Der Bauch ist ein schlechter Berater
Bauchgefühl reicht nicht
KI-Start-ups
Von Karolin Rothbart
Ich kann manchmal ziemlich überzeugend sein“, hat Emad Mostaque einmal in einem „Forbes“-Interview gesagt. Einen Beweis dafür hat der Gründer und CEO des Londoner KI-Start-ups Stability AI im Herbst vergangenen Jahres erbracht, als er – innerhalb von wenigen Tagen – eine Finanzierungsrunde im Volumen von rund 100 Mill. Dollar für den Betreiber des Bildgenerators Stable Diffusion dingfest gemacht hat.
Normalerweise brauchen Investoren für ihre Due Diligence mehrere Monate. Doch die Angst, im Hype um generative künstliche Intelligenz den entscheidenden Deal zu verpassen, dürfte bei den US-Wagniskapitalgebern Lightspeed Venture Partners und Coatue schwerer gewogen haben. Die Investoren stehen mit solchen Schnellschüssen bei weitem nicht allein da. Laut einer Umfrage des österreichischen Frühphaseninvestors Speedinvest unter 437 europäischen Start-up-Investoren haben 42% schon mal eine Investitionsentscheidung aus dem Bauch heraus gefällt – und zwar noch während des ersten Treffens mit dem Gründerteam.
Dass das keine gute Idee ist, zeigt eben der Fall Stability. Gegen Mostaque, der sich das Programmieren in kurzer Zeit selbst beigebracht haben will, stehen Vorwürfe im Raum – etwa dass er Partnerschaften mit der Weltbank, der OECD und der WHO erfunden und den Anschein erweckt haben soll, Stable Diffusion sei von Stability entwickelt worden, was nicht der Fall ist. Dem Unternehmen haben zuletzt zahlreiche ranghohe Mitarbeiter den Rücken gekehrt. Ob Stability vor dem Hintergrund ihre Milliardenbewertung aufrechterhalten kann, ist zumindest fraglich.
Im Juni ist Lightspeed eine weitere Wette auf ein Start-up im Bereich generative KI eingegangen. Die französische Mistral AI, die laut einem Bericht von „The Information“ gerade vor einer zweiten Finanzierungsrunde steht, wurde kurz nach ihrer Gründung als künftige europäische Antwort auf OpenAI angepriesen. Auch das klingt – ganz nach alter Start-up-Manier – erstmal wieder großspurig. Doch können die Gründer in diesem Fall mit reichlich nachgewiesener Expertise in ihrem Feld aufwarten. Sie alle haben im Bereich künstliche Intelligenz studiert und bringen jahrelange Erfahrung aus den KI-Abteilungen der internationalen Tech-Dickschiffe Google bzw. Meta mit.
Natürlich ist auch das keineswegs eine Garantie für einen Durchbruch à la ChatGPT. Doch müssen sich die VC-Geber im Nachhinein zumindest nicht vorwerfen lassen, in Gründer ohne echtes Know-how investiert zu haben. Auch das hilft, den Ruf zu stärken.