Paris

Balsam für die Seele

Dass die Franzosen ihr Essen lieben, soll sich nun auch im Weltkulturerbe widerspiegeln. Daher ist es wenig verwunderlich, dass ihnen das gesellige Speisen in der Pandemie arg fehlt.

Balsam für die Seele

Es ist eines der Symbole, das in den Augen vieler Ausländer neben Rotwein und Camembert stellvertretend für Frankreich steht. Nun soll das Baguette auch offiziell von der Unesco als immaterielles Weltkulturerbe anerkannt werden, wenn es nach der Regierung geht. Sie will sich dafür bei der für Bildung, Wissenschaft und Kultur zuständigen Organisation der Vereinten Nationen bewerben, nachdem zunächst auch die Zinkdächer von Paris sowie das in dem im Département Jura gelegenen Arbois alljährlich veranstaltete Biou-Weinfest zur Wahl gestanden hatten.

Sollte die Bewerbung erfolgreich sein, werde verdeutlicht, dass eine täglich wie selbstverständlich von vielen Personen geteilte Ernährungsgewohnheit ein eigenständiges Kulturgut sei, erklärte die schwer an Covid-19 erkrankte Kulturministerin Roselyne Bachelot. Bis die Entscheidung der Unesco fällt, dürften allerdings noch zwei Jahre vergehen. Die französische Küche steht bereits seit 2010 als immaterielles Weltkulturerbe auf der Liste.

Vielleicht kann die Bewerbung des Baguettes den Bäckereien zu neuem Schwung verhelfen. Sie gehören zwar zu den lebensnotwendigen Geschäften, die in Paris und 18 weiteren Départements trotz dort geltender Corona-Beschränkungen geöffnet bleiben dürfen. Doch wie in Deutschland nimmt die Zahl traditioneller Bäckereien ab, während industriell gefertigte Baguettes auf dem Vormarsch sind. So ist die Zahl der Bäckereien in Frankreich nach Angaben des Kulturministeriums seit 1970 von 55000 auf rund 35000 gesunken. Besonders auffällig ist der Rückgang in ländlichen Gegenden, wo es in vielen kleineren Orten keine Bäckerei mehr gibt. Dass die Brotbackkunst den Franzosen am Herzen liegt, zeigt sich an Wettbewerben wie „La meilleure boulangerie de France“, den der Fernsehsender M6 seit mehreren Jahren durchführt. Die Stadtverwaltung Paris schreibt seit 1994 den Preis für das beste Baguette von Paris aus.

Welch hohen Stellenwert Essen für Franzosen hat, zeigen auch Umfragen zu den Auswirkungen der Pandemie auf ihr Gemüt. Demnach sind Restaurantbesuche das, was ihnen am meisten fehlt. 87% der Franzosen geben an, darunter zu leiden, nicht mehr ins Restaurant gehen zu können. Dort mit Freunden oder der Familie gemeinsam zu essen ist für viele Franzosen ein wichtiges Freizeitritual. Das gilt in Paris mit seinem oft begrenzten Wohnraum umso mehr.

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Bis Restaurants in Frankreich wieder öffnen dürfen, dürfte jedoch noch einige Zeit vergehen. Die gesundheitliche Lage spitze sich zu, gab Wirtschaftsminister Bruno Le Maire Montag gegenüber dem Radiosender „France Info“ zu. Deshalb werde sich an der Liste der Geschäfte, die geschlossen bleiben müssen, auch nichts ändern. Außer in den 19 von strengeren Beschränkungen betroffenen Départements können allerdings alle Geschäfte öffnen, ausgenommen die in Einkaufszentren mit mehr als 20000 Quadratmetern gelegenen.

Angesichts des starken Anstiegs der Pandemie lägen nun sämtliche Optionen auf dem Tisch, auch eine strenge Ausgangssperre, sagte Le Maire. Dass die Regierung diese entgegen den Forderungen von Wissenschaftlern und Ärzten bisher nicht verhängt habe, sei eine „verantwortungsvolle Entscheidung“, verteidigte der Minister das Team von Präsident Emmanuel Macron. In anderen Ländern seien mehr oder weniger strenge Ausgangsbeschränkungen in Kraft, doch die Ergebnisse seien enttäuschend, argumentierte Le Maire. Die einzige Lösung seien Massenimpfungen.

Dabei vergaß er jedoch darauf hinzuweisen, dass Frankreich dabei noch immer Deutschland deutlich hinterherhinkt. Le Maire versäumte auch zu erwähnen, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone inzwischen laut der Johns Hopkins University mit 4,61 Millionen bestätigten Fällen das am stärksten von der Pandemie betroffene Land in Europa und weltweit das am viertstärksten betroffene hinter Brasilien, den USA und Indien ist. Montag kam ein weiterer Negativ-Rekord dazu, denn mit 4974 Covid-Patienten auf den Intensivstationen wurde der Höchstwert der zweiten Welle im Herbst überschritten.