Notiert in Brüssel

Brüsseler Arithmetik

Bei den riesigen Summen, die in Brüssel gerade in Zusammenhang mit Rüstungsinvestitionen aufgerufen werden, ist Vorsicht geboten.

Brüsseler Arithmetik

Notiert in Brüssel

Brüsseler Arithmetik

Von Detlef Fechtner

In Brüssel wird dieser Tage wieder viel gerechnet − und das Publikum erlebt die Rückkehr der großen Zahlen. Es geht nicht mehr um Millionen, sondern nur noch um Milliarden und manchmal sogar um Billionen. Denn der Finanzierungsbedarf ist riesig, für nachhaltige Transformation, für Digitalisierung, für Rüstung. Da wird nicht gekleckert, da wird geklotzt.

Unter dem Eindruck, nur mit ganz großen Zahlen beeindrucken zu können, behauptet EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, mit den von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen (Stabilitätspakt-Ausweichklausel plus Kreditfazilität für gemeinsame Beschaffung) 800 Mrd. Euro, in Worten achthundert Milliarden Euro, für Rüstungsinvestitionen zu mobilisieren. Nur mal so gesagt: Das entspricht der kompletten Wirtschaftsleistung Polens.

Zweifel sind angebracht

Wo viel gerechnet wird, da wird freilich auch vieles schöngerechnet. Ein Beispiel sind die genannten 800 Mrd. Euro. Denn davon sind „nur“ 150 Mrd. Euro europäisches Geld, also Mittel, die mit der Rückendeckung der EU-Kommission an den Märkten eingesammelt werden. Der Löwenanteil, immerhin mehr als 80%, soll aus nationalen Budgets stammen. Diese angestrebten 650 Mrd. Euro würden letztlich aber nur dann zusammenkommen, wenn alle nationalen Regierungen nicht nur bereit wären, zusätzliche 1,5% ihrer Wirtschaftskraft in militärische Ausgaben zu stecken, sondern wenn sie das dafür nötige Kleingeld auch problemlos an den Kapitalmärkten zu vernünftigen Konditionen aufnehmen könnten. An beiden Bedingungen dürfen Zweifel geäußert werden. Zudem ist die Frage erlaubt, ob überhaupt genug militärisches Material angeboten wird, das mit den Riesensummen gekauft werden soll − immerhin soll ja das meiste davon in Europa produziert worden sein.

EU-Rechnungshof moniert „Juncker-Fonds“

Gerade in dieser Woche ist das Thema „Schönrechnen“ durch einen Bericht des EU-Rechnungshofs befeuert worden. Die Luxemburger Prüfer haben festgestellt, dass im Rahmen des Europäischen Fonds für strategische Investitionen, der vielen als „Juncker-Fonds“ geläufiger ist, viel weniger Investitionen getätigt worden seien als von der EU-Kommission behauptet. Statt der gemeldeten 503 Mrd. Euro seien lediglich zusätzliche Investitionen in Höhe von 372 Mrd. Euro getätigt worden, moniert der Rechnungshof. Kurzum: Der Rechenfehler beläuft sich auf 131 Mrd. Euro. Das wiederum entspricht, wie der EU-Abgeordnete Markus Ferber erinnert, ziemlich genau der Wirtschaftsleistung der Slowakei. Ist also auch eine Summe, die man nicht mal eben so in die Jukebox schmeißt.

Die Rechnungsprüfer führen die Misskalkulation darauf zurück, dass die EU-Behörden die Hebelwirkung falsch konzipiert haben. Das werden vor allem nationale Förderbanker gut verstehen. Denn die haben sich in den vergangenen Jahren oft genug darüber gewundert, warum ihnen nicht in gleichem Maße gelang, was die EIB immer wieder schaffte: eine ebenso wundervolle wie auch wundersame Geldvermehrung.

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