Kapitalerhöhung

Eine Portion Winterspeck

Der britische Low-Cost-Carrier Easyjet profitiert von der Erholung bei Tourismus und Geschäftsreisen, doch der Winter könnte erneut unerfreulich werden.

Eine Portion Winterspeck

In der pandemiegebeutelten Airline-Branche stehen die Zeichen nicht länger auf Sturm. So scheint es jedenfalls beim Blick auf die rasant angestiegenen Buchungszahlen dieses Sommers, die quer durch Europa eine überschäumende Reiselust offenbarten und den Fluggesellschaften eine deutlich bessere Kapazitätsauslastung ermöglichten als in den langen Monaten zuvor. Dies hat auch die Mittelverbrennung spürbar minimiert oder bei einigen sogar gestoppt. Zuletzt gab es überdies auch bei dem nahezu totgesagten lukrativen Geschäftsreiseverkehr erste echte Lebenszeichen.

Der britische Low-Cost-Carrier Easyjet profitiert von beiden Trends und nutzt daher die Gunst der Stunde, um eine zusätzliche Liquiditätsvorsorge mit einer substanziellen Bilanzreparatur zu verbinden. Die Airline wagt sich in der Coronakrise als zweite hinter der British-Airways-Mutter IAG, die schon im Oktober vergangenen Jahres 2,7 Mrd. Euro eingesammelt hat, an den Eigenkapitalmarkt. Der Umfang der Kapitalerhöhung, die von den begleitenden Banken garantiert wird und mit einem Abschlag von fast der Hälfte zum jüngsten Schlusskurs in den Markt gedrückt werden soll, wirft dennoch ein bezeichnendes Licht auf die nach wie vor große Misere der Branche. Die Unternehmen sitzen aktuell fast durchweg auf üppigen Liquiditätsreserven, in denen sich allerdings eine fast ebenso umfangreiche Verschuldung spiegelt, so dass die Eigenkapitalquote sich im mittleren einstelligen Prozentbereich auf geradezu krankhaftem Niveau befindet. Um diese substanziell zu stärken, sind wahre Kraftakte nötig. Easyjet avisiert eine Kapitalerhöhung von einem Drittel der aktuellen Marktkapitalisierung, eine Stärkungsration, die sich im Hinblick auf den Appetit der Investoren schon als überreichlich erweisen könnte.

Die Deutsche Lufthansa, bei der ein noch deutlich größerer Kapitalhunger zu befriedigen ist, hat von ihrer geplanten 3-Mrd.-Euro-Emission bisher Abstand nehmen müssen.

Damit droht die erhoffte Befreiung aus dem engen Korsett der Staatshilfe bei der Lufthansa auf die lange Bank zu geraten. Denn allen Hoffnungszeichen im Luftverkehr zum Trotz droht nach einem regen Sommergeschäft ein herbstlicher Dämpfer und womöglich ein langer kalter Winter, in dem die schon von allen Experten angekündigte vierte Welle die Auszehrung der noch immer geschwächten Branche fortsetzt. Um daran nicht zu sterben, bedarf es also der einen oder anderen Portion Winterspeck, entweder aus frischen Eigenmitteln oder eben doch aus Staatsgeldern.

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