Wie komme ich unbeschadet durch die Krise, wie werde ich widerstandsfähig? Das sind zwei Fragen, die SAP-Chef Christian Klein vergangene Woche während der Hausmesse Sapphire in seinen Gesprächen mit mehr als 200 CEOs mit am häufigsten gestellt wurden. Die Digitalisierung ist mit der Coronakrise endgültig der entscheidende Faktor für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen geworden. Wer kann digital am besten zusammenarbeiten – ortsunabhängig, zeitunabhängig und hardwareagnostisch? Von der Beantwortung dieser Frage profitieren derzeit viele IT-Unternehmen. Zoom, Webex, Microsoft Teams, Skype Business usw. haben allesamt einen deutlich Nutzungsanstieg erfahren. So hat sich die Zahl der täglich aktiven Anwender von Microsoft Teams in den ersten zwei Monaten der Coronakrise in etwa verdoppelt. Auch andere digitale Kollaborationsspezialisten wie der deutsche MDax-Konzern Teamviewer freuen sich über riesige Zuwächse.Doch sind die Profiteure der ersten Stunde längst nicht die einzigen großen Gewinner der digitalen Umwälzung, die mit der globalen Covid-19-Pandemie gerade deutlich beschleunigt wurde. Im Hintergrund der unmittelbaren Krisengewinner positionieren sich derzeit die Schwergewichte, um ihre dominante Position in der stark wachsenden digitalen Wirtschaftswelt weiter auszubauen. So verschärft sich der Cloud-Infrastruktur-Kampf zwischen Amazons AWS, Google Cloud und Microsoft Azure. Weltweit wurden in den vergangenen Wochen zusätzliche Kapazitäten in der Cloud nachgefragt und aufgebaut. Ohne die Skalierbarkeit der Mietsoftware wäre der praktisch unmittelbare Wechsel ganzer Heerscharen von Angestellten vom Büro ins Homeoffice gar nicht darstellbar gewesen. Manche Unternehmen haben quasi über Nacht tausende Mitarbeiter vom Büro an den heimischen PC verpflanzt. Der dramatische Umbau der Arbeitswelt klappte auch zur Überraschung vieler Manager mit wenig Reibungsverlusten.Digital total funktioniert. Das lange eher theoretische Versprechen einer digitalen Arbeitswelt hat plötzlich ein globales Proof-of-Concept, das selbst in der Old Economy nachhaltig Eindruck hinterlassen hat.In der jüngsten Befragung seiner Mitglieder hat der Branchenverband ZVEI festgestellt, dass sieben von zehn Elektrotechnikunternehmen auch nach der Pandemie Homeoffice stärker nutzen wollen.Auch bei Regierungen haben die IT-Unternehmen plötzlich mehr als einen Fuß in der Tür. Ihnen kommt zugute, dass die Digitalisierung etwa in den Bildungseinrichtungen, aber auch an anderen staatlichen Stellen über Jahrzehnte verschlafen wurde. Jetzt wacht die Politik auf und erkennt eklatante Defizite. Während in vielen Unternehmen nach einer kurzen Umstellungsphase relativ normal weitergearbeitet werden konnte, herrschte an deutschen Schulen, wo Overhead-Projektor und Kreidetafeln vielfach noch Standard sind, oft Bildungsnotstand. Microsoft und andere Unternehmen, die über Jahre eine stärkere Digitalisierung angemahnt hatten, treffen nun auf offene Ohren. Der Softwaregigant aus Redmond hat deshalb bereits die Freigabe für die Nutzung seiner Kollaborationsplattform “MS Teams” in den Schulen in Baden-Württemberg und Bayern erhalten.Auch SAP geht strategische Partnerschaften mit Regierungen ein. Als prominentes Beispiel zeigt die deutsche Corona-App, die SAP mit der Telekom entwickelt hat, wie sinnvoll es sein kann, nicht nur auf den kurzfristigen Profit aus zu sein, sondern daraus ein positives Ergebnis für alle Beteiligten zu erzielen. Ein solches Vorgehen helfe SAP auch, ein höheres Ansehen zu gewinnen, wie Finanzvorstand Luka Mucic auf der Sapphire korrekt anmerkte. Beim Thema Nachhaltigkeit ist es SAP sogar gelungen, ein Sujet zu besetzen, das einen Ansehensgewinn und zugleich enorme Umsatzchancen über die nächste Dekade verspricht. Selbst im Covid-19-Umfeld zeigt sich die Bedeutung des Themas etwa an der überwältigend positiven Reaktion aus der Wirtschaft auf den Nachhaltigkeitsfokus des Konjunkturpakets.——Von Sebastian SchmidDie Coronakrise hat einigen Firmen Erlössprünge gebracht. Bedeutender für die IT-Branche dürfte indes der Nachweis sein, dass digital total funktioniert. ——