LEITARTIKEL

Energische Wende

Der Atomunfall von Fukushima im Jahr 2011 war der Startschuss für den größten Umbau der Energiebranche in Deutschland seit Jahrzehnten. Dass der Wandel so rasant vonstattengehen würde, haben wohl nur wenige geahnt. Nur fünf Jahre danach scheinen...

Energische Wende

Der Atomunfall von Fukushima im Jahr 2011 war der Startschuss für den größten Umbau der Energiebranche in Deutschland seit Jahrzehnten. Dass der Wandel so rasant vonstattengehen würde, haben wohl nur wenige geahnt. Nur fünf Jahre danach scheinen Kernenergie sowie Kohle- und Gaskraftwerke keine Zukunft mehr zu haben – zumindest in Deutschland. Laut Branchenverband BDEW erreichten die Erneuerbaren Energien im Jahr 2015 nach vorläufigen Berechnungen einen Anteil am Inlandsstromverbrauch von einem Drittel.Der Preis für die nachhaltige Energieerzeugung ist jedoch hoch. Sämtliche Stromverbraucher tragen 2016 ein Gesamtaufkommen an staatlich bewirkten Steuern, Abgaben und Umlagen von mehr als 34 Mrd. Euro, davon entfallen allein 23 Mrd. Euro auf die Erneuerbare-Energien-Umlage. Im Jahr 2008 waren es nur 5 Mrd. Euro. Die Umlage überbrückt die Differenz zwischen dem Börsenstrompreis und der staatlich garantierten Einspeisevergütung für den stets vorrangig eingespeisten Strom aus Wind, Biomasse und Fotovoltaik. Da die wachsende Ökostromschwemme den Börsenstrompreis drückt, wächst die Umlage immer weiter. Gleichzeitig hat der sinkende Börsenstrompreis die konventionellen Kraftwerke der großen vier Energiekonzerne immer unrentabler gemacht. Eon und RWE haben darauf mit einer Aufspaltung der Konzerne reagiert. Eon hat die Kraftwerkstochter Uniper separat an der Börse notiert. RWE bringt die Tochter Innogy in Kürze an die Börse. Investoren haben nun die Wahl. Entweder sie stecken ihr Geld in die alten Kraftwerke – das heißt in Uniper oder RWE. Oder sie investieren in das Geschäft mit den Netzen, dem Vertrieb und der Ökostromerzeugung – das wären Eon und Innogy.Für die alten konventionellen Kraftwerke spricht, dass ein Teil von ihnen auf absehbare Zeit noch dringend gebraucht wird – als Reserve für jene Tage, an denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Allerdings gibt es zu viele von den alten Kraftwerken. Erst wenn 2022 die letzten Atomkraftwerke vom Netz gehen, wird das Überangebot auf ein erträgliches Maß geschmälert. Vielleicht werden dann die verbliebenen Betreiber für ihr Durchhaltevermögen belohnt und verdienen gutes Geld mit ihren Reserven. Bis dahin werden sie die Investitionen in Instandhaltung auf ein Minimum zurückfahren und Dividende ausschütten, um Investoren zu locken. Aber die Wette auf die Renaissance der alten Kraftwerke ist riskant. Obwohl die Versorger für die Einführung eines Kapazitätsmarkts in Deutschland plädieren, der die Vorhaltung von Reservekraftwerken belohnen würde, sind die Signale aus der Bundesregierung wenig ermutigend. Als “Hartz IV für Kraftwerke” hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel den Kapazitätsmarkt (wie er in England und Russland bereits existiert) abqualifiziert. Hinzu kommt, dass der Abschied von der Kernenergie noch teuer wird für die Konzerne. Noch in diesem Jahr müssen sie rund 26 Mrd. Euro für die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls an einen staatlichen Fonds überweisen. Eon braucht dazu eine Kapitalerhöhung, RWE wird einen Teil seiner Innogy-Aktien dafür versilbern.Sicherer erscheint die Wette auf das solide Geschäft mit den Netzen, das den Energieversorgern viel mehr Geld einbringt als die stets in der Öffentlichkeit stärker beachtete Ökostromerzeugung. Bei RWE beispielsweise stehen die Einnahmen aus dem Netzgeschäft für die Hälfte des operativen Konzerngewinns. Kein Wunder, werden doch die Eigenkapitalinvestitionen in die Netze von der Bundesnetzagentur mit einer üppigen Verzinsung belohnt. Zwar wird die Behörde voraussichtlich in wenigen Tagen die Netzrendite für die nächste fünfjährige Regulierungsperiode absenken. Aber der Eigenkapitalzins soll von üppigen 9 % auf immer noch äußerst auskömmliche 7 % sinken. Das ist eine Rendite, von der die meisten Branchen nur träumen können.Entwarnung für Investoren bedeutet das nicht. Auch das aktuell noch attraktive Geschäft mit den Netzen ist bedroht. Denn die Bundesnetzagentur legt den Basiszinssatz auf Grundlage der Umlaufrendite fest, die inländische fest verzinste Wertpapiere in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich aufwiesen. Die Eigenkapitalverzinsung läuft der Zinsentwicklung am Finanzmarkt also nach. In kommenden Regulierungsperioden wird sich das niedrige Zinsumfeld der letzten zehn Jahre daher niederschlagen. Die Zeiten für die Energiekonzerne sind hart und werden härter. Sie werden darum ringen müssen, die richtige Balance zu finden zwischen Kostendrückerei und Investitionen in neue Geschäftsfelder.——–Von Christoph RuhkampNach der Aufspaltung von Eon und RWE müssen Investoren sich entscheiden. Entweder sie wetten auf die alten Kraftwerke – oder auf die Netze. Beides ist riskant.——-