LEITARTIKEL

Die Party ist vorbei

Die Corona-Pandemie stürzt die Wirtschaft in die Krise. Infolge des Lockdown brechen die Einnahmen weg, die Liquidität schwindet. Das strahlt auf die Immobilienmärkte aus. Mehr und mehr Betriebe fordern Mietstundungen und -nachlässe. Bereits Anfang...

Die Party ist vorbei

Die Corona-Pandemie stürzt die Wirtschaft in die Krise. Infolge des Lockdown brechen die Einnahmen weg, die Liquidität schwindet. Das strahlt auf die Immobilienmärkte aus. Mehr und mehr Betriebe fordern Mietstundungen und -nachlässe. Bereits Anfang April berichtete der Shoppingcenter-Investor Deutsche Euroshop von ersten Mieterpleiten. Laut einer Befragung des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen sind bereits 19 % der Vermieter von Ausfällen im Gewerbebereich betroffen. Neben dem Non-Food-Einzelhandel stecken vor allem Hotels und Gaststätten in Schwierigkeiten. Seit Montag dürfen kleine Geschäfte, Buchhandlungen und Autohäuser zwar wieder öffnen, viele größere Läden bleiben aber ebenso geschlossen wie Gaststätten und Restaurants. Auch die meisten Hotels sind seit Wochen dicht, weil Reisen unterbleiben und Messen und Kongresse abgesagt wurden.Der klassische Einzelhandel mit Bekleidung, Schuhen, Elektronik oder Haushaltswaren leidet schon seit Jahren unter dem Vordringen der Online-Konkurrenz. Solche Immobilien haben Investoren bereits vor der Coronakrise gemieden. Nun dürften sich Strukturwandel und Mietenrückgang beschleunigen. Hotels hingegen waren bisher gesuchte Anlageobjekte, da sie vom lange boomenden Tourismus profitierten und überdurchschnittliche Renditen boten. Das Transaktionsgeschäft brummte bis weit ins erste Quartal. Jetzt drohen scharfe Einbußen bei Preisen und Pachten. Denn Veranstaltungen und Tourismus werden das alte Niveau wohl erst wieder erreichen, wenn die Pandemie überwunden ist.Auch der wichtige Büromarkt, auf den in Deutschland mehr als die Hälfte der Investitionen in Gewerbeimmobilien entfällt, dürfte in den Sog der Coronakrise geraten. Denn Konjunkturforscher befürchten eine Rezession, die – je nach Dauer und Umfang des Lockdown hierzulande und in anderen großen Industrie- und Schwellenländern – epochale Ausmaße annehmen könnte. Die Folge: Zunächst unterbleiben Neueinstellungen, und die Kurzarbeiterzahl schießt in die Höhe. Später schrumpft die Zahl der Beschäftigten und damit die benötigte Bürofläche. Es drohen Ausfälle durch Unternehmensinsolvenzen und Schieflagen von Coworking-Anbietern, denen wegbrechende Einnahmen bei langfristigen Mietbindungen zum Verhängnis werden. Hinzu kommt, dass viele Firmen gerade gute Erfahrungen mit der Auslagerung von Mitarbeitern ins Homeoffice machen. Das könnte zu einem strukturell geringeren Bedarf an Büroraum führen.Vor diesem Hintergrund halten Analysten zweistellige Preisrückgänge bei Bürogebäuden für möglich. Damit kann als sicher gelten, dass die Coronakrise den Schlusspunkt unter den rund zehn Jahre währenden Immobilienaufschwung in Deutschland setzt. Die Pandemie trifft den Markt in der Spätphase des durch eine florierende Wirtschaft, geringe Neubautätigkeit und immer weiter sinkende Zinsen angetriebenen Booms. Derzeit wirken weite Teile des Marktes wie erstarrt. Schnelle Verkäufe sind schwer möglich, weil Käufersuche, Vertragsgespräche und Beurkundung Zeit brauchen. Die Kontaktbeschränkungen erschweren Besichtigungen, virtuelle Rundgänge sind nur ein Notbehelf. Viele Akteure warten ab – ein typisches Verhalten in der Startphase einer heraufziehenden Krise.Am wenigsten gefährdet erscheint der Wohnungsmarkt, also ausgerechnet der Sektor, der zuletzt aufgrund verschärfter Regulierungen wie Mietpreisbremse und Mietendeckel in Berlin eher skeptisch bewertet wurde. In den Großstädten fehlen, Corona hin oder her, Hunderttausende Wohnungen. Die sinkende Kaufkraft schmälert zwar die Wohnraumnachfrage, und der Drang in die Innenstädte lässt nach. Das trägt dazu bei, den scheinbar unaufhaltsamen Mietenanstieg abzubremsen. Die Kaufpreise, die in den vergangenen Jahren viel stärker zugelegt haben als die Mieten, könnten sogar vorübergehend unter Druck geraten. Und bei den Einnahmen drohen vermehrt Rückstände, da Mieter durch Jobverlust oder Kurzarbeit in Geldnot geraten. Doch ändert die Pandemie nichts Grundlegendes an den Marktbedingungen. Die Unterversorgung gerade mit günstigen Wohnungen bleibt ebenso bestehen wie die unzureichende Bautätigkeit, und schon bald könnte ähnlich wie nach der Finanzkrise ein verstärkter Zuzug aus krisengebeutelten südeuropäischen Ländern den Bedarf erhöhen. Deutlich sinkende Mieten sind daher unwahrscheinlich, abgesehen vielleicht vom Luxussegment und besonders teuren Innenstadtlagen. ——Von Helmut KippDie Coronakrise setzt den Schlusspunkt unter den rund zehn Jahre währenden Immobilienaufschwung in Deutschland.——