Die Impulsgeber
Die Konsolidierung auf dem deutschen Mobilfunkmarkt, die vor einiger Zeit von Telefónica Deutschland durch die Übernahme des kleineren Konkurrenten E-Plus angestoßen wurde, galt zugleich als Probetanz auf dem M & A-Parkett, dessen Schrittfolge und Schwung als richtungsweisend für die Branche in Deutschland und Europa angesehen wurde. Den Unternehmen hierzulande wurde Gelegenheit gegeben, zu zeigen, dass eine verringerte Anzahl von Netzbetreibern nicht nur zur Beruhigung an der Preisfront und steigender Ertragskraft, sondern auch zu dem dringend benötigten Investitionsschub in der Infrastruktur führt. Im vierten Jahr nach dem Deal fällt die Bilanz indes ernüchternd aus. Marktanteile der Netzbetreiber sind relativ zementiert, ihre Wertschöpfung im Mobilfunk hat bestenfalls stagniert, so dass naturgemäß von gestiegener Ertrags- und Investitionskraft kaum die Rede sein kann.Die EU-Kommission hat daraus bereits Konsequenzen gezogen. Ähnliche Konsolidierungsschritte, die darauf abzielten, den Infrastrukturwettbewerb auch in anderen Ländern zu verringern, wie etwa in Großbritannien eine Fusion von Hutchison und Telefónica O2 oder eine Konzentration auf zwei Player in Dänemark, wurden untersagt. Aber auch das Urteil der Börse über die hiesige Netzbetreiberfusion fällt ziemlich eindeutig aus. Die Aktie von Telefónica Deutschland ist seit Ankündigung der Übernahme vor knapp vier Jahren kaum von der Stelle gekommen. Fazit: Zusammenschlüsse primär nach Ersparnislogik ohne erkennbare Wachstumsimpulse sind kein Modell für die Zukunft.Die “vierte Kraft” im deutschen Telekommunikationsmarkt, die United Internet in Kombination mit dem kleineren Wettbewerber Drillisch schmieden will, folgt einer etwas anderen Ratio. Zwar spielen auch bei diesem Schulterschluss Skalenvorteile eine Rolle, die durch Bündelung von Vertriebsaktivitäten und Einkaufsmacht entstehen und die zu beachtlichen Synergien führen, jedoch fallen die erhöhten Wachstumschancen ebenso ins Auge. Im Mobilfunk befinden sich die Unternehmen gewissermaßen in einer Win-win-Situation: United Internet gewinnt Zugriff auf das wichtigste Asset der Drillisch AG, die zur Verfügung stehenden Netzkapazitäten von Telefónica Deutschland, und Drillisch selbst kann diese im Verbund mit 1 & 1 schneller und besser ausschöpfen, als es dem kleineren Mobilfunkanbieter aus Maintal je hätte gelingen können. Hinzu kommen allerdings noch Cross-Selling-Potenziale, die sich vor allem aus den anderen Geschäftsfeldern von United Internet, und zwar nicht nur in der Telekommunikation, sondern auch in der Sparte Applications mit ihrer Vielzahl kleiner und mittelständischer Firmenkunden ergeben. Mit 12 Millionen Kunden ist das neu entstehende Unternehmen zwar kein Riese am Markt, kann diesem jedoch durchaus Impulse geben – vor allem in der Verknüpfung von Telekommunikationsdienstleistungen einerseits mit Internetprodukten andererseits. Denn in puncto Verbreiterung und Vertiefung der Wertschöpfungskette hat der rund 60 Mrd. Euro schwere deutsche Telekommunikationsmarkt Nachholbedarf. Allein dass das Umsatzvolumen seit Jahren tendenziell im Rückwärtsgang ist, auch wenn sich die Einbußen im vergangenen Jahr in Grenzen hielten, zeigt, dass es in der gegebenen Struktur an deutlichen Impulsen bisher fehlt.Im klassischen Kerngeschäft herrscht weiterhin Preisdruck – auch bedingt durch regulatorische Eingriffe. Große und kleine Player suchen ihr Heil in der Strategie des sogenannten integrierten Anbieters – vornehmlich in einer Richtung, indem sich die Telekomunternehmen ein TV-Angebot zulegen, das sie entweder selbst aufbauen, wie die Telekom mit ihrer Entertain-Produktreihe, oder teuer kaufen, wie Vodafone mit der Akquisition von Kabel Deutschland. Auch der Hamburger Mobilfunk-Service-Provider Freenet hat zuletzt mit einem Zukauf den Sprung ins TV-Geschäft gewagt. Auch bei dieser Art Arrondierungsstrategie spielen Cross-Selling-Effekte eine Rolle, jedoch sind große Sprünge bei den Unternehmen dabei bisher nicht nachzuweisen.Bei der Suche nach innovativen Geschäftsmodellen für die Zukunft muss es für die Branche auch darum gehen, ihren Anteil an der Wertschöpfung im Internet zu erhöhen, wo die Ungleichgewichte seit Jahren beklagt werden. Die Kombination eines Telekommunikations- und Internetunternehmens in neuer Größenordnung könnte hier immerhin interessantes Anschauungsmaterial liefern. ——–Von Heidi RohdeM & A in der deutschen Telekombranche braucht Wachstumsideen dringender als bloße Synergien und Skaleneffekte.——-