Stotternder Start-up-Motor
Notiert in Berlin
Stotternder Start-up-Motor
Von Andreas Heitker
Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey schaut derzeit mit durchaus gemischten Gefühlen auf das Start-up-Ökosystem ihrer Stadt: Auf der einen Seite hat Berlin auch 2023 seinen nationalen Titel als größter Start-up-Standort verteidigt. Die mehr als 5.500 jungen Unternehmen beschäftigen mittlerweile 100.000 Mitarbeiter – und damit ähnlich viel wie die Industriebetriebe in der Hauptstadt. Die Szene sei „ein veritabler Wirtschaftsfaktor“ für Berlin, betonte Giffey so auch vor einigen Tagen beim Besuch der IBB, der heimischen Investitionsbank. Der SPD-Politikerin zufolge sind Start-ups auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten „ein zentraler Motor für die Entwicklung in Berlin“. Allein in den vergangenen fünf Jahren sind einer aktuellen Studie des Senats zufolge immerhin 24,5 Mrd. Euro an Wagniskapital in die Berliner Start-ups geflossen.
Was allerdings auch die frühere Regierende Bürgermeisterin nicht wegwischen kann: Auf europäischer Ebene hat Paris und zuletzt auch Stockholm der deutschen Hauptstadt beim Finanzierungsvolumen den Rang abgelaufen. London ist unerreichbar weit entfernt. Vor allem aber ist 2023 das Finanzierungsvolumen insgesamt von 5,5 auf 2,9 Mrd. Euro deutlich zurückgegangen und liegt damit nur noch leicht über den konkurrierenden Standorten in Bayern, die auf 2,6 Mrd. Euro kamen und sich weitaus robuster zeigten. Zwar blieben die Frühfinanzierungen relativ stabil. Aber in den Finanzierungsrunden zwischen 100 und 250 Mill. Euro brach das Volumen um mehr als die Hälfte ein. Und noch größere „Megadeals“ blieben 2023 sogar ganz aus.
Forderungen der Start-up-Szene an die Politik
Die Berliner Start-up-Szene hat durchaus prominente Namen hervorgebracht: von einst Hellofresh bis heute unter anderem zum Solaranbieter Enpal. Als Pluspunkte gelten weiterhin das Ökosystem und die Weltoffenheit der Stadt. Aber reicht das, um als Standort attraktiv für die Zukunft zu bleiben? Bei dem jüngsten Roundtable der Branche mit dem Senat wurden von den Unternehmen durchaus auch Verbesserungen in der Infrastruktur gefordert: von einer Digitalisierung der Verwaltung und mehr Finanzierungsangeboten bis zur einfacheren Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland, auf die viele der jungen Wachstumsunternehmen angewiesen sind. Dass viele Mitarbeiter im angespannten Wohnungsmarkt der Stadt aktuell keine Bleibe finden, ist noch ein eigenes Problem.
Vier Sektoren spielen in der Berliner Start-up-Szene eine besondere Rolle: die Green-Tech-, die Gesundheits- und die Spiele-Branche, vor allem aber der Fintech-Bereich. Laut einer neuen Untersuchung der IBB hängt Berlin mit 160 aktiven Fintechs weiterhin die nationalen Konkurrenten Frankfurt, München oder Hamburg ab. Diese sind Teil einer sehr aktiven Digitalbranche, die laut der Studie in den letzten zwölf Jahren für fast ein Viertel des Berliner Wirtschaftswachstums verantwortlich war. Und das macht dann auch in der jüngsten Start-up-Schwächephase wieder Hoffnung.