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Die Kinoreihen lichten sich

Das erste Halbjahr war für Kinobetreiber ein Desaster. Viele vermeintliche Hits entpuppten sich als Flops. Damit setzt sich der Negativtrend fort. Die Gründe sind vielfältig. Filmstudios können dank Streaming jedoch gelassen bleiben.

Die Kinoreihen lichten sich

Die Kinoreihen lichten sich

Das erste Halbjahr war für Kinobetreiber ein Desaster. Viele vermeintliche Hits entpuppten sich als Flops. Damit setzt sich der Negativtrend fort. Die Gründe sind vielfältig. Filmstudios können dank Streaming jedoch gelassen bleiben.

Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt

2024 wird ein schwaches Kinojahr. Das steht bereits nach den ersten sechs Monaten fest. Dabei war schon der vergangene Turnus im Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr 2019 durchwachsen. Nach Angaben der Filmförderungsanstalt (FFA) lag die Zahl der verkauften Eintrittskarten 2023 bei 95,7 Millionen; das ist ein Rückgang um knapp 20% im Vergleich zu 2019. Dagegen sank der Umsatz nur um 9,3% auf 929 Mill. Euro, weil der durchschnittliche Ticketpreis von 8,63 Euro (2019) auf 9,71 Euro (2023) kletterte.

Und 2024? Das erste Halbjahr war von Flops gekennzeichnet. Eine der größten Enttäuschungen war der Endzeit-Actionfilm „Furiosa: A Mad Max Saga“. Trotz guter Kritiken spielte der Streifen am Startwochenende in den USA nur 31 Mill. Dollar ein. Damit landete der Film zwar auf Platz 1 der dortigen Kinocharts, doch es war aus Sicht der Kinobetreiber das finanziell schwächste Memorial-Day-Wochenende seit nahezu drei Dekaden (die Pandemiejahre 2020 bis 2022 ausgenommen). Das Wochenende vor dem amerikanischen Feiertag (am letzten Montag im Mai) ist für die US-Kinos traditionell eines der stärksten im ganzen Jahr. 2023 lagen die Einnahmen an den US-Kinokassen um 40% unter dem Wert von 2019.

„Furiosa“ wird zum Fiasko

Einem kolportierten Produktionsbudget des Mad-Max-Spin-offs von knapp 170 Mill. Dollar stehen weltweite Einnahmen aus Kinovorführungen in gleicher Höhe gegenüber, wobei die Ausgaben für Promotion noch nicht berücksichtigt sind. Eine Faustregel besagt, dass das 1- bis 1,5-Fache der Produktionskosten für Marketing anfällt. So dürfte „Furiosa“ in der Kinovermarktung etwa 200 Mill. Dollar Verlust eingefahren haben.

Als klar war, dass „Furiosa“ weit hinter den Erwartungen zurückbleiben würde, fanden sich schnell Gründe, warum es so kommen musste. Es wurden nicht nur die üblichen Prequel-Probleme einer neuen Besetzung (ohne den titelgebenden Antihelden der Reihe) ausgemacht, sondern es wurde auch festgehalten, dass die Mad-Max-Filmreihe trotz ihres Kultstatus noch nie ein Publikumsmagnet gewesen sei und „Furiosa“ nur wenige neue Zuschauer außerhalb der vorwiegend älteren und männlichen Zielgruppe anspreche. Erkenntnisse, auf die man bei der Produktionsfirma Warner Bros. auch schon vor dem Projektstart hätte kommen können.

Verrisse für „Madame Web“

Einen Verlust brachte auch der Superheldenfilm „Madame Web“ von Sony (Columbia Pictures), der zudem von Kritikern und Publikum verrissen wurde. Die Produktionskosten lagen zwischen 80 Mill. und 100 Mill. Dollar, die weltweiten Box-Office-Einnahmen betrugen etwa 100 Mill. Dollar. Die Marketingausgaben waren mit 60 Mill. Dollar relativ gering; davon sollen 75% für Werbung auf sozialen Medien ausgegeben worden sein. Dass ein Film im Vergleich zu seinen Produktionskosten so wenig promotet wird, kommt zum Beispiel dann vor, wenn schon in der Produktionsphase Probleme offensichtlich werden – etwa mit der Inszenierung, dem Drehbuch oder den Schauspielern – oder Testvorführungen schlechte Ergebnisse bringen.

Riesiger Verlust für Apple

Ein Film, der kaum wahrgenommen wurde, ist die Agentenkomödie „Argylle“, die von Apple produziert wurde. Ursprünglich als Auftakt zu einem neuen Franchise gedacht, wurde der Film aufgrund seines katastrophalen Abschneidens an den Kinokassen – in Medienberichten ist von knapp 100 Mill. Dollar an weltweiten Einnahmen bei Produktionskosten zwischen 200 Mill. und 250 Mill. Dollar die Rede – zum bisher größten finanziellen Misserfolg von Apple.

Berücksichtigt man die Marketingkosten, hat „Argylle“ Apple insgesamt ungefähr 500 Mill. Euro gekostet und nur ein Fünftel an den Kinokassen wieder eingespielt. Die Planungen für ein Franchise mit Sequels, Serien, Spin-offs etc. sind – wenig überraschend – auf Eis gelegt worden.

Auch andere Filme, denen Blockbuster-Potenzial zugeschrieben worden war, enttäuschten, etwa „Ghostbusters: Frozen Empire“ (Einspielergebnis gut 200 Mill. Dollar) und „The Fall Guy“ (knapp 150 Mill. Dollar) – eine lose Filmadaption der Fernsehserie „Ein Colt für alle Fälle“ aus den 1980er Jahren. Warum die Actionkomödie in Deutschland nicht den hier bekannten Seriennamen bekam, der zumindest bei den Mid- und Best-Agern für Aufmerksamkeit gesorgt hätte, wissen allein die verantwortlichen PR-Profis.

„Dune: Part Two“ führt Hitlisten an

Besser als erwartet schnitt im ersten Halbjahr „Dune: Part Two“ von Warner Bros. ab, der auf ein Einspielergebnis von weltweit 725 Mill. Euro kam und damit die Liste der größten Kassenerfolge des Jahres anführt. Jeweils rund 550 Mill. Dollar fuhren „Godzilla × Kong: The New Empire“ (Produktion: Legendary Pictures; Vertrieb: Warner Bros.) und „Kung Fu Panda 4“ (Dreamworks/Universal) auf den Plätzen 2 und 3 ein. Doch schon der Viertplatzierte, „Planet der Affen: New Kingdom“ von Disney, schaffte es nicht mehr über die 400-Mill.-Dollar-Marke und lag damit trotz höherer Kosten weit unter dem Einspielergebnis des Vorgängers „Planet der Affen: Survival“, der auf rund 500 Mill. Dollar kam.

Nicht verschwiegen werden soll, dass es einige Filme mit kleinem Budget gab, die sehr respektable Ergebnisse an den Kinokassen erzielten, etwa das Biopic „Bob Marley: One Love“ (weltweite Einnahmen knapp 180 Mill. Dollar), der Science-Fiction-Actionfilm „Civil War“ (110 Mill. Dollar) und das Drama „Challengers – Rivalen“ (70 Mill. Dollar). Im Gegensatz zu früheren Jahren schaffte es aber keiner dieser Filme, zu einem riesigen Überraschungserfolg zu werden.

Der erfolgreichste deutsche Film im ersten Halbjahr war „Chantal im Märchenland“, ein Spin-off der Fack-ju-Göhte-Filmreihe. Insgesamt erreichte er fast 2,6 Millionen Zuschauer und liegt in Deutschland unter den Top 3 der erfolgreichsten Kinofilme. Auf den ersten Blick also ein Hit. Doch an die Besucherzahlen der drei Originalfilme reicht er bei weitem nicht heran: Fack ju Göhte (2013) lockte 7,4 Millionen Zuschauer in die Kinos, Fack ju Göhte 2 (2015) 7,7 Millionen und Fack ju Göhte 3 (2017) immerhin noch 6,1 Millionen. Auch hier liegt die Messlatte für einen Erfolg inzwischen deutlich niedriger.

Vermeintliche Blockbuster im zweiten Halbjahr

Zwar starten in Kürze bzw. im zweiten Semester potenzielle Blockbuster – also Filme mit sehr hohen Einspielergebnissen – wie „A Quiet Place: Tag Eins“ (27. Juni), „Deadpool & Wolverine“ (Juli) „Alien: Romulus“ (August), „Joker: Folie à Deux“ (Oktober) und „Gladiator II“ (November), doch nach den Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre sind die Kinogänger der Sequels, Prequels und Spin-offs, der Remakes und Reboots sowie der Superhelden- und Bombast-Actionfilme überdrüssig. Daher sind auch gute Box-Office-Zahlen der Vorgängerfilme alles andere als eine Gewähr dafür, dass die jetzt ins Kino kommenden Nachfolger ähnlich erfolgreich sein werden. Die Überraschungshits von 2023 – „Barbie“ und „Oppenheimer“ – zeigen dagegen, wonach sich die Leute sehnen: neue Geschichten, die ohne überbordende CGI-Effekte (Computer Generated Imagery) auskommen und spannend erzählt werden.

Kleinere Auswertungsfenster

Die größte Belastung für das Kino ist das Streaming, also die kontinuierliche Übertragung u.a. von Filmen und Serien über das Internet. Zu den größten Anbietern gehören Netflix, Disney+, Amazon Prime Video, Paramount+ und Apple TV+. Da mittlerweile alle Konzerne mit großen Filmproduktionsgesellschaften ihre eigenen Streamer haben, könnte sich ein Interessenkonflikt ergeben. Einerseits soll ein neuer Film möglichst schnell per Stream zu sehen sein, andererseits gilt: Je länger ein Film im Kino läuft, desto höher werden die an der Kinokasse erzielten Einnahmen – wenn auch mit der Zeit stark abnehmend. Noch vor zehn Jahren liefen erfolgreiche Filme über viele Wochen; frühestens nach sechs Monaten erschien der Streifen auf DVD und circa zwei Jahre nach der Kinopremiere im Free-TV. Doch diese Auswertungsfenster sind viel kleiner geworden. Nicht zuletzt, weil die Streamer Content (audiovisuelle Inhalte) brauchen. Heutzutage liegt der durchschnittliche zeitliche Abstand zwischen Kinopremiere und dem Erscheinen auf einer Streaming-Plattform bei 30 Tagen; bereits vorher ist der Film als Kauf- oder Leihvideo zu haben.

Der Durchschnittswert von 30 Tagen gibt allerdings ein leicht verzerrtes Bild wieder. Manche billig produzierten Filme werden nur für sehr kurze Zeit und manchmal nur in wenigen Kinos gezeigt, obwohl keine Aussicht auf nennenswerte Einnahmen besteht, weil sie danach als „Kinofilme“ besser vermarktet werden können oder weil den Schauspielern in ihren Verträgen die Mitwirkung in einem „Kinofilm“ zugesichert wurde. Solche Filme wandern dann in Rekordzeit auf den Heimkinomarkt und auf die Streaming-Plattformen und drücken die durchschnittlichen Zeitabstände.

Ein Beispiel für den zeitlichen Ablauf bei einem A-Film: Die oben erwähnte, von Apple produzierte Agentenkomödie „Argylle“ kam am 1. Februar über die Vertriebsgesellschaft von Universal in die deutschen und am darauffolgenden Tag in die US-Kinos. Der digitale Heimkinostart erfolgte am 5. März, also 34 Tage nach der Kinopremiere, und bereits am 12. April – nach insgesamt 41 Tagen – kam der Film ins Streaming-Programm von Apple TV+.

Hohe Preise

Wer über die Gründe für die zurückgehenden Besucherzahlen in den Kinos diskutiert, kommt an den Ticketpreisen nicht vorbei. Im Durchschnitt kostete in Deutschland eine Eintrittskarte 2023 nach Angaben der FFA 9,71 Euro. Dass viele Kinogänger einen deutlich höheren Preis zahlen müssen, liegt an der Preisdifferenzierung je nach Region, Tag, Uhrzeit und Kinodichte sowie am Film selbst (3D, Blockbuster etc.). Eine Familie (zwei Erwachsene, zwei Kinder) zahlt auf Durchschnittsbasis also fast 40 Euro Eintritt. Schon das ist nicht wenig; kommen noch Getränke, Snacks oder Eis dazu, ist man schnell bei 60 Euro und mehr.

Für viele Familien stellt sich da die Frage, ob es nicht sinnvoller ist, nach der Kinopremiere vier bis sechs Wochen zu warten, um sich dann den Film bequem zu Hause als Kauf- oder Leihvideo für den Preis von weniger als zwei Tickets oder per Stream anzugucken. In einem bereits vorhandenen Streaming-Abo ist der Film vielleicht enthalten – dann muss überhaupt nichts zugezahlt werden. Und selbst wenn nicht: Der Abo-Preis für einen Monat liegt bei den meisten Streaming-Anbietern unter dem Wert von zwei Kinokarten.

Kosten werden weitergegeben

Die in den vergangenen Jahren deutlich gestiegenen Preise fürs Kino beruhen nicht auf Profitgier. Vielmehr geben die Betreiber gestiegene Kosten weiter, wobei Energie und Lebensmittel den geringeren Teil ausmachen. Das Hauptproblem der Branche sind die horrend gestiegenen Kosten in der Produktion. Dass sich Stars wie Tom Cruise, Johnny Depp (vor dem Prozess gegen Ex-Ehefrau Amber Heard), Vin Diesel und alte Haudegen wie Harrison Ford aka Han Solo aka Indiana Jones den Auftritt in ihren Paraderollen fürstlich bezahlen lassen, ist nicht neu.

Kostspielige Spezialeffekte

Doch in den vergangenen beiden Dekaden sind die Anforderungen an die Spezialeffekte so hoch und damit auch teuer geworden, dass sie einen wesentlichen Anteil an den Kostensteigerungen haben. Unter den 15 teuersten Filmen der Geschichte sind nur zwei älter als neun Jahre. Dafür finden sich in der Liste allein fünf Star-Wars-Filme und vier aus dem Marvel-Universum, die ohne Spezialeffekte undenkbar wären. Alle 15 Filme haben gemein, dass sie von Actionszenen und Ausstattung leben. Daneben sind die Produktionsgesellschaften von den Kostensteigerungen für Energie und Logistik genauso betroffen wie andere Wirtschaftssubjekte. Diese Kostenexplosion zu Beginn der Kinofilm-Wertschöpfungskette wird in Form von Preiserhöhungen immer weitergereicht, bis sie sich schließlich im Preis einer Kinokarte niederschlägt.

Die teuersten Filme weltweit nach Produktionskosten
TitelKosten in Mill. DollarErscheinungsjahr
Star Wars: Das Erwachen der Macht5332015
Avatar: The Way of Water4602022
Indiana Jones und das Rad des Schicksals4022023
Avenger: Endgame4002019
Pirates of the Caribbean: Fremde Gezeiten3792011
Avengers: Age of Ultron3652015
Fast & Furious 103402023
Solo: A Star Wars Story3302018
Avengers: Infinity War3002018
Fluch der Karibik: Am Ende der Welt3002007
Justice League3002017
Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil 12902023
Rogue One: A Star Wars Story2802018
Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers2752019
The Marvels2752023
Quelle: Destatis

Kostensteigernd wirken zudem neue Techniken. Als gegen Ende der 00er Jahre die 3D-Technik wiederentdeckt wurde und zahlreiche Blockbuster – allen voran James Camerons „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ (2009) – diese nutzten, wurde ein Riesentamtam um die räumliche Darstellung ausgelöst. Kein Kino durfte mehr ohne 3D-Projektoren bleiben. Dieser Hype hat sich längst als Modeerscheinung herausgestellt, doch die einst sündhaft teuren Maschinen stehen nun weitgehend ungenutzt herum.

Der 3D-Flop sollte Kinobetreibern eine Lehre sein, nicht vorschnell auf kostspielige Trends zu setzen. Ähnliches gilt aber auch für die Filmfans. Gegenwärtig wird der Markt mit Virtual-Reality(VR)-Brillen bzw. -Headsets überschwemmt. Natürlich gibt es den Reiz des Ungewohnten, auch die Immersion in eine künstliche (Film-)Welt lockt. Doch dem steht u.a. ein praktisches Hindernis entgegen: Ein Headset ist eine physische Belastung. Fortschritte, was Gewicht und Tragebequemlichkeit angeht, haben das Problem gelindert, aber nicht beseitigt. Die Techniken für 3D-Filme und VR-Darstellungen gibt es seit einer Ewigkeit. Es hat seinen Grund, dass sich diese nie dauerhaft durchgesetzt haben.

Dissoziales Verhalten nimmt zu

Neben den Eintrittspreisen verleidet noch ein anderer Aspekt den Gang ins Kino: das zunehmend dissoziale Verhalten einiger Besucher. Immer öfter trifft man im Kinosaal auf Personen, die keine Rücksicht auf andere nehmen. Da wird während des Films laut geredet, es werden geräuschvoll Popcorn oder Nachos verzehrt und das Handy ist im Dauerbetrieb, weil alle zwei Minuten der Instagram-Account gecheckt oder sogar telefoniert werden muss. So etwas vermiest selbst dem größten Kinofan den ganzen Film.

Natürlich gibt es noch Kinos, in denen solches Verhalten geahndet wird. Bei der ersten Störung erfolgt eine Ermahnung, beim zweiten Verstoß die Aufforderung, das Kino zu verlassen. Doch in vielen Lichtspielhäusern traut man sich nicht mehr, solche Sanktionen durchzusetzen. Liegt das an der Vermutung, dass, wer schamlos gegen einfachste Anstandsregeln verstößt, bei einem Verweis aus dem Kino auch vor minutenlangen lautstarken Auseinandersetzungen, die andere Gäste verstören würden, nicht zurückschreckt und womöglich sogar bei Handgreiflichkeiten eine niedrige Hemmschwelle hat?

Hochriskante Wetten

Nach Angaben von Destatis ist „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ (2015) der teuerste Film aller Zeiten; allein seine Produktionskosten (also ohne die mindestens genauso hohen Marketingkosten) belaufen sich demnach auf rund 533 Mill. Dollar. Folglich hätte der Film (Produktion: Lucasfilm; Vertrieb: Disney) an den Kinokassen mindestens 1,1 Mrd. bis 1,4 Mrd. Dollar einspielen müssen, um seine Kosten zu decken. Das kann gutgehen – wie im Fall der Episode 7 der Star-Wars-Saga –, ist aber eine hochriskante Wette.

Die erfolgreichsten Filme weltweit nach Einspielergebnis
(in Mrd. Dollar; nominal)
TitelEinspielergebnisJahr
Avatar – Aufbruch nach Pandora2,922009
Avengers: Endgame2,82019
Avatar: The Way of Water2,322022
Titanic2,261997
Star Wars: Das Erwachen der Macht2,072015
Avengers: Infinity War2,052018
Spider-Man: No Way Home1,922021
Quelle: Box Office Mojo

Indiana Jones 5 steht für vieles, was in Hollywood falsch läuft

An dritter Stelle der teuersten Filmproduktionen liegt „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ aus dem vorigen Jahr mit gut 400 Mill. Euro. Gerade dieser Film steht für vieles, was in Hollywood gerade schiefläuft. Ein vollkommen überflüssiges Sequel, das keiner brauchte (ebenso wie die Star-Wars-Sequel-Trilogie); eine Story, die einfach nur hanebüchen ist; Kosten, die völlig aus dem Ruder gelaufen sein müssen, denn trotz unbestritten großen Aufwandes sieht man dem Film sein spektakulär hohes Produktionsbudget nicht wirklich an; last but not least die respektlose Behandlung einer Figur, die für viele der heute über 50-Jährigen ein Kindheitsheld war. Solch eine Demontage altbekannter Kinohelden – mit entsprechendem Feedback der Fanbase – kannte man bereits aus Episode 8 der Star-Wars-Prequels („Die letzten Jedi“ bzw. Luke Skywalker).

Das i-Tüpfelchen ist die zwar gut gemeinte, aber wieder einmal schlecht umgesetzte Beachtung von Diversität bzw. der Gleichrangigkeit männlicher und weiblicher Darsteller. Im „Rad des Schicksals“ gibt es eine weibliche Hauptfigur, die wohl als Wachablösung für Indiana Jones gedacht war, aber beim Publikum so unsympathisch ankam, dass es mit Sicherheit kein Sequel oder Spin-off mit ihr geben wird.

Eine solch unverständlich negative Charakterzeichnung war bereits eine der Ursachen für den Megaflop „The Marvels“ (2023), in dem die Hauptrollen allesamt von Frauen besetzt sind. Mit weltweiten Einnahmen von knapp 210 Mill. Dollar (bei geschätzten Produktionskosten von 270 Mill. Dollar) ist „The Marvels“ der ertragsmäßig bisher schwächste Marvel-Film überhaupt und für das Studio ein finanzielles Fiasko.

Was ist dran an „Go woke, go broke“?

Gerade Disney wird der Vorwurf gemacht, übertrieben auf Diversität zu achten, auch wenn dies zu Lasten der Geschichte bzw. des Films geht. Tatsächlich fällt auf, dass in Projekten von Studios der Disney-Gruppe – u.a. Marvel, Lucasfilm, Pixar und die 2019 übernommene 21st Century Fox – seit etwa drei, vier Jahren besonders stark auf die Gleichstellung von Mann und Frau sowie die Inklusion von Minderheiten geachtet wird. Teilen des Kinopublikums geht das zu weit. Mehrere Filme, u.a. der Science-Fiction-Actionfilm „Eternals“ (Marvel; 2021) und der Animationsfilm „Strange World“ (Walt Disney Animation; 2022), brachten möglicherweise auch deshalb an den Kinokassen nicht den gewünschten Erfolg. Ob das Schlagwort „Go woke, go broke“ aber tatsächlich zutrifft oder sich als Mythos herausstellt, muss sich erst noch zeigen.

Wegen seiner vielen Schwächen war der fünfte Teil der Indiana-Jones-Reihe bei der Antipreisverleihung der „Goldenen Himbeere“ in zwei Kategorien nominiert: schlechteste Neuverfilmung/schlechtester Abklatsch und schlechtestes Drehbuch. Von den Filmkritikern wird „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ als schwächster Teil der Reihe angesehen; damit erscheint der Vorgänger – „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ (2008) –, der sich bei Erscheinen viele negative Kritiken einhandelte, nunmehr in neuem, etwas hellerem Licht. Das ist aber kein gutes Zeichen für den aktuellen Film. Ähnliches gilt für die zunächst stark kritisierten Episoden 1 und 2 der Prequel-Trilogie von Star Wars; sie wurden dadurch aufgewertet, dass die Sequel-Trilogie von Kritik und Publikum noch viel ungnädiger aufgenommen wurde.

Nach den jüngsten Erfahrungen mit altgedienten Franchises – Star Wars, Indiana Jones oder dem Marvel Cinematic Universe (MCU) – ist es schwer vorstellbar, dass das vielfach enttäuschte Publikum in absehbarer Zeit wieder so ins Kino strömen wird wie in den ersten zwei Dekaden des Jahrhunderts.

Wann ist ein Flop ein Flop?

Die Frage, ob und wann ein Film gefloppt ist, lässt sich auch Sicht der Kinobetreiber leicht beantworten – spätestens, wenn er aus dem Programm genommen und die Kosten-Nutzen-Rechnung erstellt wird. Aus Sicht eines Konzerns, der über eine Tochter den Film produziert hat und über eine Streaming-Plattform die Möglichkeit zur Zweitverwertung hat – von Kauf- und Leihvideos ganz zu schweigen –, ist das inzwischen anders. Hier muss man sich vom gewohnten Narrativ des Flops verabschieden. Filme, die im Kino untergegangen sind, können auf einer Streaming-Plattform zum Hit werden, etwa der Animationsfilm „Wish“ (2023) auf Disney+ oder „Madame Web“ von Sony/Marvel auf Netflix. Nur erfährt das die Öffentlichkeit in der Regel nicht, weil die Streaming-Anbieter ihre Verkaufs-, Verleih- und Abrufzahlen für einzelne Filme so gut wie nie veröffentlichen.

Die Kinoeinspielergebnisse werden für die Konzerne und ihre Studios durch die Auswertungen auf Streaming-Plattformen und sonstige digitale Verkäufe also mehr und mehr zweitrangig. Das hat gravierende Folgen: Von den Kinoeinnahmen müssen die Kinobetreiber rund die Hälfte an die Studios/Verleiher abgeben. Bei einem digitalen Verkauf landen dagegen mehr als 70% der Einnahmen bei der Filmproduktionsgesellschaft. Es ist also wirtschaftlich nicht unbedingt sinnvoll, einen Film so lange im Kino laufen zu lassen, bis auch der letzte Interessierte den Streifen gesehen hat.

Die Streaming-Anbieter haben sich in der Unterhaltungsindustrie ihren festen Platz neben den Kinos und dem linearen Fernsehen erkämpft. Wie viel Potenzial sie in der Neukundengewinnung noch haben, steht freilich auf einem anderen Blatt. Spätestens nächstes Jahr werden Netflix & Co. wohl merken, dass endloses Wachstum nicht möglich ist; dann begänne das Klagen auf hohem Niveau.

Die Probleme der Kinobetreiber werden sich jedoch verschärfen. Anders als in früheren Flauten dürften einige der Ursachen, die derzeit zu halbleeren Kinosälen führen, dauerhaft sein. Es ist jedenfalls kein gutes Zeichen, wenn sich Sony dazu entschlossen hat, nach und nach aus dem Geschäft mit Kinoprojektoren auszusteigen. Zwar bieten die Japaner noch welche an, entwickeln aber keine neuen Produkte mehr. Dadurch wird die Zahl großer Hersteller von professionellen digitalen Kinoprojektoren auf drei schrumpfen: Barco, NEC und Christie.

Einige Lichtspielhäuser versuchen, mit mehr Service und Bequemlichkeit die Besucher bei der Stange zu halten. Insbesondere Multiplexkinos haben heute Lehnsessel, verstellbare Fußstützen oder kleine Hocker. Es gibt Speisekarten für Snacks und Getränke, die Bestellung wird an den Platz gebracht. Diese Extradienste lässt sich der Kinobetreiber natürlich bezahlen. Ob das aber die Rettung vor dem Aus bringt, ist fraglich.

Zu vermuten ist, dass die Zahl der Kinobetreiber in Deutschland, die über die vergangenen Jahre ziemlich stabil bei etwas über 1.200 lag, sich durch Übernahmen und Geschäftsaufgaben wohl verringern wird. Ebenso wird die Zahl der Standorte, zuletzt knapp 950, etwas zurückgehen. Gleiches gilt für die Zahl der Kinos (knapp 1.750) und die Zahl der Kinosäle (4.900).