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Duftende Begehrlichkeiten

Nach der Corona-Pandemie haben Parfums ein unglaubliches Comeback gefeiert. Die kräftigen Wachstumsraten wecken den Appetit von immer mehr Luxusgüterkonzernen.

Duftende Begehrlichkeiten

Dufte Begehrlichkeiten

Warum Luxusgüterkonzerne verstärkt auf Parfums setzen

Von Gesche Wüpper, Paris

Das Paradies für Liebhaber erlesener Düfte liegt im Marais-Viertel von Paris, nur wenige Schritte vom Place des Vosges entfernt in der Rue des Francs-Bourgois. Fast alles, was in der Parfumbranche Rang und Namen hat, ist hier vertreten – von L‘Artisan Parfumeur über Chanel und Frédéric Malle bis Guérlain.

Parfums machten zuletzt gerade mal 11% des gesamten Beauty-Marktes aus. Und doch wecken sie die Begehrlichkeiten von immer mehr Akteuren der Luxusgüterbranche. So hat Kering gerade die Übernahme des 1760 in London gegründeten Parfumherstellers Creed abgeschlossen und den Fonds von Blackrock Long Term Private Capital und Javier Ferran dafür dem Vernehmen nach 3,5 Mrd. Euro gezahlt.

Richemont wiederum hat im September die Gründung einer speziellen Sparte angekündigt, des Laboratoires de Haute Parfumerie et Beauté. "Das soll unseren sechs bereits im Bereich Parfum tätigen Häusern ermöglichen, eine kritische Größe zu erreichen", erklärt der Schweizer Luxusgüterkonzern, dem Marken wie Cartier, Chloé und Piaget gehören. Denn auf dem umkämpften Markt für Parfums sei Größe entscheidend.

Starkes Comeback nach Corona

"Der Schönheitsbereich ist ein Wachstumsmarkt, der vor allem bei Parfums den Appetit weckt", erklärt Analyst Loïc Morvan von Bryan, Garnier & Co. Zwar ist der Anteil von Parfums mit zuletzt schätzungsweise 47,9 Mrd. Dollar am weltweiten Schönheitsmarkt kleiner als der von Make-up, Haut- und Haarpflege. Doch für Luxusmarken sind Düfte strategisch weitaus bedeutender.

"Der Beauty-Bereich ist eine sehr attraktive Kategorie für Luxusgütermarken, weil er niedrige absolute Preispunkte hat, die es Marken erlauben, ein sehr großes Verbraucherpublikum anzusprechen“, sagt Analyst Luca Solca von Bernstein. „Gleichzeitig sind Schönheitsprodukte nicht sofort sichtbar: Luxusmarken können viel davon verkaufen, eine Menge Geld machen und trotzdem vermeiden, allgegenwärtig zu erscheinen.“

Sich rar zu machen ist wichtig in der Luxusgüterindustrie. Je seltener ein Produkt, desto mehr weckt es Begehrlichkeiten. Als Beispiel dafür, wie Luxusmarken mit Parfums und Kosmetik erfolgreich sein können, ohne dass es ihrem exklusiven Image schadet, nennt Luxusgüter-Experte Solca Chanel. Obwohl der Konzern sehr viele Beauty-Produkte verkaufe, werde er von Konsumenten weiter als sehr exklusive Marke eingestuft, sagt er.  

Auf China zugeschnittene Düfte

Gleichzeitig verspricht der Markt für Parfums attraktive Wachstumsaussichten. Hatten einige Beobachter Parfums während der Covid-Pandemie eine lange Durststrecke vorausgesagt, so feierten Düfte mit den Lockerungen von Corona-Auflagen ein starkes Comeback. Betrugen ihre Wachstumsraten vor der Pandemie im Schnitt 4% bis 5% pro Jahr, so legten sie laut Daten von LOréal 2021 um 21% und 2022 um 15% zu. Allerdings waren sie 2020 um 18% eingebrochen.

Vielen Verbrauchern erscheinen Düfte nach den Entbehrungen der Covid-Jahre wie eine Quelle des persönlichen Wohlbefindens, wie ein kleiner persönlicher Luxus, den sie sich angesichts der im Vergleich zu anderen Luxusgüterprodukten günstigen Preise ohne Weiteres leisten können. Die Parfumbranche profitiert aber auch von der immer größer werdenden Mittelschicht in Wachstumsmärkten, die westliche Schönheitsrituale für sich entdecken.

Da das Thema Parfum auch auf Sozialen Netzwerken boomt, steigt die Nachfrage selbst in Ländern wie China, in denen sich zu parfümieren bisher nicht zu den kulturellen Gepflogenheiten zählte. Bisher habe es in China kaum an den Markt angepasste Produkte gegeben, sagt Flavie Nguyen von McKinsey. Inzwischen würden die Marken jedoch Düfte mit floraleren und leichteren Noten anbieten. Dennoch erwartet Bernstein-Analyst Solca nicht, dass Parfums für chinesische Konsumenten sehr relevant werden. „Hautpflege wird in Asien die wichtigste Beauty-Kategorie bleiben“, ist er überzeugt.

Luxus läuft am besten

Dennoch dürfte der Beauty-Markt getragen von der Begeisterung für Parfums bis 2027 auf 580 Mrd. Dollar zulegen, schätzt die Unternehmensberatung McKinsey. In diesem Jahr dürfte er Umsätze in Höhe von 470 Mrd. Dollar generieren. McKinsey rechnet mit einem jährlichen Wachstum von im Schnitt 6%. Dabei dürften Premiumprodukte pro Jahr um 8% wachsen, Massenprodukte dagegen nur um 5%.

„Der High-End-Bereich hat sich stark entwickelt, übereinstimmend mit dem, was wir im restlichen Markt für persönliche Luxusgüter gesehen haben“, sagt Analyst Luca Solca von Bernstein. Bei Parfums seien High-End-, maßgeschneiderte Düfte eine boomende Unterkategorie. Darauf setzt auch Kering mit Creed. Die Parfums der Nobelmarke werden zu Preisen von 140 bis 450 Euro je Flacon angeboten.

Der französische Luxusgüterkonzern hat erst im Februar eine eigene Sparte für Düfte und Schönheitsprodukte lanciert. Die Übernahme von Creed war ihre erste strategische Entscheidung. Die Sparte, die von Raffaella Cornaggia geleitet wird, umfasst bisher neben Creed die Marken Balenciaga, Pomellato und Qeelin sowie Bottega Veneta und Alexander McQueen, deren Lizenzen von Coty zurückgeholt wurden.

Hatten Branchenkenner prophezeit, die Generation Z könnte sich von Parfums abwenden, weil sie oft zu sehr von Marketing und geschlechtsspezifischen Kriterien bestimmt werden, so ist das Gegenteil eingetreten. Gerade Duftklassiker und vergessene Düfte erleben bei jungen Konsumenten eine Renaissance. Zu verdanken ist das auch Sozialen Medien wie Tiktok und den vielen selbsternannten Parfumspezialisten.

Inflation des Begriffs Nischenparfum

Sogenannte Nischenparfums von Herstellern wie Frédéric Malle oder Maison Francis Kurkdjian sind ebenfalls stark gefragt. Das allerdings hat den Nebeneffekt, dass der Begriff eine wahre Inflation erlebt und mittlerweile so gut wie jeder neue Parfumhersteller damit für sich wirbt. Er habe seine Bedeutung verloren, bedauert denn auch Frédéric Malle. Der Markt sei überlaufen, es gebe zu viele Akteure. "Es ist wie ein Goldrausch." Viele neue Parfumhersteller würden mit dem Ziel gegründet, für viel Geld weiterverkauft zu werden, kritisiert er.

Der Parfum-Markt sei überfüllt, findet auch Analyst Solca von Bernstein. „Starke Marken werden Me-Too-Akteure in den Schatten stellen", ist er überzeugt. Solca hält Marken mit Wurzeln in der Mode für am besten positioniert, da „Schönheit und Glamour Hand in Hand gehen“. Es sei kein Zufall, dass Chanel und Dior diesen Bereich dominierten und Saint Laurent mithilfe von L‘Oréal ebenfalls sehr gut laufe, meint er.

Bei Marken, die wie Hermès, Gucci und Louis Vuitton eher für Accessoires bekannt seien, gebe es eine weniger unmittelbare Verbindung zwischen ihrer DNA und dem Beauty-Bereich, findet Analyst Solca. Dasselbe gelte für Juweliere, wo Erfolg im Beauty-Segment wie bei Bulgari die Ausnahme von der Regel sei. 

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