Bidens Dilemma mit den ärmsten Amerikanern
Während der ersten beiden Amtsjahre von US-Präsident Joe Biden haben Republikaner eines wiederholt bewiesen: Egal, was er macht – jede Entscheidung, die Biden trifft, ist die falsche. Zuerst hieß es, er habe nicht schnell genug militärische Hilfe für die Ukraine bereitgestellt. Nun aber, wo amerikanische Raketenabwehrsysteme und andere Waffen längst im Einsatz sind, schimpfen Konservative darüber, dass er zu viel für das kriegsgeschüttelte Land tue. Ähnlich verhält es sich im Kampf gegen die hohe Inflation. Bidens Hilfsprogramme während der Corona-Pandemie hätten ebenso wie das Gesetz zur Förderung von Infrastrukturinvestitionen die Inflation befeuert, wetterten die Konservativen. Nun aber laufen immer mehr Programme aus, die während der Pandemie wirtschaftlich schlechter Gestellten helfen sollten. Und was sagen die Republikaner nun? Der Präsident interessiere sich nicht für seine ärmeren Landsleute.
Während der vergangenen 18 Monate sind mehrere staatliche Programme, die von vornherein befristet waren, ausgelaufen. Dazu zählen die erweiterte Arbeitslosenhilfe und Kinderbeihilfe für Familien unterhalb bestimmter Einkommensgrenzen. Der jüngste Streit rankt sich um einen staatlichen Zuschuss, mit dem sich mehr als 40 Millionen US-Bürger während der Krise über Wasser halten konnten. Das sogenannte „Supplemental Nutrition Assistance Program“ (SNAP) wurde in der frühen Phase der Pandemie verabschiedet und führte zu einer großzügigen Ausweitung der Lebensmittelbeihilfe für Haushalte, deren Einkommen um maximal 30% oberhalb der amtlichen Armutsgrenze liegt. Um die Zuwendung zu kassieren, durfte ein dreiköpfige Familie nicht mehr als 29940 Dollar pro Jahr verdienen, umgerechnet etwa 28000 Euro.
18 US-Staaten haben den „Corona-Notstand“ bereits aufgehoben, womit der Zuschuss automatisch beendet ist, und weitere werden folgen. Unabhängig davon ist aber entscheidend, dass der Kongress im Dezember beschlossen hat, dass SNAP so oder so im März auslaufen wird. Für die Bürger in den ärmsten Gegenden hat das handfeste Folgen. In Union County, Florida, oder Lake County im Staat Tennessee beispielsweise – beide zählen zu den Schlusslichtern auf der Liste der ärmsten Bezirke in den USA – kann der Wegfall der Subvention Familien in Existenznot bringen. So sind für viele die Zuschüsse für Fleisch, Gemüse, Obst, Brot und andere Lebensmittel von fast 300 Dollar pro Monat auf etwas mehr als 20 Dollar geschrumpft.
Einer der Leidtragenden ist der Rentner Danny Moore aus Tiptonville in Lake County. Zweimal im Monat stehen er und seine Frau morgens um halb fünf auf, steigen in ihren Truck und fahren eine halbe Stunde, um bei einer Lebensmittelbank ihre Marken gegen haltbare Lebensmittel einzutauschen. „Wir werden aber bald nur noch 30 Dollar anstelle von 270 haben“, schimpft Danny. „Ich habe das Gefühl, dass Biden uns nicht nur vergessen hat, sondern uns sogar umbringen will, denn von so wenig Hilfe können meine Frau und ich nicht leben.“
Geschichten wie die der Moores sind in armen Staaten, vorwiegend im Süden und Mittleren Westen der USA, immer wieder zu hören. Nach Ansicht von Dottie Rosenbaum vom Center on Budget and Policy Priorities müssen sich wirtschaftlich schlechter Gestellte auf harte Zeiten einstellen. Seit 2021 sei nämlich als Folge von SNAP nicht nur bei Rentnern wie den Moores, sondern insbesondere bei kinderreichen Familien ein Rückgang der Armut zu beobachten gewesen.
Wegen der großen Bedeutung der auslaufenden Lebensmittelbeihilfe „wird sich dieser Trend nun umkehren“, glaubt Rosenbaum, und das könnte auch in den kommenden Wahlen seinen Niederschlag finden. Republikanische Kongressabgeordnete besuchen nämlich regelmäßig ihre Heimatbezirke in Tennessee, Florida, Arkansas und anderen Staaten. Sie erzählen den Wählern, dass Biden und die Demokraten schuld an ihrem Elend seien. Dies, obwohl es der Kongress war, der die Hilfsprogramme befristet hat. Der einzige Präsidentschaftskandidat, dem das Schicksal der Ärmsten am Herzen liege, heiße Donald Trump, sagen sie und wollen damit schon die Weichen für das Wahljahr 2024 stellen. (Börsen-Zeitung,