Notiert inBrüssel

Die Rückkehr der Fantastilliarden

Wer immer dieser Tage in Brüssel vor Kameras tritt, hält sich nicht mit kleinen Zahlen auf. Ein paar Hundert Milliarden müssen es schon sein.

Die Rückkehr der Fantastilliarden

Notiert in Brüssel

Die Rückkehr der Fantastilliarden

Von Detlef Fechtner

Präsidentin Nadia Calviño war erkennbar bemüht, bei der Ankündigung des Engagements ihres Hauses zur Finanzierung von Rüstungsinvestitionen nominale Angaben zu vermeiden. Sie konzentrierte sich vielmehr darauf zu unterstreichen, dass die Europäische Investitionsbank (EIB) das Finanzierungsvolumen für Projekte zur Unterstützung der Verteidigungsfähigkeit Europas voriges Jahr verdoppelt habe und in diesem Jahr das Volumen erneut verdoppeln werde. Vervierfacht binnen 24 Monaten – das klingt nach klotzen, nicht kleckern.

Trotzdem (denn die nominalen Beträge waren ja bekannt) sah sie sich in der Pressekonferenz mit der Frage konfrontiert, wieso der Beitrag der EIB mit 2 Mrd. Euro (oder selbst in großzügigerer Rechnung mit 8 Mrd. Euro) sehr klein sei – wo doch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen gerade eben ein Paket von 800 Mrd. Euro geschnürt habe. Was, bitte schön, sind da läppische 8 Mrd. Euro?

So manche Luftnummer

In Europa ist dieser Tage wieder die Rückkehr der Fantastilliarden zu beobachten. Wer immer vor eine Kamera tritt, hält sich nicht lange mit kleinen Zahlen auf, sondern verkündet Maßnahmen, die mit Finanzierungen mit ganz, ganz vielen Nullen dotiert sind. Dass sich manche astronomisch wirkende Ziffer bei genauerem Hinsehen als Luftnummer oder als reiner Hoffnungswert entpuppt (so wie etwa die 800 Mrd. Euro von der Leyens, die auf dramatische Ausgabensteigerungen nationaler Regierungen fußen, die sich dafür tief verschulden müssten), scheint oft nur von nachrangiger Bedeutung. Hauptsache, der Eindruck der Entschlossenheit ist erweckt. Und das gelingt in der Tat. In der Presse ist wieder die Rede davon, dass die „Bazooka“ ausgepackt wird – oder gar, dass Brüssel zum Handeln bereit ist, „whatever it takes“.

Wer indes, wie die Bundesregierung, dieser Tage empfiehlt, doch erst einmal den Bedarf (und auch das tatsächliche Angebot an investitionsfähigen Rüstungsprojekten) zu ermitteln, bevor Finanzierungsquellen aufgebohrt werden, gerät schnell in den Verdacht, den Schuss nicht gehört zu haben. Oder, wenn dieses Wortbild gerade in diesem Zusammenhang unangemessen erscheint, die Wucht der seismischen Verschiebungen der Geopolitik nicht wahrnehmen zu wollen. Das will sich natürlich niemand vorwerfen lassen.

Zugleich ist bemerkenswert, dass die Entwicklungen der vergangenen Tage auch die Sprache der Diplomaten verändert haben. Den aggressiven Auftritt von Donald Trump und seinem Vize JD Vance gegenüber dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskiy als Streitgespräch zu bezeichnen, klingt schönfärberisch. „Eklat“ oder „Demütigung“ gelten als angemessenere Beschreibungen dessen, was im Oval Office passiert ist. Und spätestens seither ist auch die beliebte Redewendung überholt, das „sind ja spannende Zeiten, die wir da gerade erleben“ – über viele Jahre hinweg der klassische Einstieg in Gespräche. Heute wird „spannend“ ersetzt durch „beunruhigend“ – wenn nicht gar durch „verstörend“.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.