opulenten Bedingungen als Konstrukteur, Entwickler und Hersteller von Versuchsfahrzeugen zu betätigen (…).“ Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung ergänzte der Autor sein Urteil wie folgt: „Porsche war unter dem Nazi-Regime ein politisches Unternehmen par excellence. Ferdinand Porsche nahm alle möglichen Aufträge des Hitler-Regimes an. Die Grundfarbe der Firmengeschichte von Porsche ist Grau.“

Pyta zufolge fungierte für Porsche als Mittelsmann zu Hitler der frühere Daimler-Benz-Vorstand und österreichische Nationalsozialist sowie SS-Mitglied Jakob Werlin (1886 bis 1965). Obgleich Ferdinand Porsche wie dessen leiblicher Sohn Ferdinand „Ferry“ Anton Ernst Porsche (1909 bis 1998) sowie dessen Schwiegersohn, der Wiener Rechtsanwalt Anton Piëch (1894 bis 1952), der SS und – mit Ausnahme von „Ferry“ Porsche – auch der NSDAP angehörten, war der Firmenpatriarch kein überzeugter Nazi, sondern ein Mitläufer. „Ferdinand Porsche agierte wie ein Opportunist reinsten Wassers, der instinktsicher wie skrupellos die sich bietenden (…) Gelegenheiten zum Ausbau seines Familienunternehmens ergriff. Dezidiert nationalsozialistische Überzeugungen waren für seinen unternehmerischen Erfolg auch gar nicht nötig. Denn die NS-Diktatur bot einer technokratischen Elite (…) privilegierte Entfaltungsmöglichkeiten“, schreibt Pyta in seiner Studie, die die heutige Porsche AG unter Beteiligung von Porsches Enkelsöhnen, Wolfgang Porsche (*1943) und Hans-Michel Piëch (*1942), unterstützt hat, um die NS-Vergangenheit aufzuarbeiten.

Zwei Dekaden zuvor sorgten die Historiker Hans Mommsen und Manfred Grieger mit einer Analyse über NS-Zwangsarbeiter im Wolfsburger VW-Werk für Aufsehen.

Bemerkenswert bei der Geschichte von Porsche ist, dass die Firma ihr Überleben in den Anfangsjahren der tatkräftigen finanziellen Unterstützung durch den jüdischen Geschäftsmann Adolf Rosenberger zu verdanken hat. Der einstige Rennfahrer war zu Beginn der Porsche GmbH Geschäftsführer und Mitgesellschafter (Anteil von 10%), stieg dann aber später aus. Bis zu seiner Auswanderung in die USA 1938 war der vermögende Immobilienbesitzer aber weiterhin für die Firma tätig gewesen und pflegte nach dem Krieg Kontakte zu Teilen der Familie Porsche. „Das Konstruktionsbüro hätte die ersten Jahre ohne Adolf Rosenbergers finanzielle Hilfe nicht überstanden“, sagte Pyta dieser Zeitung.

Aus der Recherche ergibt sich die hypothetische Frage, was mit Ferdinand Porsche geschehen wäre, wenn dieser doch während der Weltwirtschaftskrise das Angebot der Kommunisten um Stalin angenommen hätte, als Konstrukteur anzuheuern. Die damaligen Kremlherrscher stampften eine sozialistische Musterstadt an der Wolga mit einer Traktorenfabrik aus dem Boden, die den Namen des sowjetischen Diktators erhielt. Doch nach Stalingrad verschlug es Porsche beruflich doch nicht. Nach einem dortigen Aufenthalt kehrte er zurück, weil seinerzeit in Russland – anders als in Deutschland – die Pkw-Produktion nicht auf der Prioritätenliste der Politik stand.

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