Bürgermeister nervt mit KI-Anrufen
Notiert in New York
Des Bürgermeisters Sprachsalat
Von Alex Wehnert
New Yorker haben künftig häufiger ihren Bürgermeister in der Leitung. Und jenes Stadtoberhaupt, dessen Stimme durch das Telefon erklingt und für Jobs in der Verwaltung wirbt oder für öffentliche Veranstaltungen wie Konzerte die Trommel rührt, ist ungewöhnlich sprachgewandt. Neben Englisch quatscht der Demokrat Eric Adams auch frisch-vergnügt auf Jiddisch, Mandarin oder Spanisch auf seine Wähler ein.
Doch der Bürgermeister hat sich in den vergangenen Monaten mitnichten in Sprachkurse an einem der Community Colleges seiner Stadt vertieft oder sich mit Lernapps wie Duolingo oder Babbel in seinem Büro eingeschlossen. Vielmehr nutzt er künstliche Intelligenz (KI), um die Bürger der Empire City mit Robocalls anzuklingeln. Jetzt könnten New Yorker seine „tröstliche Stimme“ endlich in verschiedenen Sprachen hören, verkündete Adams zuletzt in einer Pressekonferenz mit der Miene eines Weihnachtsmanns, der ein besonders großes Geschenk aus seinem Sack zieht. Verbraucher- und Datenschützer reagieren indes weniger erfreut auf das Projekt.
Neue KI-Initiative
Dieses ist Teil eines in der vergangenen Woche vorgestellten, 50-seitigen Plans, mit dem die Stadt New York auf den KI-Hypezug an den Märkten aufspringt. Darin enthalten sind sieben breit gefasste Initiativen, unter die unter anderem Vorhaben wie die Einrichtung eines städtischen Lenkungskomitees, der Aufbau technologischer Expertise innerhalb der Verwaltung, die Entwicklung von KI-Werkzeugen und die Unterstützung von Pilotprojekten fallen.
Bereits vorgestellt hat Adams neben seinem Sprachsalat auch einen neuen Chatbot für die Bürgerhotline der Stadt. Schließlich drehten sich 70% der Anrufe, die beim Infotelefon mit der Nummer 311 eingingen, um simple Fragen, die ein neues Technologietool problemlos beantworten könne. Dies soll die Wartezeiten für Bürger reduzieren und Kapazitäten der Verwaltungsangestellten freisetzen, die sich somit ausführlicher um komplexere Anliegen kümmern könnten. Die Entwicklung des Chatbots kostete nach Angaben städtischer Vertreter allerdings stolze 600.000 Dollar, Adams' babylonische Robocalls warfen die kommunalen Kassen immerhin um 32.000 Dollar zurück.
Kritik von Verbraucherschützern
Verbraucherschützer kritisieren die KI-Vorstöße nun als unnötig teures, auf dem Rücken des Steuerzahlers ausgetragenes Prestigeprojekt eines Bürgermeisters, der auf eine Wiederwahl im Jahr 2025 schiele. Aufgebrachte Stimmen werfen Adams gar Wählertäuschung vor, da die Robocalls eine Nähe zur vielsprachigen Bürgerschaft suggeriere, die in Wahrheit gar nicht vorhanden sei.
Zudem machen Befürchtungen die Runde, Aufnahmen von Adams' Stimme könnten nun für die Verbreitung von Falschinformationen genutzt werden. So kursieren bereits Fakes, in denen der Bürgermeister in Fantasiesprachen vor sich hin salbadert. Das Stadtoberhaupt wischt die Bedenken über den KI-Einsatz indes beiseite. „Die Leute mögen zwar glauben, dass plötzlich eine Terminator-artige Figur kommt, die Regierung übernimmt und Menschen ersetzt“, sagte er jüngst. Dies entspreche aber nicht der Realität. „Holen Sie tief Luft und reißen Sie sich zusammen“, fordert Adams.
Problem der Glaubwürdigkeit
Die Kritik wäre allerdings wohl nicht ganz so laut, wenn Adams nicht schon viel Geld für Projekte aufgewandt hätte, die bei Bürgern Sorgen vor einem dystopischen Überwachungsstaat wecken. Seit dem Frühjahr erhält die New Yorker Polizei Unterstützung von einem mit Mikrofonen, einer 360-Grad-Kamera, Sonar- und Lasersensoren ausgestatteten Sicherheitsroboter sowie Roboterhunden, die bei Bombenentschärfungen zum Einsatz kommen sollen.
Auch zweifeln viele New Yorker inzwischen daran, dass ihr Bürgermeister es mit der Wahrheit so genau nimmt. Anekdoten, die Adams über seine harte Jugend in Queens verbreitet hat, gelten zumindest als überspitzte Darstellungen. Dass er jetzt per Robocall in Sprachen kommuniziert, die er eigentlich nicht beherrscht, passt da laut Kritikern ins Bild. Seine multilingualen Anrufe drohen statt der erhofften Bürgernähe daher den gegenteiligen Effekt zu haben.