LeitartikelDer Streit um Thyssenkrupp Steel

Thyssenkrupp – Es reicht!

Im Streit um die Stahltochter von Thyssenkrupp führen alle Beteiligten ein unwürdiges Schauspiel in der Öffentlichkeit auf. Nicht nur das Publikum wendet sich angewidert ab.

Thyssenkrupp – Es reicht!

THYSSENKRUPP

Es reicht!

Eine sachlich fest­­- ge­fahrene Debatte rechtfertigt nicht, den Disput bar jeder Scham in der Öffentlichkeit auszutragen.

Von Annette Becker

Es ist ein Schauspiel des Grauens, das Thyssenkrupp, ihre Stahltochter und die IG Metall derzeit in aller Öffentlichkeit aufführen. Seit Monaten eskaliert der Streit um die Verselbständigung des Stahlsparte und die dafür notwendige finanzielle Ausstattung. Der Stahlvorstand hat ein Businesskonzept erarbeitet, das dem Mutterkonzern nicht weit genug geht und vor allem mehr Geld als Mitgift erfordert, als Thyssenkrupp zu geben bereit ist. Doch eine sachlich festgefahrene Debatte rechtfertigt noch lange nicht, die Diskussion in die Öffentlichkeit zu tragen und dabei weder vor verstörenden Verbalattacken noch vor symbolischen Entgleisungen wie dem zu Grabetragen einer Puppe in Gestalt von Thyssenkrupp-Chef Miguel López zurückzuschrecken. Es reicht!

Angewidert wendet sich ab, wer kann. Bei der Stahltochter haben am Donnerstag gleich drei Vorstandsmitglieder und vier Aufsichtsratsmitglieder, darunter auch die jeweiligen Vorsitzenden der Gremien, den Notausgang genommen. Investoren haben in den letzten Monaten mit den Füßen abgestimmt. Thyssenkrupp bringt gerade noch 2 Mrd. Euro auf die Kurswaage. In der Essener Firmenkasse lagen dagegen zum 30. Juni abzüglich Schulden 3,2 Mrd Euro. Irrational ist die Bewertung gleichwohl nicht, denn in der Bilanz standen zum selben Stichtag auch Pensionsverbindlichkeiten von 5,65 Mrd. Euro.

Aus individueller Sicht verständlich

Die Kompromisslosigkeit, mit der die Beteiligten ans Werk gehen, ist aus individueller Sicht verständlich. Thyssenkrupp möchte die missliebige Stahltochter lieber heute als morgen aus der Bilanz bekommen – Nebenbedingung: für möglichst kleines Geld. Nur dann gibt es überhaupt eine Chance, den verbliebenen Rest des Traditionskonzerns wieder auf wirtschaftlich tragfähige Füße zu stellen. Es ist ja beileibe nicht so, als handelte es sich bei den übrigen Geschäften um Highperformer. Das behauptet nicht einmal der zum Buhmann gewordene López.

Der Stahlvorstand wiederum hat einen Business Plan erstellt, der den Weg in die Zukunft weisen soll. Im ersten Schritt ist dafür natürlich viel Geld in die Hand zu nehmen, das von der Konzernmutter kommen muss. Ohne Investitionen in die Welt der grünen Stahlproduktion wird es am Standort D nämlich keine Zukunft geben. Dem Stahlvorstand bleibt in den Verhandlungen also gar nichts anders übrig, als auf eine möglichst hohe Mitgift zu pochen.

Auch die IG Metall verfolgt in der Causa ihre eigene Agenda, handelt es sich bei Thyssenkrupp Steel doch um eines der letzten großen montan mitbestimmten Unternehmen, was mit allerlei Privilegien hinsichtlich der Governance einhergeht. Zudem ist der Organisationsgrad bei Thyssens Stahltochter extrem hoch. Die Abwicklung oder drastische Gesundschrumpfung wäre zwangsläufig mit einem enormen Imageschaden verbunden.

Versäumnisse der Vergangenheit

Nicht zuletzt verfolgt auch die Krupp-Stiftung ihre eigene Agenda. Denn die traditionsreiche Institution hat es in der Vergangenheit versäumt, das Stiftungsvermögen zu diversifizieren. Es besteht einzig aus der 21-prozentigen Beteiligung an Thyssenkrupp. Von daher hat sie den Erhalt von Thyssenkrupp, aber nicht notwendigerweise von Thyssenkrupp Steel, im Blick.

Doch bei allem Verständnis für die jeweilige Innensicht, ist die maximale Eskalationsstufe inzwischen erreicht, wenn nicht gar überschritten. Thyssenkrupp als Haupteigentümerin von Thyssenkrupp Steel darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen, da mögen die milliardenschweren Pensionslasten noch so sehr drücken. Es mag der richtige Ansatz sein, die Stahltochter in die Eigenständigkeit zu entlassen. Doch ohne solide finanzielle Ausstattung führt dieser Weg in die Sackgasse. Daran wird auch ein neuer Stahlvorstand nichts ändern, zumal das vorliegende Konzept von Roland Berger und McKinsey validiert wurde – ohne größere Änderungswünsche. Darauf zu setzen, dass am Ende der Staat die schützende Hand über die Stahlarbeiter und die Aussicht auf grünen Stahl hält, ist ein gewagtes Spiel, bei dem es am Ende nur Verlierer geben kann.

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