LeitartikelDeutschlandpakt

Die Ampel muss selbst mehr Tempo vorlegen

Deutschland braucht keinen Pakt. Die Ampel-Regierung braucht das Bekenntnis zu soliden Staatsfinanzen.

Die Ampel muss selbst mehr Tempo vorlegen

Ampel-Regierung

Mehr Tempo geht auch ohne Pakt

Deutschland braucht
keinen Pakt.
Die Ampel-Regierung braucht das Bekenntnis zu soliden Staatsfinanzen.

Von Angela Wefers

Nach dem Deutschland-Tempo kommt der Deutschland-Pakt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in der Generaldebatte zum Etat 2024 mit einem neuen Schlagwort überrascht. Mit einem Deutschland-Pakt sollen Regierung und Opposition, sollen Bund und Länder an einem Strang ziehen. Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen schneller, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum gestärkt, die Verwaltungen digitalisiert und der Fachkräftemangel durch Einwanderung beseitigt werden. Deutschland soll schneller, moderner und sicherer werden. Schon im März hatte der Kanzler ein neues Deutschland-Tempo ausgerufen, um die Modernisierung der Energie- und Verkehrsinfrastruktur zu beschleunigen.

Scholz glaubt an das Konstrukt der Bündnisse. Mit Arbeitgebern und Gewerkschaften startete er nach dem Überfalls Russlands auf die Ukraine und dem explosionsartigen Preisanstieg eine konzertierte Aktion. Die Einigung war überschaubar: die Gas- und Strompreisbremse und der steuerfreie Inflationsbonus. International soll ein von Scholz initiierter Klimaclub Wettbewerbsnachteile für Länder verhindern, die Umweltkosten in die Preise einbeziehen. Der Club steckt noch in den Kinderschuhen. Der Deutschland-Pakt folgt der Erkenntnis, dass die Bundesregierung viele Vorhaben in der Tat nicht allein durchsetzen kann. Die öffentliche Verwaltung liegt zu großen Teilen bei Ländern und Kommunen. Steuergesetze erfordern die Zustimmung der Länder im Bundesrat. CDU und CSU sind auch als Opposition im Bund wichtige Mitstreiter. In 7 von 16 Bundesländern stellen sie die Regierungschefs. Scholz braucht ihre Mitwirkung.

Solche Pakte sind auch gefährlich. Sie verwischen Positionen. Einmal dabei, zwingen sie die Beteiligten stillzuhalten, wenn ein Resultat gefunden ist. Bündnisse sind sinnvoll, wenn institutionalisierte Wege für den Interessenausgleich fehlen – etwa international. Solche Pakte sind aber überflüssig, wenn es funktionierende Verfahren gibt. Hierzulande gleichen Bund und Länder ihre Interessen in Bundestag und Bundesrat aus, notfalls im Vermittlungsausschuss. Die Regierungschefs der Länder stimmen sich in der Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Kanzler ab. In der Coronazeit war dies präsent.

Deutschland braucht keinen Extra-Pakt für diesen Interessenausgleich. Mehr Tempo könnte Scholz seinen Vorhaben verleihen, wenn die Ampel schneller arbeiten würde. Die im Wachstumschancengesetz anvisierten Steuererleichterungen für Unternehmen sind erst Ende August vom Kabinett gebilligt worden und offensichtlich so wenig innerhalb der Ampel mit den Fraktionen abgestimmt, dass die Grünen im Bundestag schon Mitnahmeeffekte befürchten: Das Gesetz dürfe nicht zu höheren Unternehmensgewinnen führen. Das Zukunftsfinanzierungsgesetz soll das Kapitalmarktrecht hierzulande modernisieren und Deutschland für Start-ups attraktiver machen. Die Eckpunkte stehen seit Sommer 2022, der Regierungsentwurf sei April. Das Gesetz lag monatelang im Koalitionsstreit auf Eis. Bislang immer noch nicht ins Kabinett geschafft hat es die inzwischen als Generationenkapital titulierte Aktienrente. Den von der Wirtschaft ersehnten Bürokratieabbau hat die Ampel indessen nach der Kabinettklausur erst in Eckpunkten skizziert. Das ist erst die Rohform.

Für den Bundeshaushalt ist ein Deutschland-Pakt von Vorteil. Das Vorhaben kostet nichts und spielt womöglich sogar mehr Steuereinennahmen ein, wenn Unternehmen durch weniger Bürokratie und beschleunigte Verfahren mehr Gewinn machen. Der Deutschland-Pakt lenkt auch vom Streit in der Ampel über die Konsolidierung der Staatsfinanzen ab. Die nötige Verteidigungsfähigkeit in einer multipolaren Weltordnung, die gebremste Globalisierung der deutschen Wirtschaft, um Abhängigkeit zu reduzieren, und eine alternde Gesellschaft führen zu absehbar höheren Kosten beim Bund. Der Bundeshaushalt ist darauf noch nicht eingestellt und hangelt sich 2024 nur so durch – mit einer enorm hohen Nettokreditaufnahme, wenn die Sondervermögen eingerechnet werden. Grüne und SPD lassen keinen Willen erkennen, Abstriche am Sozialstaat zu machen – im Gegenteil, sie wollen ihn weiter ausbauen. Dabei wäre ein Pakt der Ampel für solide Staatsfinanzen dringend angeraten.

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