Brüssels hohe Kunst des Aussitzens
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Der Kampf um die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit hat in der EU schon viele Blüten hervorgebracht: Ende 2020 hatten Polen und Ungarn ein Veto gegen den EU-Haushalt und den Wiederaufbaufonds eingelegt, um einen neuen Rechtsstaatsmechanismus zu verhindern, mit dem die EU-Gelder geschützt werden sollten. Auch hier wurde ein Last-Minute-Kompromiss gefunden. Seither betreibt aber die EU-Kommission die hohe politische Kunst des Aussitzens. Sie will den Mechanismus erst anwenden, wenn dieser durch den Europäischen Gerichtshof geprüft worden ist. Gut, dass das EU-Parlament bei dem Thema keinen Spaß versteht. Die Abgeordneten haben nun beschlossen, ein „Untätigkeitsverfahren“ gegen die Behörde einzuleiten. Die Begründung für die Eile ist nachvollziehbar: In Kürze wird in Ungarn ein neues Parlament gewählt, und EU-Gelder werden – so befürchten es die kritischen Abgeordneten – von Ministerpräsident Viktor Orbán missbraucht, um den Ausgang der Wahlen zu manipulieren. Gäbe es einen besseren Zeitpunkt, um den neuen Rechtsstaatsmechanismus erstmals anzuwenden?