IM BLICKFELD

Das böse Märchen von den griechischen Immobilienhaien

Von Ulli Gericke, Berlin Börsen-Zeitung, 3.1.2013 Die Geschichte ist gut, die da seit einigen Wochen rumgereicht wird. Und sie klingt überaus logisch - arbeitet sie doch mit einer gekonnten Mischung aus Fakten und Vorurteilen. Heerscharen...

Das böse Märchen von den griechischen Immobilienhaien

Von Ulli Gericke, Berlin Die Geschichte ist gut, die da seit einigen Wochen rumgereicht wird. Und sie klingt überaus logisch – arbeitet sie doch mit einer gekonnten Mischung aus Fakten und Vorurteilen. Heerscharen vermögender Griechen, Spanier und Italiener würden demnach wie die Heuschrecken über die ohnehin schon knappen Berliner Wohnimmobilien herfallen und aufkaufen, was nicht niet- und nagelfest ist. Und damit die Preise – und in der Folge auch die Mieten – in einsame, völlig irreale Höhen treiben. Getrieben von dem Ziel, legale (oder auch illegal beiseite geschaffte) Euros sicher anzulegen, bevor der heimische Fiskus kommt oder die Drachme und Lira Wiederauferstehung feiern.Die Geschichte ist schlüssig. Dennoch kann sich Roman Heidrich, bei Jones Lang LaSalle in Berlin Team Leader Residential Valuation & Transaction Advisory, nur drei, vier Jahre zurück an Spanier erinnern, die damals in merklichem Umfang Zins-, sprich Wohnhäuser eingekauft hätten. Die seien jetzt aber eher auf der Verkaufsseite zu finden. Auch Kollegen von anderen Immobilienberatungshäusern würden Griechen oder Italiener nicht im größeren Stil wahrnehmen – “ich weiß nicht, woher die Geschichte kommt”. Ähnlich ratlos zeigt sich Jürgen Michael Schick, Vizepräsident des Immobilienverbands Deutschland (IVD). Nicht einmal bei Eigentumswohnungen fänden sich nennenswert Südeuropäer als Käufer. “Die größte Nachfrage kommt aus Nordeuropa, es sind starke Länder, die kaufen.” Alle Gutachterausschüsse, die Transaktionen und Preise registrieren, würden zudem als dominierende Tendenz eine “Renationalisierung” der Käufer beobachten. Eine immer stärkere Nachfrage kommt also aus dem Inland.Aus nachvollziehbaren Gründen: Bei einer weitverbreiteten Inflationsangst und mangels rentierlicher Anlagealternativen sind sichere Sachwerte wie Immobilien gesucht – die sich dank niedriger Zinsen auch so günstig finanzieren lassen, wie nie zuvor. Zugleich gilt die deutsche Volkswirtschaft als Konjunkturlokomotive in Europa – während die Immobilien hierzulande nur ein Bruchteil dessen kosten, was ausländische Käufer von zuhause kennen. Schlägt ein Quadratmeter Wohnraum in Oslo mit 5 000 bis 10 000 Euro zu Buche, scheint die deutsche Hauptstadt mit 2 000 bis 2 500 Euro/m2 im Schnitt vergleichsweise preiswert, betont Schick. “Berlin ist Europas günstigste Metropole.”Die zudem erstmals seit Langem wirtschaftlich aufholt. 2011 und absehbar auch im vergangenen Jahr zogen um die 40 000 Menschen mehr in die Hauptstadt, als dort starben oder wegwanderten. 20 000 neue Wohnungen werden also Jahr für Jahr benötigt – tatsächlich werden nicht einmal 4 000 gebaut. Die bisherige Wohnungsreserve ist damit “weggefressen”, konstatiert IVD-Vize Schick. “De facto gibt es innerhalb des S-Bahn-Rings keinen Leerstand mehr.” Steigende Mieten sind damit auf Jahre programmiert – die steigende Kaufpreise für Wohnimmobilien versprechen.Diese Entwicklung mag für Berlin neu sein. Für andere deutsche Großstädte ist sie seit Jahren Alltag. Überall im Land wird seit La ngem zu wenig gebaut, weshalb die Mieten überall explodieren. Und da der momentane Aufschwung beim Geschosswohnungsbau bei Weitem nicht ausreicht, dürfte der Run auf Wohnraum bis mindestens 2015 anhalten. Die größten Preissprünge erwartet Feri Eurorating Services dabei in Hamburg, wo sich Eigentumswohnungen in den kommenden drei Jahren um fast 16 % verteuern dürften. Für München erwarten die Feri-Experten ein Plus von 11 %, gefolgt von Stuttgart mit 10 % und Frankfurt sowie Berlin mit “bescheidenen” 8 %.Wobei Schick der Vollständigkeit halber anfügt, dass nur drei Städte – Berlin, und mit großem Abstand Frankfurt und Hamburg – von internationalen Anlegern beachtet werden. Und hier hätten Ausländer einen Anteil von etwa einem Fünftel.Große Portfolio-Deals mit eingerechnet – wie etwa der Verkauf der LBBW-Wohnungen oder der Baubecon an die Berliner Deutsche Wohnen – wurden im Vorjahr Wohn-Investments von gut 10 Mrd. Euro getätigt – über 60 % mehr als 2011. Allein auf Berlin entfielen davon 1,6 Mrd. Euro, gefolgt von Hamburg mit 300 Mill. Euro.Dieses wachsende Interesse an Berliner Betongold hat dazu geführt, dass das Kauf-Multiple binnen zwei Jahren von 14,5 auf 16,5 hochschnellte. Kostete ein Wohngebäude 2010 noch das gut 12-fache aller Jahreskaltmieten im Haus, sind es inzwischen im Schnitt zwei Jahresmieten mehr. In ganz besonders hippen und gefragten Stadtvierteln zahlen Käufer gar das 30-Fache der (im bundesdeutschen Vergleich allerdings auch niedrigen, sprich steigerungsfähigen Bestands-)Mieten, staunt LaSalle-Experte Heidrich. “Da muss die Fantasie schon sehr, sehr langfristig ausgerichtet sein.”Gleichwohl betonen alle Beobachter – angefangen vom Makler bis (noch) zur Bundesbank -, dass trotz der “deutlichen Übernachfrage” bis dato keine Preisblase zu erkennen sei: Miet- und Kaufpreise entwickeln sich Schick zufolge “weitgehend parallel”, was Übertreibungen auf dem hauptstädtischen Immobilienmarkt ausschließe. Zugleich registrieren Berater wie Banken eine außerordentlich hohe Eigenkapitalausstattung bei Kaufinteressierten. Und zwar bei in- und ausländischen Investoren. Doch das liegt auf der Hand: Wem Anlagealternativen fehlen, der bringt viel eigenes Geld mit – egal, ob er aus dem reichen Süden Deutschlands kommt oder dem gebeutelten Süden Europas.