Düstere Aussichten für das Mittelmeer
Notiert in Paris
Düstere Aussichten für das Mittelmeer
wü Paris
Von Gesche Wüpper
Überschwemmungen, Stürme und gewalttätige Ausschreitungen sorgen nicht nur für materielle Schäden. Immer mehr französische Gemeinden haben darum auch Schwierigkeiten, eine Versicherung zu finden. Die Vereinigung französischer Bürgermeister schätzt, dass inzwischen 1.500 Ortschaften „Versicherungsprobleme“ haben. Der Klimawandel dürfte die Zahl weiter steigen lassen. Sébastien Olharan, der konservative Bürgermeister des im Hinterland von Nizza gelegenen Städtchens Breil-sur-Roya, hat deshalb Anfang Januar kurzerhand Naturkatastrophen und menschliche Aktivitäten „verbieten“ lassen, die dem Gemeindebesitz schaden.
Eine absurde Antwort auf eine absurde Situation, gibt er zu. Denn die Versicherungen hatten seiner Gemeinde, wenige Monate nachdem sie ihr Entschädigungen in Höhe von 6 Mill. Euro für 2020 erlittene Sturmschäden zahlen mussten, den Vertrag aufgekündigt. Inzwischen ist Breil-sur-Roya über eine Verwaltungsbehörde wieder versichert. Doch angesichts zunehmender extremer Wetterphänomene wie Starkregen, Hitzewellen und Dürre könnten auf andere Gemeinden künftig ähnliche Probleme zukommen. Gerade denen, die wie Breil-sur-Roya in der Nähe des Mittelmeeres liegen.
Schneller Temperaturanstieg
Denn das Mittelmeerbecken ist nach der Antarktis die Region in der Welt, in der die Temperaturen am schnellsten steigen. Gleichzeitig ist es weltweit am stärksten mit Plastik verschmutzt und weitgehend überfischt. „Das, was wir vor 20 Jahren für das Jahr 2100 vorhergesagt haben, wird schon 2050 eintreten“, sagt Jacques Theys. Der Wissenschaftler ist der stellvertretende Vorsitzende von Plan Bleu, einer vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UN) beauftragten Organisation mit Sitz in Marseille. Sie hat jetzt im Vorfeld der im Juni in Nizza stattfindenden UN-Ozeankonferenz ihren neuesten Prospektivbericht zur Zukunft der Mittelmeerregion bis 2050 vorgestellt. Mehr als 100 Experten aus Frankreich und anderen Anrainerstaaten haben ihn erstellt.
„Ohne große Wendepunkte wird sich das Mittelmeer in einer noch schlimmeren Situation als heute befinden", warnen sie. Das bringe große Veränderungen in allen Ökosystemen mit sich und führe zu einer allgemeinen Verschlechterung für die Lebensbedingungen sowie alle wirtschaftlichen Aktivitäten. Die Temperaturen dürften bis 2050 auf 2,3 Grad steigen, die Wassertemperatur um 1,2 Grad und der Meeresspiegel um rund 40 Zentimeter.
Konzentration an der Küste
„Viele Städte und Anlagen befinden sich nah am Meer“, sagt Plan Bleu-Generalsekretär Denis Lacroix. „Das wird ein Problem.“ Zumal sich künftig immer mehr Menschen und Aktivitäten an der Küste ansiedeln dürften. Der Prospektivbericht geht davon aus, dass sich 2050 mindestens die Hälfte der Bevölkerung und der Wirtschaft an der Küste konzentrieren wird. Bisher sind es 30% bis 40%. Deshalb würden sich Fragen, wie die Küsten und die Bevölkerung am Mittelmeer geschützt werden könnten, künftig verstärkt stellen.