Schanghai

China meistert die Kimono-Krise

Die Pekinger Regierung hat wieder Knies mit Tokio. Jeder gute Chinese soll sich jetzt auf Befehl von oben von japanischen Stilelementen fernhalten, um die „Gefühle der Nation“ nicht zu verletzen.

China meistert die Kimono-Krise

Suzhou ist nicht weit von Schanghai gelegen. Eine der Perlen des Jangtse-Fluss-Deltas, bekannt für ihre Kanäle, Brücken und Gärten. Marco Polo schaute im 13. Jahrhundert vorbei, war völlig hingerissen und etikettierte Suzhou als „Venedig Chinas“. Die Stadt wusste das zu schätzen und benannte ihre vielleicht schönste Brücke nach ihm. Unweit der Marco-Polo-Brücke gibt es eine Straße namens Huaihai Lu, die auf andere Weise Weltenbummlertum zelebriert. Sie wurde in den Neunziger Jahren als „Volkskulturzone“ und Willkommensgruß für die japanische Expat-Community gebaut. Eine Themenstraße also, in der Restaurants und Geschäfte mit japanischen Motiven locken.

Die Völkerverbindungszone passt allerdings nicht so recht zu aktuellen Befindlichkeiten und Chinas aufgeregter Patriotismus-Welle. Nun hat eine junge Frau, die wie viele Chinesinnen dem „Cosplay“ genannten Verkleidungs-Hobby frönt, mit einem Kimono auf Huaihai Lu promeniert, japanische Snacks eingekauft und sich dabei fotografieren lassen. Sie wurde von einem Polizisten laut angebrüllt, wie sich eine Chinesin erdreisten könne, einen Kimono zu tragen. Ihrer Gegenfrage, warum das auf dieser Straße ein Problem sei, folgte die Festnahme unter Verweis auf den Strafbestand „Xunxin Zishi“. Das heißt so viel wie „Streit anzetteln und Ärger provozieren“ und kann mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden.

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Die gute Nachricht zuerst: das Cosplay-Mädel ist trotz der „ungeheuren“ Provokation nicht in den Bau gewandert. Sie wurde auf der Polizeiwache in Suzhou lediglich fünf Stunden verhört und nach schriftlichem Geständnis mit einer Verwarnung entlassen. Später hat sie die per Videoclip festgehaltene Konfrontation mit dem Polizisten ins Netz gestellt und dabei brav Abbitte geleistet: „Ich entschuldige mich dafür, japanische Kleidung auf der Straße getragen, die öffentliche Stimmung ignoriert und die Gefühle unserer Nation verletzt zu haben.“ Die Reaktion auf den Suzhou-Clip in sozialen Medien ist geteilt. Die einen loben den Ordnungshüter als Chinas „besten Polizisten“. Andere fragen spöttisch, ob man in Zukunft auch die Gefühle der Nation verletzt, wenn man in Jeans herumläuft und Coca-Cola trinkt. Ein Fall für Chinas bekanntesten politischen Kommentator Hu Xijin. Das Tragen eines Kimonos verstoße eindeutig nicht gegen das Gesetz, betont er. Andererseits aber habe Japan seine Anti-China-Politik und Kooperation mit den USA verstärkt und damit antijapanisches Sentiment in der Bevölkerung aufgewühlt. Man dürfe zwar juristisch gesehen einen Kimono tragen, sollte aber wissen, dass das legitimen Ärger auslösen kann.

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Ärger vermeiden will auch die chinesische Ladenkette Miniso und kündigt ein Revirement ihres Produktsortiments und Markenauftritts an. Miniso ist als Abklatsch der für Japan-Chic bekannten Haushaltswarenkette Muji konzipiert worden und hat mit dem Billig-Muji-Konzept Chinas Einzelhandelsszene im Sturm erobert. Jetzt gilt es, das an japanischen Stilelementen aufgehängte Markenprofil samt rot-weißem Logo (Vorsicht, Farben der Nippon-Nationalflagge!) und japanischen Schriftzeichen auf Miniso-Tragetüten neu zu erfinden.

Die Entjapanisierung soll auch für Minisos umfangreiches Auslandsgeschäft in Südostasien, Europa und Lateinamerika gelten. Dort hat man sich jüngst einen kapitalen Fauxpas geleistet. In einer Instagram-Werbekampagne wurde ein Spielwarensortiment angepriesen, zu dem eine „Japanische Geisha-Puppe“ gehörte. Auf dem Foto trägt die Puppe aber ein „Qipao“ genanntes traditionelles chinesisches Kleid. Geht also gar nicht.

Gut, dass Chinas Kulturwächter aufgepasst haben. Miniso bekennt reumütig, dass ihr Firmenkonzept ein großer Fehler war: „Wir haben eine falsche Positionierung und Marketingstrategie gewählt. Wir bedauern das und schämen uns dafür.“ Miniso verspricht mit neuen Managern künftig einen „guten Job beim Export chinesischer Kultur und Werte“ zu machen“. Dem reißenden globalen Absatz von Qipao-tragenden Stoffpuppen steht also nichts mehr im Wege.

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