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BYD auf dem Weg zur Globalität

Quizfragen zur weltweit stärksten E-Automarke müssen künftig anders beantwortet werden. Man sollte statt Tesla eher auf BYD tippen.

BYD auf dem Weg zur Globalität

BYD: Drei Buchstaben, an denen keiner mehr vorbeikommt

Chinas automobile Traumfabrik überholt Tesla in den globalen Verkaufszahlen

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Der Markenname Tesla mag zum Inbegriff einer weitreichenden Transformation der Automobilindustrie geworden sein, doch muss man sich in der Branche auf einen neuen Schrittmacher einstellen. Der chinesische Autokonzern BYD setzt mit fulminanten Verkaufserfolgen im Heimatmarkt neue Maßstäbe für die Verbreitung von elektrisch angetriebenen Pkw.

Nun hat sich der Autobauer aus Shenzhen auch die weltweite Krone für den Absatz von Batterieautos geschnappt. Im vierten Quartal 2023 konnte BYD mehr als 526.000 Pkw mit rein elektrischen Antrieb ausliefern und damit Teslas globales Verkaufsergebnis bei etwa 485.000 Fahrzeugen erstmals übertrumpfen.

Wachablösung mit Ansage

Aus der Sicht von Branchenexperten handelt es sich um ein Überholmanöver mit geringem Überraschungseffekt. BYD hatte mit eindeutig überlegenen Wachstumsraten schon seit längerem den Blinker gesetzt. Zuletzt ging es eher um die Frage, ob die Wachablösung bereits im Jahr 2023 oder erst 2024 in der einschlägigen Verkaufsstatistik sichtbar werden würde.

Unter Einrechnung von Plug-In-Hybriden war BYD schon im Jahr 2022 nach Verkaufszahlen zum weltgrößten Elektroautobauer aufgestiegen. Das Hybridautogeschäft läuft mit zuletzt knapp 7% Absatzwachstum im Schlussquartal 2023 zwar gemächlicher als die reinen Batterieautos (+22%), bleibt aber wichtiger Bestandteil des Konzernerfolgs. Tatsächlich machen die die Plug-In-Modelle mit zuletzt 416.000 Auslieferungen im Dezemberquartal noch immer einen Anteil von mehr als 40% an den Pkw-Verkäufen von BYD aus.

Weltweit Nummer Neun

Mit der Zweigleisigkeit bei Elektrofahrzeugen ist es BYD im Gegensatz zu Tesla nun auch gelungen, in die Phalanx der zehn weltgrößten Automobilkonzerne vorzudringen. Für das Jahr 2023 liegt man bei 3 Millionen Pkw-Verkäufen gleichauf mit der japanischen Suzuki auf Platz 9. Hält der rasante Wachstumstrend bei BYD an, könnte man in diesem Jahr bereits an Ford und Honda vorbeiziehen, deren stagnationsverdächtige globale Absatzzahlen zuletzt bei jeweils knapp 4 Millionen Pkw im Jahr angelangt waren.

Reicht der imposante Vormarsch in den Absatzstatistiken aus, um auch tatsächlich als die neue Macht im Konzert der globalen Autokonzerne wahrgenommen zu werden? Bei BYD geht man die Frage mit Humor an. Die Promotionskampagne für europäische Märkte ist mit dem augenzwinkernden Spruch „the biggest car brand you’ve never heard of“ angelaufen.

Raus aus der Anonymität

Augenzwinkernde Bescheidenheit in Ehren lässt BYD wenig Zweifel aufkommen, dass man sich mit der Rolle des Champions im chinesischen Markt, aber weitgehender Anonymität andernorts, nicht länger zufriedengibt. Als auf der Pariser Autoshow im Herbst 2022 die ersten elektrischen Modelle für den europäischen Markt eingeführt wurden, ließ BYD erstmals klipp und klar verkünden, dass man die globale Führung im Elektroautomarkt anstrebt.

Das Selbstbewusstsein gründet auf Stärken in der Modellpalette, der Skalierungsfähigkeit der Produktion und preislicher Wettbewerbsfähigkeit mit hohen Qualitätsansprüchen. Sie haben den kometenhaften Aufstieg der Gesellschaft im Heimatmarkt in den letzten drei Jahren begünstigt und lassen sich nach der Überzeugung von BYD-Gründer und -Chairman Wang Chuanfu, wenn auch in gemäßigteren Tempo, nun auf die Eroberung von ausländischen Märkten übertragen.

Für jeden was Passendes

Im vergangenen Jahr hat BYD allein auf Basis von elektrischen Fahrzeugen im chinesischen Markt Volkswagen als jahrzehntelangen Marktführer abgelöst. Dabei gelang es, die traditionelle Stärke von VW China, mit einer sehr weitgespreizten Palette für so ziemlich jeden Geldbeutel und Fahrzeuganspruch ein passendes Modell im Umlauf zu haben, auf der elektrischen Bühne zu replizieren. Dies war eine wesentliche Voraussetzung dafür, um die in den vergangenen zwei Jahren wesentlich beschleunigte Nachfragedynamik nach E-Fahrzeugen in Chinas wichtigsten Ballungsgebieten voll einzufangen.

Bei chinesischen Kundenbefragungen stößt man auf das quasi einhellige Urteil, dass BYD-Modelle sich in ihrer jeweiligen Preisklasse in der technischen Ausstattung, der Verarbeitung und nicht zuletzt den Infotainment-Features positiv von der Konkurrenz abheben. In China konnten damit junge Erstkäufer aus der unteren Mittelschicht angezogen werden, die erst für den Quantensprung bei den BYD-Verkaufszahlen sorgten.

Auf produktionstechnischer Ebene liegt das Erfolgsgeheimnis in einem vertikal integrierten Ansatz, angefangen mit der hauseigenen Herstellung von Batterieaggregaten, die wesentliche Kostenvorteile mit sich bringen. BYD, die unabhängig von der Autoproduktion zu den weltgrößten Batterieherstellern aufgestiegen ist, vertraut grundsätzlich der Maxime, einen größtmöglichen Anteil von Komponenten in Eigenregie und im Rückgriff auf ein integriertes Fabriknetzwerk herzustellen, und hat diesen Ehrgeiz mittlerweile auch auf die Entwicklung und Produktion von Automobilchips übertragen.

Die Batterie im Zentrum

Das Konzept trägt die Handschrift von Firmengründer Wang, einem gelernten Ingenieur, der in jungen Jahren in einem staatlichen Research-Institut für Batterietechnik angestellt war und sich 1995 den Traum zu unternehmerischen Selbständigkeit mit der Gründung einer Fabrik für Handybatterien mit erfüllte. Der damals gewählte Name BYD steht für „Build Your Dreams“, ein Motto, das nun die Heckpartie von BYD-Modellen ziert, ursprünglich aber nur Batterien und keine Autos im Sinn hatte.