LEITARTIKEL

Echte europäische Champions

Wer sich für die Idee europäischer Champions begeistert und dabei auf Airbus als leuchtendes Beispiel verweist, der sollte zur Abrundung seiner Meinung auch einen Blick auf ABB werfen. Der Elektrotechnikriese, der 1988 aus dem Zusammenschluss der...

Echte europäische Champions

Wer sich für die Idee europäischer Champions begeistert und dabei auf Airbus als leuchtendes Beispiel verweist, der sollte zur Abrundung seiner Meinung auch einen Blick auf ABB werfen. Der Elektrotechnikriese, der 1988 aus dem Zusammenschluss der schwedischen Asea mit der Schweizer BBC entstand, kann als der erste europäische Champion überhaupt gelten. Gut drei Dekaden später lässt sich festhalten: ABB hat überlebt, wenn auch nur knapp. Zudem scheint besiegelt, dass der Konzern keine europäische Erfolgsstory mehr wird. Das ist die Geschichte von ABB im Stenogramm: Geboren aus dem Glauben, eine europäische Antwort auf General Electric geben zu müssen. Gelitten unter schweren Managementfehlern um die Jahrtausendwende. Fast pleitegegangen anno 2002. Auferstanden von den Toten. Seit 2000 sieben CEOs verschlissen. Viele Strategiewechsel und Umstrukturierungen, mit mäßigem Erfolg. Im Jahr 2018 beginnt die Zerschlagung: Der Verkauf der Stromnetzsparte, größter Teil und historische Wurzel des Konzerns, an Japans Hitachi wird besiegelt. Dem US-Aktivisten Artisan genügt das nicht. Er lässt durchblicken, die Aufspaltung in mindestens drei Teile zu wünschen: Stromnetze, Elektrifizierungsprodukte, Fabrikautomation. Nach 30 Jahren löst sich der Konzern, der am 2. Mai Generalversammlung hat, faktisch auf.Nun lässt sich nicht alles, was bei ABB schiefgelaufen ist, verallgemeinern. Und doch ist offensichtlich, wo das Hauptproblem dieses strauchelnden europäischen Giganten liegt. Auch in 30 Jahren ist hier nicht zusammengewachsen, was gut zusammenzupassen schien. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass das einstige US-Vorbild General Electric noch schlechter dasteht und ums Überleben kämpfen muss. In diesem Licht relativiert sich auch der Erfolg von Airbus: Er wurzelt weniger in den Vorteilen einer europäischen Zusammenarbeit, sondern in der Tatsache, dass der Fluggerätehersteller in einem Wachstumsmarkt tätig ist, der dem Duopol Boeing und Airbus seit Jahrzehnten ein komfortables Umfeld bietet und es erlaubt, trotz schwerer Missgriffe zu prosperieren. Für Airbus sind der Riesenflieger A380 und der Militärtransporter A400M Kratzer am Image, für Boeing ist die 737 Max ein Debakel.Echte Champions sind in Europa nicht dann entstanden, wenn zwei Konzerne zusammengelegt wurden, sondern vor allem, wenn sie am harten europäischen und globalen Wettbewerb wachsen konnten. So hat Deutschland in der Autoindustrie gleich mehrere Champions hervorgebracht, von Daimler über Volkswagen bis BMW. Wer käme auf die Idee, die drei Konzerne seien für den globalen Wettbewerb besser gerüstet, wenn man sie zusammenlegt? Probleme zeigen sich bei Konzernriesen vor allem dann, wenn Größe in Trägheit, Selbstgefälligkeit oder Hybris mündet – wovon der Dieselskandal bei VW, der Griff von Daimler nach Chrysler oder die gescheiterten globalen Ambitionen der Deutschen Bank hierzulande Zeugnis ablegen.Deshalb sind so viele echte Champions auch eher klein. Nicht ohne Grund werden die sogenannten “Hidden Champions”, die man an der Börse im MDax oder SDax findet, so gerühmt – und die Börsenperformance spiegelt das: Der MDax hat sich in der vergangenen Dekade fast doppelt so stark entwickelt wie der Dax. Investoren, die auf die Stärke von Deutschlands Exportwirtschaft setzen, schauen vor allem auf Nebenwerte, weniger auf Blue Chips. Das eigentliche Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist der Mittelstand mit seinen vielen nicht börsennotierten Unternehmen, für die der Staat viel tun kann, wenn er ihre Rahmenbedingungen verbessert.Wenn dagegen am Reißbrett Champions konstruiert werden, egal ob das in Konzernverwaltungen oder Ministerien geschieht, ist das Ergebnis oft wenig erquicklich. Stakeholder begrüßen es, dass der Welt ein Champion aus Deutscher Bank und Commerzbank erspart bleibt, und sie bedauern, dass sich der Zusammenschluss aus Bayer und Monsanto nicht zurückdrehen lässt. Auch wenn nachvollziehbar ist, dass die deutsche Siemens und die französische Alstom gern die Kräfte bündeln würden, um aufstrebenden chinesischen Angreifern Paroli zu bieten – wer weiß: Vielleicht entpuppt es sich als Segen, dass die EU-Kommission die Fusion untersagt hat. Das chinesische Modell, in einem staatlich eingerichteten Schutzraum globale Champions zu züchten, mag für das Reich der Mitte der richtige Weg sein. In Europa hat man bislang die besten Erfahrungen gemacht, wenn Unternehmen in natürlichem Wettbewerb reifen konnten und dabei weder träge, bürokratisch noch größenwahnsinnig wurden. —–Von Daniel SchauberIn Europa hat man bislang die besten Erfahrungen gemacht, wenn Unternehmen in natürlichem Wettbewerb reifen konnten.—–