LEITARTIKEL

Freund oder Feind

Fast ein Jahrzehnt nachdem die ersten Datenkarten, Smartphones und dann Tablets die Internetnutzung mobilisiert haben, kämpft die Telekommunikationsbranche um ihren Anteil am Kuchen, und das in unverminderter Bedrängnis. In der kommenden Woche...

Freund oder Feind

Fast ein Jahrzehnt nachdem die ersten Datenkarten, Smartphones und dann Tablets die Internetnutzung mobilisiert haben, kämpft die Telekommunikationsbranche um ihren Anteil am Kuchen, und das in unverminderter Bedrängnis. In der kommenden Woche treffen Netzwerkausrüster und -betreiber auf der weltgrößten Mobilfunkmesse in Barcelona nicht nur ihresgleichen, sondern eine ständig wachsende Entourage von Geräteherstellern, Softwarefirmen und nicht zuletzt früher gänzlich sektorfremden Ausstellern wie Finanzdienstleister oder Automobilhersteller, die ihre Geschäftsmodelle komplett auf das Mobile Internet gründen bzw. neue Geschäftsbereiche darauf aufbauen wollen.Dabei erscheint an sich selbstverständlich, dass der Vorstoß zahlreicher Unternehmen und Branchen in mobilfunkgestützte Geschäfte den Telekommunikationsfirmen zugutekommen muss; denn alle diese Produkte und Services sind netzbasiert und erfordern zudem in wachsendem Maße breitbandige und intelligente Netze. Dennoch fällt es sowohl den Telekomausrüstern als auch den Netzbetreibern nach wie vor nicht leicht, gleichsam zwischen Freund und Feind zu unterscheiden.So verwischen sich für die großen Ausrüster wie Ericsson, Nokia oder Alcatel-Lucent und ihre chinesischen Rivalen Huawei und ZTE immer häufiger die Grenzen zwischen Wettbewerbern oder Partnern und Kunden. Die Konzerne sehen nach Einschätzung von Branchenexperten einem weitgehend stagnierenden Investitionsbudget der großen Telekommunikationsanbieter entgegen. Marktforscher Ovum schätzt die Ausgaben für 2014 auf global rund 340 Mrd. Dollar, eine Summe, die bis 2019 mehr oder minder gleich bleiben dürfte. Dabei sollten sich drei regionale Gravitationszentren bilden, die 45 % der Investitionen in Telekommunikationsinfrastruktur ausmachen: die USA, China und Japan. Das hohe Gewicht der Vereinigten Staaten einerseits und Chinas andererseits führt dazu, dass der Wettbewerb nicht nur auf dem Markt – über Preis, Produkte und Dienste – ausgetragen wird, sondern auch auf politischem Terrain. Während die USA Telekomnetze als kritische Infrastruktur ansehen und chinesische Anbieter der Spionage verdächtigen, so dass diese von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen sind, betreiben die chinesischen Behörden eine eigene Industriepolitik, die ebenfalls zum Ziel hat, heimische Technologien und Unternehmen zu fördern. Damit wird das Hauen und Stechen um ein stagnierendes Budget nochmals verschärft.Um darüber hinaus Wachstumschancen zu finden, müssen die Telekomausrüster vor allem neue Kundengruppen erschließen. So hat sich Ericsson zum Ziel gesetzt, dass bis 2020 ein Viertel der Kunden von außerhalb der Telekommunikationsindustrie kommen soll. Dabei bieten sich vor allem die großen Internet-Content-Anbieter wie Google, Apple und Facebook an, die ihre Investitionen in Netze erheblich ausbauen. Ihr Anteil an den globalen Netztechnikausgaben lag zwischen 2008 und 2013 bei 9 % und soll in den kommenden fünf Jahren bei 20 % liegen. Ihre gesamten Netzinvestitionen steigen von 23 Mrd. Dollar 2008 auf geschätzt 100 Mrd. Dollar. Indes treten diese Unternehmen für die Telekomausrüster nicht nur als Kunden, sondern auch als Konkurrenten auf, indem sie softwarebasierte Netzprodukte anbieten und somit vor allem im hochmargigen Segment angreifen.Diese Situation kennen die Telekom-Netzbetreiber schon lange. Sie, die ihre Wachstumshoffnungen früh auf wachsende Verkehre im Mobile Internet gesetzt hatten, mussten feststellen, dass ein Großteil der Wertschöpfung daraus an ihnen vorbeiging. Auch fällt es noch immer schwer, Freund und Feind auszumachen, auch wenn die meisten davon abgekommen sind, gegen die sogenannten OTT-Player mit eigenen Softwareprodukten (Apps) anzutreten oder diese – wie ganz am Anfang bei Whatsapp oder Skype – sogar auf ihren Netzen zu blockieren. Stattdessen sind beispielsweise Telefónica, Vodafone oder Deutsche Telekom mehr oder minder auf eine Umarmungsstrategie eingeschwenkt, das heißt, die Unternehmen bilden Kooperationen, vorzugsweise mit jungen Unternehmen, die eine vielversprechende App am Start haben. Telekom-Lenker Tim Höttges setzt etwa darauf, dass ein paneuropäisches IP-Netz der Telekom, vielen dieser jungen, innovativen, aber kleinen Firmen die Chance auf eine schnelle Skalierung bietet – im Tausch gegen ein entsprechendes Stück vom Kuchen für die Telekom. In Barcelona will der Bonner Konzern auch zum “Partnering” Neues verkünden.——–Von Heidi RohdeDas Mobile Internet treibt neue Geschäftsmodelle in zahlreichen Industrien. Zugleich muss die Telekombranche um ihren Anteil an der Wertschöpfung kämpfen.——-