CEO ohne Fortune
Ein halbes Jahr nachdem er den Chef der wichtigsten Konzerntochter vor die Tür gesetzt hat, muss Vodafone-CEO Nick Read selbst seinen Hut nehmen. Deutschland ist nicht nur der größte Markt für den britischen Mobilfunkriesen, hier wurden auch die größten Fehler gemacht. So steckte der Konzern mit zwei Großakquisitionen rund 18 Mrd. Euro in zwei Kabelnetzgesellschaften, um damit eine Festnetzinfrastruktur zu erwerben, die ihre Glanzzeiten bereits hinter sich hatte. Das Kabelnetz ist deutlich leistungsfähiger als eine Kupferader, aber reicht an Glasfaser lange nicht heran.
Das dämmerte nicht nur den Kunden, so dass die Kabelsparte die hochgesteckten Wachstumserwartungen nie erfüllen konnte. Das wissen auch die Investoren, die die Vodafone-Aktie seit dem Antritt von Read 2018 um mehr als 40 % heruntergestuft haben. Das gelungene IPO der Funkturmtochter Vantage Towers und ihre bevorstehende Einbringung in ein Joint Venture mit KKR und GIP konnten dem Kurs keine nachhaltigen Impulse geben, weil der Wettbewerbsdruck auf das operative Geschäft nicht nur in Deutschland anhaltend hoch war, sondern auch in den anderen großen europäischen Märkten Spanien und Italien der Befreiungsschlag ausblieb. In beiden Ländern gelang es Vodafone nicht, das Versprechen einer aktiven Rolle im M&A-Prozess in Europa umzusetzen, um die eigenen Position zu verbessern.
Am Ende verlor wohl auch die staatliche arabische Telekomgesellschaft Etisalat, die im Mai mit ausdrücklicher Unterstützung für Reads Strategie mit 10 % eingestiegen und größter Einzelaktionär geworden war, die Geduld. Seither hat der Vodafone-Kurs rund ein Viertel nachgegeben. Zuletzt ging es nochmals beschleunigt abwärts, mit einem Kursverlust von rund 10 %, nachdem der Konzern im Oktober angekündigt hatte, das teuer erworbenen Kabelnetz zum guten Teil mit Glasfaser überbauen zu wollen. Die Großkunden unter den Wohnungsgesellschaften wünschen sich eine zukunftsfeste Infrastruktur. Würde Vodafone diese nicht bieten, böte sich stattdessen ein Einfallstor für die Telekom im Kabelkundenbestand. Damit stecken die Briten in einer Klemme, aus der sie sich nicht ohne Blessuren und finanziellen Aufwand befreien können – eine Erkenntnis, die sich für den Konzernchef angesichts eines nach wie vor erdrückenden Schuldenstands als desaströs entpuppen musste.
Viel Beifall von der Börse gibt es für Reads Abgang indes auch nicht. Die gewählte Interimslösung offenbart eine wenig überlegte Hauruck-Aktion des Boards, die kaum schnelle Besserung erhoffen lässt.