Bidens neuer Chips Act
Notiert in New York
Bidens neuer Chips Act
Von Alex Wehnert
US-Präsident Joe Biden hat Wut im Bauch. Doch es sind nicht etwa Wladimir Putin, chinesische Plagiate amerikanischer Halbleiter oder Buybacks von Ölkonzernen, die den Demokraten aktuell die Wand hochtreiben – sondern Snack-Hersteller. In einem anlässlich des Super Bowl am vergangenen Sonntag veröffentlichten Video kritisiert Biden, dass die zum American-Football-Finale gereichten Softdrink-Flaschen beständig kleiner würden und Chipstüten statt frittierter Kartoffelscheiben zunehmend mehr Luft enthielten – die Anbieter aber die gleichen oder höhere Preise verlangten. Besonders ereifert sich der Eiscreme-Fan darüber, beim Kauf gefrorener Milchspeise-Emulsionen von Marken wie Breyers hinters Licht geführt zu werden.
Kekse mit Gewichtsverlust
Das von Biden als „Nepp“ angeprangerte Phänomen heißt Shrinkflation und ist gerade in Zeiten starker Geldentwertung ein beliebtes Mittel für Unternehmen, um die Margen zu stützen. Die Taktik, die Produktmenge zu verringern, ohne die Preise nach unten anzupassen, betreiben US-Firmen bereits seit den 1950er Jahren – zuletzt gehen sie dabei aber besonders aggressiv vor. Laut einem Bericht des demokratischen Senators Bob Casey haben Oreo’s-Kekspackungen zwischen Januar 2019 und Oktober 2023 beispielsweise 6% an Gewicht verloren. Gatorade-Flaschen enthalten 12% weniger Flüssigkeit als zuvor, während Walmart-Küchenrollen unter der fast höhnisch firmierenden Ausführung „Great Value Ultra Strong“ 28% weniger Tücher abwerfen. Zugleich sind die Preise für viele Lebensmittel und Haushaltsprodukte um 20% und mehr in die Höhe geschnellt.
Für Biden ist das mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im November ein gewaltiges Problem. Denn wenngleich seine Regierung über Subventionsprogramme wie den Inflation Reduction Act und den Chips and Science Act Milliarden in die Wirtschaft pumpt sowie großvolumige Direktinvestitionen auch von deutschen Unternehmen anzieht und sich viele Konjunkturindikatoren positiv entwickeln, hält sich unter den Wählern hartnäckiger Pessimismus.
Massive Verunsicherung
Die Fiskalstimuli machen eine massive Ausweitung der Staatsverschuldung nötig, während im Kongress wiederholt Haushaltsstreitigkeiten hochkochen, für die grundsätzliche Lösungen angesichts der Polarisierung zwischen Demokraten und Republikanern kaum greifbar scheinen. Neben dem dysfunktionalen Bild, das Washington abgibt, sehen viele Amerikaner ihre finanzielle Sicherheit auch durch geopolitische Krisen bedroht. Am plastischsten zeigt sich der Grund für die schlechte Stimmung indes in den Supermärkten Harlems oder der Bronx. Die Inflation mag sich abgekühlt haben, die Preise bleiben für einen Großteil der Amerikaner aber viel zu hoch. Vielleicht wird es für Biden Zeit, mit einem Shrinkflation Reduction Act oder einem Chips and Ice Cream Act dafür zu sorgen, dass sich die US-Bürger zum nächsten Super Bowl wieder die gewohnten Snack-Mengen hineinschaufeln können, ohne dafür mehr zahlen zu müssen.