Im BlickfeldPrivate Debt 2.0

Die Evolution der Kreditfonds

Wie sich Debt Funds entlang und abseits der Private-Equity-Wertschöpfungskette von LBO-Kreditgebern zu Assetmanagern weiterentwickelt haben.

Die Evolution der Kreditfonds

Private Debt 2.0

Die Evolution der Kreditfonds

Von der LBO-Unitranche über Real Estate und Infrastructure Debt, CLO-Investments und NAV Financing bis zum Risikotransfer mit Banken: Wie sich die junge Private-Debt-Branche über die Jahre weiterentwickelt hat

Von Philipp Habdank, Frankfurt

Wie sich eine junge Branche unter hohem Investitionsdruck in volatilen Märkten weiterentwickelt und neue Nischen besetzt hat

Private Debt ist im Schatten von Private Equity groß geworden. Mit institutionellem Geld gespeiste Kreditfonds, die die Fremdfinanzierung für die Firmenübernahmen von Beteiligungsgesellschaften bereitstellen – das ist ein kongeniales Duo. Mit zunehmendem Reifegrad und wachsender Fondsgröße entwickeln sich Debt Funds nun aber weiter – sowohl entlang als auch abseits der Private-Equity-Wertschöpfungskette. Die anfänglich als Mono-Liner aufgestellten Kreditfonds mausern sich zu produktseitig immer breiter aufgestellten Assetmanagern.

„Immer mehr Debt Funds haben inzwischen neben den etablierten Unitranche- auch Senior-Fonds aufgesetzt“, sagt Thomas Weitkamp von der Kanzlei Latham & Watkins. Eine Unitranche ist eine bei Private-Equity-Deals sehr beliebte Finanzierungsstruktur, bei der ein Kreditgeber eine in der Kapitalstruktur vorrangige und eine nachrangige Kredittranche aus einer Hand anbietet. Eine Senior-Finanzierung hingegen besteht aus einem rein vorrangigen und damit sichereren Kredit und wird deshalb traditionell von Banken bereitgestellt. Die unter Debt Funds weit verbreitete Unitranche ermöglicht dem Private-Equity-Investor verglichen mit der Senior-Finanzierung einen höheren Leverage – also einen höheren Verschuldungshebel auf den operativen Gewinn (Ebitda) des finanzierten Unternehmens.

Senior Debt Funds lösen Banken ab

Mit ihren speziellen Senior-Vehikeln wollen die Debt Funds nicht als alleiniger Kreditgeber ausschließlich neue Private-Equity-Übernahmen finanzieren – sogenannte Leveraged Buy-outs (LBO). „Wir sehen zunehmend, dass Senior-Fonds auch gezielt mit zusätzlichen Darlehen in bestehende Bankenfinanzierungen reingehen, bei denen mehr Kapital benötigt wird, das nicht über den reinen Bankenmarkt zur Verfügung gestellt werden kann oder wo eine oder mehrere Banken abgelöst werden sollen“, sagt Weitkamp.

Wir sehen zunehmend, dass Senior-Fonds auch gezielt mit zusätzlichen Darlehen in bestehende Bankenfinanzierungen reingehen.

Thomas Weitkamp, Latham & Watkins

Um einen mittelständischen LBO allein mit Banken zu finanzieren, braucht es so gut wie immer mehrere Institute, die sich die Finanzierung aufteilen – den Banken-Club. Wenn sich eine Bank aus dem Geschäft strategisch zurückzieht, wie zuletzt beispielsweise öffentlich die BayernLB, haben die verbliebenen Parteien großes Interesse daran, diese zu ersetzen.

Bislang kam dafür eigentlich nur eine andere Bank in Frage. Mit ihren Unitranche-Produkten war es Debt Funds nahezu unmöglich, in solche Senior-Strukturen zu investieren, da sie ihren Geldgebern ein deutlich höheres Renditeversprechen abgegeben haben als die Banken. Mit den speziellen Senior-Fonds hingegen können Debt Funds nun Seite an Seite mit Banken investieren, und das pari passu – also im selben Rang in der Kapitalstruktur. Zusätzlich können Debt Funds über ihre Senior-Fonds auch kleinere Transaktionen darstellen.

Debt Funds schauen größentechnisch aber nicht nur nach unten. Sie orientieren sich auch nach oben und hegen starke Ambitionen im Großkundengeschäft – insbesondere in den USA. Mittlerweile stoßen Debt Funds aber auch in Europa vermehrt in ein Geschäft vor, das bislang fast ausschließlich den großen Investmentbanken vorbehalten war. Mit zunehmender Fondsgröße werden Debt Funds auch für die Multi-Milliarden-Deals von Private Equity interessant.

Sakrileg

Um in dieser Liga mitspielen zu können, tun sich die Debt Funds zusammen und sind auch bereit, eines ihrer größten Heiligtümer zu opfern: „Das Halten der Zwei-Drittel-Mehrheit in der Finanzierungsstruktur ist für einige Debt Funds kein K.o.-Kriterium mehr“, sagt Weitkamp. Vor fünf Jahren sei dies noch unvorstellbar gewesen, da die Debt Funds bei den hohen Nettoverschuldungen die Kontrolle unter den Kreditgebern benötigten. Doch vor allem der hohe Investitionsdruck bewege viele Debt Funds dazu, auch das ein oder andere Privileg aufzugeben.

Das Halten der Zwei-Drittel-Mehrheit in der Finanzierungsstruktur ist für einige Debt Funds kein K.o.-Kriterium mehr.

Thomas Weitkamp, Latham & Watkins

Die Flaute an den liquiden Kapitalmärkten hat die Evolution der Debt Funds sicherlich beschleunigt. Als nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Frühjahr 2022, der anschließenden Energiekrise samt der folgenschweren hohen Inflation sowie der im vergangenen Jahr eingeleiteten Zinswende an den Märkten für Anleihen, Hochzinsanleihen und institutionelle Kapitalmarktdarlehen so gut wie gar nichts mehr ging, waren es die neu formierten Debt-Fund-Allianzen, die das großvolumige Private-Equity-Geschäft überhaupt noch am Leben hielten.

Debt Funds können Co-Investments

Das in diesem Geschäft übliche „Underwriting-Syndizierungs-Modell“ funktionierte nicht mehr. Dabei stellen große Investmentbanken für die Übernahmefinanzierung zunächst einen Brückenkredit bereit (Underwriting) und platzieren diesen anschließend am Kapitalmarkt bei institutionellen Investoren aus (Syndizierung). „Bei größeren Finanzierungsrunden war bislang die Anleihe – oder vielmehr die Hochzinsanleihe – der Platzhirsch“, sagt Rainer Adlhart, der bei Latham & Watkins regelmäßig bei Emissionen von High-Yield-Bonds berät. Für die Corporate-Finance-Anwälte stellt sich die Frage, ob künftig eine Debt-Fund-Finanzierung auch neben einer öffentlichen Anleihe stehen kann. „Das wären dann Strukturen, die in Europa neuartig sind“, so Adlhart.

Das wären dann Strukturen, die in Europa neuartig sind.

Rainer Adlhart, Latham & Watkins

Auch bei institutionellen Kapitalmarktdarlehen – dem sogenannten Term Loan B, kurz: TLB – könnten Debt Funds stärker mitspielen. In diese Kapitalmarktdarlehen investieren für gewöhnlich vor allem Collateralized Loan Obligations (CLOs). Das sind Zweckgesellschaften, die eine Vielzahl von Krediten bündeln, diese nach verschiedenen Risikoklassen tranchieren und institutionellen Investoren zugänglich machen. Debt Funds können diese CLOs entweder selbst auflegen und verwalten oder direkt über ihren Kreditfonds in TLBs investieren. Auch hier wären die Private-Debt-Anbieter dann wieder gleichrangig zu anderen Gläubigern.

Die Anwälte von Latham & Watkins beobachten zudem noch einen weiteren Trend, um die Rendite des Debt Funds für seine Geldgeber aufzupolieren: Co-Investments. „Wir haben nun schon ein paar Mal gesehen, dass ein Debt Fund auf operativer Ebene die Fremdfinanzierung für einen LBO bereitstellt und auf Gesellschafterebene an der Seite des Private-Equity-Investors auch ins Eigenkapital investiert“, sagt Weitkamp. Doch nicht bei allen Kapitalstrukturen sei das sinnvoll. In Deutschland beispielsweise seien diese Co-Investments aus rechtlichen Gründen nur ratsam, sofern der Kapitalanteil des Co-Investors 10% nicht übersteige.

In der Evolution von Private Debt bereits weit fortgeschritten ist Axa Investment Managers. 2001 als alternativer Kreditanbieter gestartet, sind die Franzosen heute ein großer Assetmanager, der allein im Bereich alternativer Anlageklassen rund 200 Mrd. Dollar verwaltet. „CLOs gab es schon immer und sie haben ihre Robustheit bereits in der großen Finanzkrise bewiesen“, sagt Deborah Shire. Die stellvertretende Alternative-Assets-Chefin merkt jedoch an, dass durch die Debt Funds nun mehr und mehr institutionelle Investoren CLOs für sich entdecken. Axa selbst sei ein großer Fan von CLOs – mit der richtigen Portfolioauswahl und aktivem Portfoliomanagement.

Attraktive Nischen

Dass sich Debt Funds stärker im CLO-Geschäft engagieren, wundert Shire nicht. Auf einen anderen Trend, dem immer mehr Debt Funds folgen, blickt sie differenzierter: das sogenannte NAV-Lending. NAV steht für Net Asset Value. Bei dieser Finanzierungsform gewährt ein Fremdkapitalgeber einem Private-Equity-Portfoliomanager einen Kredit, der mit dem bestehenden Portfolio des Investors besichert ist. Für den Private-Equity-Investor ist diese Finanzierungsform vor allem dann interessant, wenn sein Fonds bereits nahezu ausinvestiert ist, er aber für ein Portfoliounternehmen nochmal frisches Geld für einen weiteren Zukauf benötigt – oder wenn er Schwierigkeiten hat, überhaupt einen Folgefonds aufzulegen.

„Diese Finanzierungsform kann attraktiv sein, wenn sie Zugang zu einem sehr gut diversifizierten Portfolio von Vermögenswerten mit einem niedrigen Beleihungswert bietet", sagt Shire. Dabei sei es allerdings besonders wichtig, den Wert des Private-Equity-Portfolios zu ermitteln. Die einzige Sicherheit für den Kreditgeber beim NAV-Lending ist schließlich das Portfolio von Unternehmen. Aus diesem Grund ist der Ansatz in der Branche umstritten, da sich im aktuell volatilen Marktumfeld viele Debt-Fund-Manager fragen, was denn ein Private-Equity-Portfolio wirklich wert ist.

Debt Funds nehmen Banken Risiken ab

Spannend findet Shire außerdem eine Nische außerhalb der Private-Equity-Wertschöpfungskette. Sie nennt den Ansatz „Significant Risk Transfer“, bei dem Private-Debt-Anbieter den sonst konkurrierenden Banken die Hand reichen. Es geht darum, Kreditrisiken von der Bankbilanz auf den Fonds zu übertragen. „Dazu bilden Banken ein Portfolio an diversifizierten und gesunden Krediten, die zumeist Investment Grade sind. Der Private-Debt-Anbieter wählt das Portfolio aus und übernimmt davon das First oder Second Loss Piece“, sagt Shire.

Wir haben auf diese Weise bereits mehr als 5 Mrd. Dollar investiert.

Deborah Shire, Axa IM Alts  

Sollte es bei diesen Krediten zu Ausfällen kommen, müsste also der Fonds die Verluste tragen. Der Kredit wird dabei nicht verkauft, sondern bleibt bei der Bank. Diese muss ihre Kreditbücher jedoch mit weniger Eigenkapital unterlegen und ist deshalb bereit, eine für den Debt Fund attraktive Risikoprämie zu bezahlen. „Wir haben auf diese Weise bereits mehr als 5 Mrd. Dollar investiert“, sagt Shire. Als Partner kämen jedoch nur Großbanken mit ausreichend großem Kreditbuch und guter Erfolgsbilanz infrage.

Doch die wohl größte Erfindung der Debt Funds bleibt die Unitranche. Seitdem haben sich Debt Funds zwar schrittweise weiterentwickelt, finanzieren nicht mehr nur Unternehmen, sondern auch Immobilien- und Infrastrukturprojekte. Debt Funds haben frei gewordene Nischen gefunden und besetzt. Doch auf ihren nächsten Unitranche-Moment, den nächsten Big Bang, wartet die Private-Debt-Branche weiter.

Leitartikel: Private Debt im Schatten von Private Equity

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