LeitartikelInstitutionelle Krypto-Positionen

Die Mär von der fortschreitenden Bitcoin-Adoption

Dass US-Banken wie Goldman Sachs neue Krypto-Bestände ausweisen, deutet noch lange nicht auf ein höheres institutionelles Interesse hin. Denn sie handeln größtenteils im Auftrag vermögender Privatanleger – die einen ähnlich kurzfristigen Anlagehorizont besitzen wie bei anderen Alternatives-Anlagen auch.

Die Mär von der fortschreitenden Bitcoin-Adoption

Kryptomarkt

Trugschluss um Bitcoin-Adoption

Dass US-Banken neue Krypto-Bestände ausweisen, deutet noch lange nicht auf ein höheres institutionelles Interesse hin.

Von Alex Wehnert

Der jüngste Jubel um die institutionelle Adoption von Kryptowährungen wie Bitcoin kommt verfrüht. Nachdem US-Investmentmanager mit verwalteten Mitteln von über 100 Mill. Dollar in ihren vierteljährlichen 13-F-Positionsberichten an die Wertpapieraufsicht SEC zuletzt mitunter deutlich gewachsene Bestände in Spot-ETFs auf die führende Cyberdevise ausgewiesen haben, ist im Segment von einem „wachsenden Appetit der Wall Street“ auf digitale Anlagen die Rede. Doch dass Goldman Sachs als neuer Akteur im Markt Holdings von 419 Mill. Dollar in börsengehandelten Bitcoin-Fonds offenlegt, lässt noch lange nicht auf ein anhaltend höheres Interesse institutioneller Investoren schließen.

Goldman baut eigene Alternatives-Bestände ab

Denn die Investmentbank ist stark davon abgekommen, Mittel aus der eigenen Bilanz in Alternatives zu stecken. Allein im abgelaufenen Jahresviertel reduzierte Goldman das Volumen solcher Anlagen um 3,3 Mrd. Dollar. Stattdessen ist das Geldhaus darauf fokussiert, höhere Volumina über Drittparteien einzusammeln. Somit liegt die Vermutung extrem nahe, dass Goldman auch den Großteil der neu ausgewiesenen Krypto-Bestände im Namen ihrer gut betuchten Individualkunden als Anlageberater hält. Zu diesem Schluss kommen auch die Analysten des Vermögensverwalters Coinshares, die den jüngsten Wust an 13F-Positionsberichten durchwühlt haben. Bei ihrer Analyse zeigt sich, dass der Großteil der in Bitcoin gehaltenen institutionellen Assets von Anlageberatern und Brokern stammt, gefolgt von Hedgefonds.

Wer nun einwendet, dass es egal ist, woher der Kapitalzustrom in Krypto kommt, solange die Liquidität und Markttiefe zunimmt, der sollte sich vor Augen führen, warum Bitcoin-Jünger die institutionelle Adoption eigentlich so herbeisehnen: Ihre Hoffnungen ruhen darauf, dass das Segment durch stabile Mittelflüsse nach Jahren der extremen Volatilität endlich erwachsen wird. Die Aussichten darauf verbessern sich allerdings nur geringfügig, wenn die im Markt vertretenen Institutionen letztlich doch nur im Namen von Privatanlegern handeln. Denn diese besitzen bei weitem nicht den langfristigen Anlagehorizont, den sich große US-Banken und -Versicherer mit Blick auf ihre Eigenmittelinvestitionen leisten können.

Parallelen zum Reit-Markt

Das zeigt sich auch in anderen Alternatives-Segmenten eindrucksvoll. So haben Private-Equity-Gesellschaften wie Blackstone in den vergangenen Jahren mit nicht gelisteten Real Estate Investment Trusts (Reits) um die Mittel vermögender Einzelinvestoren gebuhlt. Doch Individualanleger zogen im Verlauf der US-Gewerbeimmobilienkrise deutlich schneller Mittel aus Reits ab als langjährige institutionelle Kunden. Die Anbieter sahen sich mitunter gezwungen, harte Auszahlungslimits für ihre Vehikel zu verhängen, was die Investorenpanik noch verschärfte und das Fundraising erschwerte. Dass es zwischen den Privatteilnehmern im Reit- und jenen im Krypto-Markt große Schnittmengen gibt, sollte kaum überraschen.

Dass mit Morgan Stanley der zweitgrößte US-Akteur auf Bankenseite seine Bitcoin-Bestände im vergangenen Quartal um 87 Mill. Dollar kürzte, fällt in der Betrachtung der Krypto-Enthusiasten indes gerne unter den Tisch. Dabei zeigt sich einmal mehr die selektive Wahrnehmung, die im Digital-Assets-Segment so verbreitet ist wie in wohl keiner anderen Ecke des Kapitalmarkts. Dabei werden auch Betrugsskandale um Kryptobörsen wie FTX und eine Insolvenzwelle unter Digital-Assets-Dienstleistern gerne zu marktbereinigenden Ereignissen verklärt.

Anhaltende Volatilität voraus

Offensiv vertretene Prognosen, gemäß denen Bitcoin nach dem Start der für institutionelle Investoren leichter zugänglichen Spot-ETFs im Januar schnell Kurs auf 100.000 Dollar nehmen könnte, haben sich bisher indes nicht bewahrheitet. Nachdem die Cyberdevise im März ein Rekordhoch von über 73.000 Dollar erreichte, hängt sie nun im Bereich um 60.000 Dollar fest – dies aber unter teils starken Schwankungen. Die stärkere Präsenz von Hedgefonds mit Hochfrequenz-Strategien ist ebenfalls nicht dazu angetan, die Volatilität im Segment zu senken. Der Trugschluss um die institutionelle Bitcoin-Adoption dürfte damit für viele Anleger noch teuer werden.

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