Eigenkapital der Banken unter Regulierungsdruck
Die Überführung des Baseler Regelwerks in EU-Recht ist auf der Zielgeraden. Bis Dezember wird in Brüssel im Rat sowie im Europäischen Parlament um eine Kompromisslinie gerungen. Im Januar soll dann der sogenannte Trilog beginnen, bei dem auch die EU-Kommission eingebunden ist. Doch die Gräben sind tief: Die Trennlinie verläuft zwischen dem Wunsch nach globaler Harmonisierung und der Berücksichtigung EU-spezifischer Besonderheiten.
Auswirkungsanalysen zeigen immer wieder, dass die Effekte auf globaler Ebene geringer ausfallen als für die Banken in Europa, wie die Beratungsgesellschaft ZEB zusammenfasst. „Während global nur eine Erhöhung der Kapitalanforderung um 2,9% erwartet wird, führt insbesondere die stärkere Nutzung interner Modelle in Europa zu einem Anstieg von 18,5%.“ Insbesondere in Deutschland nutzen Kreditinstitute eigene interne Modelle, die nun beschnitten werden, sagt ZEB-Partner Christian Schiele. Bei internen Modellen (Internal Ratings Based Approach, IRBA) können Banken eigene geschätzte Risikoparameter zur Berechnung des Eigenkapitals verwenden. Mit der Vollendung von Basel III setzten die internationalen Aufseher dieser Praxis Grenzen.
Langsame Einführung
Der Baseler Ausschuss fordert die Anwendung der neuen Regeln grundsätzlich ab 2023. Die EU beabsichtigt einen Start 2025. Der Einführungszeitraum beträgt dann in der EU bis zu acht Jahre, in denen Übergangsregeln auslaufen. „Banken sollten daher jetzt ihre Roadmap für die Umsetzung ausgestalten“, so die ZEB. Die Unternehmensberatung hat die vorliegenden Studien zusammengetragen, um einen Überblick zu schaffen. Besonders stark betroffen: die sogenannte Gruppe 1, also international tätige Institute mit einem Kernkapital von mehr als 3 Mrd. Euro. Alle weiteren Institute sind der Gruppe 2 zugeordnet.
Heftig diskutiert wird auch nach Jahren die Frage, ob für die Banken in Europa eine Erhöhung der Kapitalanforderungen in diesem Umfang tragbar sei. „Aus Sicht der Banken sind diese Erhöhungen aus Risikosicht nicht gerechtfertigt. Insbesondere bei Portfolios mit besonders guter empirischer Datenbasis, etwa bei der privaten Baufinanzierung, sind Verluste nachhaltig auf niedrigem Niveau“, heißt es in der ZEB-Studie. Die Europäische Zentralbank zeigt sich überzeugt, dass die europäischen Banken nach der großen Finanzkrise hinreichend Kapitalpuffer und Liquidität aufgebaut und sich während der Pandemie und der Ukraine-Krise als widerstandsfähig erwiesen haben. Die Kreditwirtschaft sei auch stark genug, um sich an das Baseler Rahmenwerk zu halten. Eine Abweichung sei nicht erforderlich.
Einen Kompromiss in Brüssel wird es geben zwischen den Positionen „globale Harmonisierung des regulatorischen Rahmenwerks“ und „Schutz der europäischen Wirtschaft durch Berücksichtigung von EU-Spezifika“.
Optionen der Banken
Schon jetzt ergeben sich für die Banken Handlungsfelder, um auf die Umsetzung von Basel III zu reagieren. Dabei geht es bei den Banken insbesondere um den Output Floor und die Übergangsregelungen. Zweitens müssen die Häuser prüfen, inwieweit sie interne Modelle nutzen und optimieren können. Und schließlich geht es um die Transformation des Geschäftsmodells unter dem Aspekt der Optimierung von risikogewichteten Aktiva (RWA).
„Banken müssen szenariofähig sein“, sagt Schiele. Viele Geschäfte, die in den nächsten zwei Jahren abgeschlossen würden, hätten langfristigen Charakter und fielen dann in der Wirkung in den Anwendungsbereich von EU-Regulierung CRR III. „Insofern müssen diese Geschäfte auch schon jetzt unter dem neuen Regime kalkuliert werden.“
Die Kreditinstitute stellen sich mehr und mehr auf die Änderungen ein und versuchen die Positionen im politischen Prozess zu antizipieren. „Banken befassen sich ohnehin grundsätzlich mit langfristigen und szenariobasierten Kapitalplanungen und müssen neben dem Kapitalauftrieb durch CRR III ab Anfang 2023 auch die zusätzlichen Kapitalpuffer in Deutschland kalkulieren“, ergänzt Thilo Kasprowicz, Partner bei KPMG.
Unabhängig vom Ausgang des politischen Gesetzgebungsprozesses gibt es für die Branche viele Felder, in denen sie durchspielen muss, wie sich die Parameter ändern. Der wichtigste Baustein in der neuen Regulierung ist die Veränderung für Banken, die das interne Modell verwenden. Sie müssen künftig mit einem Output Floor kalkulieren, der zu höheren Eigenkapitalanforderungen führt. Außerdem kommt es bei der Anwendung der Modelle zu einem Philosophiewechsel. Künftig können die Häuser differenzierter zwischen dem Standardmodell und einem internen Modell wählen. „Das ist interessant für Banken, die jetzt schon interne Modelle nutzen, weil sie künftig viele Randportfolios nicht mehr im internen Ansatz halten müssen“, sagt Schiele. Und andersherum: Für Banken, die bisher im Kreditrisikostandardansatz (KSA) waren, werde es auch Erhöhungen geben, etwa bei Beteiligungen und bei anderen Geschäften, bei denen deutlich konservativere Risikogewichte vorgesehen sind. „Für KSA-Banken ist im Durchschnitt eine Erhöhung zwischen 5 und 10% realistisch“, sagt Schiele. Durch Einsatz interner Modelle könnten sie die risikogewichteten Aktiva somit drücken und die Kapitalquote verbessern.
Bislang sind interne Modelle für Regionalbanken eher schwierig gewesen, weil sie für kleine Banken viel zu aufwendig seien. Wenn man das interne Modell auf das Kerngeschäft beschränken kann, dann ist es realistisch und der Einsatz kann künftig Kapital freisetzen.
Neben den möglichen Eigenkapitaleffekten unter den unterschiedlichen Szenarien von Basel III liegt ein Schwerpunkt der Banken auch in der Überprüfung der Produktausgestaltungen im Kredit- und Handelsgeschäft. „Diese erfolgen in der Regel in Einklang mit der Nutzung privilegierender Sachverhalte bzw. mit Blick auf die Vermeidung von zusätzlichen Eigenkapitalkosten“, sagt KPMG-Partner Kasprowicz. Ein zweiter Punkt seien Überlegungen zur Integration höherer Eigenkapitalkosten in die Preisgestaltung von Krediten, also die Anpassung von Zinskonditionen. Das betreffe insbesondere langfristige Ausreichungen der Immobilienfinanzierung, bei denen die Kreditlaufzeit deutlich über den Erstanwendungszeitpunkt von Basel III hinausgehe.
Produkte prüfen
Da das zugehörige EU-Regelwerk CRR III generell dazu führt, dass das Eigenkapital knapper wird, müssen sich Banken Gedanken machen, welches Geschäft sie langfristig haben wollen. Sie müssen also prüfen, wie sich die einzelnen Geschäfte auf ihre Eigenkapitalanforderungen auswirken und wie man Produkte nutzen kann, die Eigenkapital schonen.
Neben Simulationen, wie die Entscheidungen in Brüssel auf das Geschäft wirken und welche Vorkehrungen zu treffen sind, gibt es noch andere Effekte durch Basel III. Statt Veränderungen innerhalb der Bilanz sind Ausweichreaktionen denkbar. „Die Gefahr besteht, dass nach der Umsetzung von Basel III Geschäfte außerhalb der Bilanz gemacht werden oder das Geschäft gar aus dem Bankensektor in andere Bereiche abwandert“, sagt Jens Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (VDP). Das könne nicht im Sinne der Finanzstabilität sein, da bei Banken das Kreditgeschäft angemessen reguliert und deshalb besser aufgehoben sei als in anderen Bereichen der Finanzbranche, die weniger oder gar nicht reguliert seien.
Solche Ausweichreaktionen seien vermutlich auch der Grund dafür, dass die Bundesbank argumentiert, am Ende würde die Mehrbelastung geringer ausfallen als von der Kreditwirtschaft prognostiziert. Zu erwarten ist, dass Banken sich auf die neue Regulierung einstellen und ihr Geschäftsmodell anpassen, indem sie zum Beispiel Geschäft außerhalb der Bilanz machen. Der VDP vertritt die Ansicht, dass solche Fragen in Aufsichtskreisen nicht ausreichend diskutiert werden.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, bei RWA-Mehrbelastungen die Kredite aus der Bilanz zu nehmen und sich der klassischen Verbriefung zu bedienen. Doch auch hier hat Tolckmitt wenig Hoffnung. Bei Verbriefungen gebe es das gleiche Phänomen wie bei der Bankenregulierung, die ähnlich scharf reguliert werden. „Daher sind inzwischen neue Strukturen wie Kreditfonds erfunden worden, die den gleichen Zweck erfüllen wie Verbriefungen, ohne deren Regulierung zu unterfallen.“
Unabhängig davon, ob den Banken in Deutschland gefällt, was in Brüssel verhandelt wird und wie es am Ende ausgeht, werden sich alle Häuser in den nächsten Monaten daranmachen, ihre Geschäftsmodelle im Lichte potenzieller Änderungen zu prüfen. Doch nicht nur die Kreditwirtschaft bringt sich in Stellung, auch die Berater durchsuchen Hunderte von Seiten von Änderungsanträgen der EU-Parlamentarier, um in Gesprächen mit ihren Kunden gewappnet zu sein.
Von Wolf Brandes, Frankfurt