KommentarLandtagswahlen

Bittere Lektionen für die Ampel

In der Bundesregierung weiß derzeit niemand, wie der eigene Absturz und der Rechtsruck im Land aufzuhalten sind. Von echter Selbstkritik sind die drei Ampel-Parteien zugleich aber weit entfernt.

Bittere Lektionen für die Ampel

Landtagswahlen

Bittere Lektionen für die Ampel

In der Regierung weiß niemand, wie der eigene Absturz und der Rechtsruck aufzuhalten sind. Und niemand mag zugeben, wie sehr beides zusammenhängt.

Von Andreas Heitker

Auch am Tag nach den Landtagswahlen, die immerhin rund ein Viertel der Wähler in Deutschland an die Urnen gerufen haben, bestimmte in den drei Ampel-Parteien in Berlin Ratlosigkeit das Bild. Offenbar hat derzeit niemand der führenden Köpfe in den Zentralen von SPD, Grünen und FDP auch nur ansatzweise ein Rezept, wie den entscheidenden Entwicklungen in Bayern und Hessen begegnet werden kann – also zum einen die eigenen Verluste stoppen und zum anderen den Rechtsruck, der sich in den Erfolgen der AfD manifestierte. Dass diese Erfolge ganz ursächlich auch mit der öffentlichen Wahrnehmung der Regierungspolitik zur Halbzeit der Legislatur zusammenhängen könnten, mag ohnehin niemand so recht zugeben. Da wird lieber ganz allgemein von einer "Botschaft" gesprochen, die die Wähler an die Koalition gesendet hätten, oder von einem "Arbeitsauftrag", die Regierungsarbeit in Berlin noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Es wird wieder einmal versprochen, dass interner Streit künftig nicht mehr öffentlich ausgetragen werden soll und dass ohnehin alles mit noch mehr Tempo passieren soll. Da werden wahlweise die Populismus-Vorwürfe in Richtung Union gesendet oder die Opposition zum großen Schulterschluss gegen rechts aufgefordert. Von echter Selbstkritik sind die drei Regierungsparteien aber weit entfernt.

Natürlich ist die Lage komplex. Es liegt ja längst nicht nur an einer zu ambitionierten Mikromanagement-Politik der Grünen, an dem zeitweisen Oppositionskurs der Liberalen oder einem als führungsschwach wahrgenommenen sozialdemokratischen Kanzler, dass die Stimmung so schlecht ist. Rezession, Inflation, Krieg, hohe Flüchtlingszahlen und Energiekrise – längst nicht alles, was heute zur Verunsicherung vieler Menschen beiträgt, lässt sich ja der Bundesregierung aufs Brot schmieren. Trotzdem ist das nächste halbe Jahr die vielleicht letzte Chance für die Ampel, das Ruder noch einmal herumzureißen und verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Erst im Juni 2024 folgt mit den Europawahlen der nächste Prüfstein, bevor im September dann in Thüringen, Brandenburg und Sachsen die ersten Landtagswahlen anstehen, aus denen – Stand heute – die AfD als stärkste Kraft hervorgehen könnte. Dies würde das Land dann noch einmal vor ganz neue Zerreißproben stellen. Und die bitteren Lektionen für die Ampel aus Hessen und Bayern sind bis dahin wohl längst vergessen.

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