Das grüne Scheunentor
Greenwashing, Irreführung, Täuschung! Greenpeace, Finanzwende, Verbraucherschützer und (Finanz-)Aktivisten haben derzeit einen Lieblingsfeind: die Fondsbranche oder meist eigentlich nur die DWS. In immer kürzeren Abständen und mit immer lauteren Vorwürfen verschaffen sie sich Gehör. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob nachhaltige Fonds das halten, was sie Anlegern versprechen. Neben unbestreitbar überzogenem Marketing von Fondsanbietern in dem ein oder anderen Fall tragen aber auch Politiker, Regulierer und Aufseher einen großen Anteil der Schuld, dass das Ganze bis hin zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eskalierte. Sie preschten vor zwei Jahren mit der EU-Offenlegungsverordnung vor, deren Inhalt aber jetzt erst langsam in Form gegossen wird. Damit öffneten sie ein riesiges grünes Scheunentor, durch das sich viele Gesellschaften in der Hoffnung auf neues Geschäft stürzten.
Seit 2021 laufen in den USA die behördlichen Ermittlungen gegen die DWS wegen der Vorwürfe, Anleger mit nachhaltigen Fonds getäuscht zu haben, seit bald einem Jahr laufen ähnliche Untersuchungen der Finanzaufsicht und Staatsanwaltschaft hierzulande. Bislang ohne konkreten Befund. Während die Behörden somit auf der Stelle treten, können dagegen die Verbraucherschützer Erfolge im Streit um die Nachhaltigkeit vorweisen. So erfolgte beim Landgericht Stuttgart unlängst ein Urteil gegen den Fondsanbieter Commerz Real der Commerzbank, wonach dieser die Berechnungsmethode für die ökologische Wirkung seines nachhaltigen Fonds „Klimavest“ offenlegen muss, der in Wind- und Solarparks investiert. Die Kernfrage war, welche Wirkung diese Investments auf Emissionen haben. Die Berechnung müsse transparent sein, damit weiter mit dem Begriff „Messbarkeit“ geworben werden dürfe, so das Gericht. Mit der angeblichen Berechenbarkeit eingesparter Emissionen durch einen nachhaltigen Fonds hatte sich schon die DekaBank gegen die Verbraucherschützer die Finger verbrannt.
Zugleich häufen sich in jüngster Zeit die Studien mit verschiedenen Blickwinkeln, aber immer derselben Botschaft: Achtung, Grünwäscherei bei Fonds – und vor allem bei der DWS. So veröffentlichte der Verein Bürgerbewegung Finanzwende vor wenigen Tagen eine Studie, in der er akribisch auflistete, wie hoch die Investments der nachhaltigen Fonds europäischer Assetmanager in fossile Unternehmen sind. Demnach steht die DWS an der Spitze der Negativ-Rangliste. Greenpeace wiederum behauptet, dass die Ausrichtung des Vergütungssystems der DWS Grünfärberei befördere. Die zentrale Forderung all dieser Studien: Dreht den Öl- und Kohleunternehmen den Geldhahn zu – sofort! Die Fondsbranche wiederum argumentiert, dass der nachhaltige Wandel der Wirtschaft finanziert werden muss, durchaus zu Recht. Die Assetmanager verwalten das Geld im Auftrag der Anleger. Es ist fraglich, ob diese wirklich wie die Aktivisten eine Disruption bei Energieunternehmen wollen. Vermutlich wollen die meisten, weniger radikal, lieber eine Evolution weg von Öl, Kohle und Gas unterstützen.
Für weitere Greenwashing-Vorwürfe sorgte zuletzt auch das „Umetikettieren“ von nachhaltigen Fonds, etwa bei Amundi. Diese waren zunächst als Artikel-9-Fonds nach der seit März 2021 geltenden Offenlegungsverordnung (mit explizitem Nachhaltigkeitsziel) eingruppiert worden. Da aber erst vor wenigen Monaten klare Vorgaben über die Ausgestaltung dieser Fonds durch Regulierungsstandards kamen, die Anfang 2023 in Kraft traten, sahen sich einige Anbieter veranlasst, die Artikel-9-Fonds in Artikel-8-Fonds umzugruppieren, die lediglich nachhaltige Aspekte im Portfolio berücksichtigen. Andere Anbieter wie Union Investment ließen ihre Artikel-9-Fonds dagegen bislang unangetastet. Weitere Bewegung in Fondseinstufungen wird sich ergeben, wenn die Wertpapieraufsicht ESMA ihre angekündigten Regeln für Fonds mit nachhaltigen Begriffen im Namen veröffentlicht. Auch die geplante Fortschreibung der Taxonomie, eine EU-Positivliste der als nachhaltig eingestuften Wirtschaftsaktivitäten, wird die Fondspalette verändern.
Das alles aber sind Standards, die vor dem Inkrafttreten der Offenlegungsverordnung notwendig gewesen wären. Mit dem Zwang der Einstufung von nachhaltigen Produkten vor zwei Jahren, ohne die Kernfragen vorher zu beantworten, wurde das Pferd von hinten aufgezäumt. Damit wurde nicht nur dem Vorantreiben des nachhaltigen Gedankens ein Bärendienst erwiesen, sondern auch den Anbietern, die überzogene oder irregeleitete Versprechen Einzelner nun ausbaden müssen.