G20-Vorsorge gegen Schuldenkrise kommt mühsam voran
Von Angela Wefers, Berlin
Die Gefahr einer Schuldenkrise in Entwicklungs- und Schwellenländern liegt in der Luft. Schon die Corona-Pandemie hatte die Weltwirtschaft geschwächt und die Länder mit labileren Volkswirtschaften in ihren Bann gezogen. Die Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine bremsen zumindest die Phase der Erholung. Besonders betroffen sind die ärmeren Länder. Der Internationale Währungsfonds (IWF) in Washington korrigierte anlässlich seiner Frühjahrstagung die Wachstumsprognosen für die Entwicklungs- und Schwellenländer stärker nach unten als für den Rest der Welt.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) warnte anlässlich seines Besuchs in Washington vor einer neuen Schuldenkrise der einkommensschwachen Länder. Es müsse frühzeitig gehandelt werden und nicht erst, wenn die Krise da sei, mahnte Lindner. Dabei übte er – anders als seine Vorgänger im Amt – weniger vornehme Zurückhaltung gegenüber denjenigen, die für die Krisenprävention gebraucht werden, aber nicht mitziehen: Lindner rief China auf, bei der Umsetzung des Schuldenrahmenwerks der G20, „Common Framework for Debt Treatments“, mitzuwirken.
Eine neue Schuldenkrise würde nicht nur die ärmeren Länder in eine Finanz- und Wirtschaftskrise stürzen, die weltweite Schuldensituation ist mittlerweile auch ein Risiko für die globale Finanzstabilität. China ist nach der Finanzkrise 2008/2009 sukzessive zum größten Gläubiger in einkommensschwachen Ländern aufgestiegen (siehe Grafik). Den Pariser Club als Gläubigergemeinschaft von Staaten hat China damit inzwischen überholt. Der Staatengemeinschaft des Pariser Clubs, die nach einem vereinbarten Regelwerk agiert, für Gleichbehandlung der Gläubiger steht und vor allem Transparenz in die Risikostruktur der Kreditnehmer bringt, gehört China nicht an. Nicht zum Pariser Club gehören aber auch weitere Länder wie Saudi-Arabien, Indien oder die Vereinigten Arabischen Emirate.
Mangelnde Transparenz
China ist aber mit Abstand der größte Gläubiger. Die Volksrepublik will sich dem Regelwerk des Pariser Clubs auch nicht unterwerfen. Sie agiert vorzugsweise direkt mit ihren Kreditnehmern. Damit sichert sich China auch politischen Einfluss in den Schuldnerländern. Finanziert werden mit den Krediten aus China vielfach die Ausbeutung von Bodenschätzen oder Infrastruktur.
Mit Blick auf mangelnde Transparenz des Schuldenstands und der Lage der Gläubiger in einzelnen Ländern hatte die G20 schon frühzeitig auf ein gemeinsames Rahmenwerk gedrungen. Im Herbst 2020 einigte sich die G20 unter der Präsidentschaft von Saudi-Arabien schließlich nach mehrjährigen Verhandlungen auf das Regelwerk zum Umgang mit Staatsschulden von Krisenländern. Erstmals eingebunden war dabei auch China. Die Volksrepublik bekannte sich zum neuen Common Framework for Debt Treatments. Vereinbart wurde eine enge Kooperation der Gläubiger und breite Beteiligungen einschließlich des privaten Sektors. Mit Blick auf die heterogene Landschaft der Gläubiger, die nicht dem Pariser Club angehören, gilt das Prinzip der Einzelfallentscheidung. Vielfältige Verhandlungen, das G20-Rahmenwerk in die Praxis umzusetzen, scheiterten indessen bislang an der mangelnden Mitwirkung der Volksrepublik.
Drei Länder haben Schuldenrestrukturierungen seit geraumer Zeit angefragt – ohne dass es bislang zum Ergebnis gekommen ist: der Tschad, Sambia und Äthiopien. IWF-Chefin Kristalina Georgiewa skizzierte vor der Presse in Washington das Problem. „Es gibt keinen klaren, etablierten Prozess und keine Zeitachse.“ Es gebe zudem keine Anreize für die Länder, einen solchen Prozess anzufragen. Georgiewa räumte ein, dass die Bilanz für Schuldenumstrukturierungen mager ausfällt. Zudem seien nicht alle Länder einbezogen, die eine Umstrukturierung nötig hätten. Sri Lanka oder Surinam seien beispielsweise nicht dazu berechtigt.
Maßgeschneiderte Konzepte
Zugleich machte sich Georgiewa für das G20-Rahmenwerk stark. Entscheidungen nach dem Prinzip des Einzelfalls unterstützt sie. Um eine Lösung für die Verschuldungslage zu finden, sei es nötig, eine Schuldentragfähigkeitsanalyse auf der Ebene des betroffenen Staates vorzunehmen und ein maßgeschneidertes Konzept zu entwickeln, erläuterte die IWF-Chefin. Das Konzept des Common Framework der G20 sei insofern richtig.
Bei allen Schwierigkeiten brachte die Frühjahrstagung auch ein positives Signal. Georgiewa und die Vorsitzende des IWF-Exekutivrates, die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño, berichteten, dass China im Fall von Sambia die Schuldenrestrukturierung nun unterstützen will. China habe sich bereit erklärt, dazu im Gläubigerausschuss mitzuwirken. Basis soll zudem die Schuldentragfähigkeitsanalyse des IWF und die länderbezogene Betrachtung sein. Calviño zeigte sich hoffnungsvoll für eine baldige Lösung im Fall von Sambia. Das wäre immerhin ein erster Schritt, um ein Problem globaler Dimension zu lösen.