Frankfurt

Der Himmel über Frankfurt

Die Rückkehr an die Schreibtische nach den Ferien nimmt dieses Jahr im Bankenviertel besondere Züge an.

Der Himmel über Frankfurt

Pandemiegetrieben gibt es nur noch wenig, was in Frankfurt nicht – oder zumindest nicht auch – unter freiem Himmel veranstaltet wird. Die Jungen haben ihre Lounges in Holzhausen- oder Grüne­burgpark verlagert. Gottesdienste werden auf Kirchenvorplätzen gefeiert. Autorenlesungen finden am Beckenrand im Freibad statt. Wer wirklich einmal wieder ungestört in kleinem Kreise zum Essen ausgehen möchte, muss einfach einen Tisch im Schankraum bestellen, denn da herrscht derzeit gähnende Leere, während sich draußen auf der Gartenterrasse die Gäste drängeln – und sogar bereit sind, Moussaka oder Carbonara an einem Tisch auf dem Bürgersteig zu sich zu nehmen.

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Börse, Banken und Investmentfonds haben die ersten Septembertage ausgiebig genutzt, um Open Air zum sommerlichen Austausch auf Terrassen und in Gärten einzuladen – und Petrus scheint dieses Jahr ein großes Herz für den Finanzplatz zu haben, denn die meteorologischen Außenbedingungen waren durchweg exzellent. So hat die – im Süden Europas jedes Jahr ausgiebig zelebrierte – Ren­trée, also die Rückkehr an die Schreibtische nach den großen Ferien, sogar in Frankfurt gewisse mediterrane Züge angenommen. Viele Mitglieder der „financial community“ haben – mit einem Aperol Spritz in der Hand –  gefühlt in den vergangenen Tagen mehr Kollegen, Geschäfts- und Ansprechpartner persönlich getroffen als im gesamten Rest des Jahres.

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Die Sommerfeste im Bankenviertel geben derzeit ausführlich Gelegenheit, einmal wieder den Himmel über Frankfurt wahrzunehmen. Der ist gewiss nicht der schönste, zählt aber zu einem der hellsten in Europa. Beim Blick auf Licht-Landkarten springt einem Frankfurt schon auf den ersten Blick ins Auge. Und gäbe es nicht Belgiens Autobahnbeleuchtung (an­geblich das Einzige, was man mit menschlichem Auge neben der Chinesischen Mauer vom Mond aus erkennen kann), wäre Rhein-Main unter den Glühwürmern auf der europäischen Nachtkarte ohne große Konkurrenz.

Andersherum gesagt: Zu den zertifizierten Dark-Sky-Kommunen zählt Frankfurt definitiv nicht. Unter diesem Titel präsentieren sich Inseln wie Spiekeroog oder Regionen wie die Rhön, in denen es nach Sonnenuntergang noch so duster wird, dass sich nachtaktive Tiere wohlfühlen – und die gleichzeitig mit Beleuchtungsstrategien gegen Lichtverschmutzung vorgehen. In Frankfurt sind derlei Maßnahmen wie die Reduzierung von Lichtquellen oder Leuchtstärke wesentlich komplizierter umsetzbar als in Dark-Sky-Städten. Dass Frankfurt nachts so hell ist wie Fulda in der Morgendämmerung, das liegt wiederum natürlich vor allem am Flughafen – und weniger an der strahlenden Banken-Skyline. Und auch nicht daran, dass die Eintracht ab nächste Woche wieder Abendspiele in der Europa League im Waldstadion austrägt.

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