Payment

Das Ende der Schlaf­mützigkeit

Die European Payment Initiative (EPI) ist der Lackmustest dafür, was wir in Europa im Payment zustande bringen können. Dafür braucht es eine moderne Governance.

Das Ende der Schlaf­mützigkeit

Europa strebt nach Anschluss in den Hightech-Märkten von heute und morgen, ist man doch in Sektoren wie der Chipindustrie gnadenlos abgehängt, was man nun mit gigantischen Subventionen von mindestens 50 Mrd. Euro allein für dieses Basismaterial einer eigenständigen und wettbewerbsfähigen digitalen Infrastruktur heilen will. Mit einer an Naivität grenzenden Tatenlosigkeit hat man zudem im Zahlungsverkehr zugeschaut, wie sich Visa und Mastercard breitgemacht haben. Aufgewacht sind Finanzminister, Notenbanken und Geschäftsbanken erst, als sich mit programmierbarem Geld auf Blockchain-Basis der nächste technologische Wandel manifestierte. Diese Wallet-Ökonomie verlangt nach entschlossenem Handeln auf Seiten der Banken in dem Sinne, dass sie bestehende Assets einbringen für einen europaweit harmonisierten Zahlungsverkehr und dann Innovationsmanagement gemeinsam auf einer Plattform betreiben.

Diese Plattform will die Mitte 2020 ins Leben gerufene European Payment Initiative (EPI) entwickeln, die auf dem Abwicklungsstandard Sepa Instant Payment aufsetzt, um dann mit eigenen Debit- und Kreditkarten sowie in den Wallets integrierten virtuellen Karten für alle Spielarten im grenzüberschreitenden E-Commerce einsetzbar zu sein. Für diese erste Phase sind schlappe 1,5 Mrd. Euro notwendig, die von den teilnehmenden gut 30 Banken zu stemmen sind, um EPI handlungsfähig zu machen. Ein Großteil dieses Geldes dürfte von deutschen Banken eingezahlt werden, die es im Gegensatz zu den niederländischen Instituten verpasst haben, ein nationales „Faster Payment Scheme“ aufzubauen. Heute rächen sich die vielen Versäumnisse bei der Online-Fähigkeit der Girocard und der vermasselten strategischen Positionierung von Paydirekt oder dass man damals nicht die zum Kauf offerierte Sofortüberweisung erwarb oder das Gemeinschaftsunternehmen Concardis für einen Spottpreis an Private Equity gab.

Solche Schlafmützigkeit können sich die deutschen Banken nicht mehr leisten und deshalb drücken sie jetzt aufs Tempo. Aus den EPI-Gremien ist zu hören, technisch stünde alles parat, in den Gesprächen gehe es nun primär darum, welche Staaten ihre nationalen Lösungen einbringen sollten und dass selbst nicht EPI-Karten ausgebende Banken zumindest ihre Geldautomaten nutzbar machen. Der Rollout des Systems muss flott gehen, denn mit dem Abschalten der 400 Millionen Maestro-Karten in Europa ab 2023 hat Mastercard EPI den Fehdehandschuh hingeworfen: Nur dank der Maestro-Funktion können die Deutschen bislang im Ausland mit ihrer Girocard bezahlen. Eigentlich habe man Maestro als Brücke nutzen wollen, jetzt müsse das System eben schon in rund 18 Monaten bereitstehen, heißt es trotzig im EPI-Umfeld.

Für die Banken kommt es mit der Anfangsfinanzierung in den kommenden Wochen zum Schwur, werden einige Institute doch von den EPI-Treibern verdächtigt, das Ganze nur als Mitläufer zu bestreiten und die Mitgliedschaft als Alibiveranstaltung zu betreiben. Das grassierende Misstrauen wirft schon jetzt seine Schatten auf die für Erfolg oder Scheitern entscheidende Stellschraube: EPI braucht eine Governance, die sie aus der lähmenden Club-Struktur bisheriger Ge­meinschaftsunternehmen von Wettbewerbern herausholt.

Dabei sollten die Perspektiven und die Dringlichkeit eines harmonisierten Zahlungsverkehrs doch für eine gewisse Disziplin sorgen: Payment ist eine klassische Public-Private-Infrastruktur, die im Zeitalter der Cyberattacken zudem geostrategische Bedeutung besitzt. Allein das rechtfertigt das Anzapfen von EU-Fördertöpfen. Und wollen wir wetten, dass EPI ganz viele Freunde hat, die eilig onboarden wollen, wenn es Mitte 2023 läuft und Subventionen die Durchfinanzierung auf der Bankenseite erleichtern?

Welche Durchschlagskraft EPI entwickeln kann, verdeutlicht der voluminöse Zielmarkt: Wenn nur Deutschland, Frankreich und Benelux mitmachten, hätte man schon so viel Volumen zusammen wie der US-Markt, heißt es aus dem Kreis der EPI-Mitglieder. Insofern ist EPI ein Lackmustest dafür, was wir in Europa gemeinsam zustande bringen können, ohne dass dafür ein Gesetz geschrieben werden muss. Und nur für den Fall, dass es einige immer noch nicht verstanden haben sollten: Es geht nicht nur um die Einnahmen im Zahlungsverkehr, es geht auch um das Konto als Ankerpunkt für die direkte Kundenbeziehung im digitalen Banking, die bei „Embedded Finance“ diffundiert.

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