LEITARTIKEL

Gehälter-Arithmetik

Wie viel verdient der Vorstand? Diese berechtigte Frage der Investoren sollte einfach zu beantworten sein. Doch trotz aller Bemühungen und Regelungen von Gesetzgeber und Standardsetzer in den vergangenen Jahren ist für Durchblick nicht gesorgt. Dies...

Gehälter-Arithmetik

Wie viel verdient der Vorstand? Diese berechtigte Frage der Investoren sollte einfach zu beantworten sein. Doch trotz aller Bemühungen und Regelungen von Gesetzgeber und Standardsetzer in den vergangenen Jahren ist für Durchblick nicht gesorgt. Dies liegt allerdings weniger an den Vorgaben als am guten Willen und der Rechenkunst zahlreicher Unternehmen, denn die vorhandenen Normen wären im Prinzip ausreichend. Die Kodex-Kommission will nun mit erweiterten Transparenzempfehlungen nachbessern – und den Aufsichtsräten en passant noch mal Mäßigung ins Pflichtenheft schreiben.Dass börsennotierte Konzerne künftig nicht nur darstellen sollen, wie viel sie ihren Managern gewähren, sondern was der Führungsriege tatsächlich zufließt, ist der richtige Ansatz. Bei vielen Firmen, die sich in der Vergangenheit auf Festgehalt und kurzfristige Tantieme beschränkten, entsprach die Darstellung diesem Ansinnen bereits. Undurchsichtig waren dagegen stets die Erlöse aus Aktienoptionen, können diese Instrumente doch zu ihrem Wert zum Zeitpunkt der Gewährung offenbart werden. Welche Summen die Vorstände nach der Haltefrist daraus ziehen, muss bislang mühsam und oft ohne zeitlichen Bezug aus den Directors’-Dealings-Meldungen orakelt werden. Hier ist mehr Durchblick angeraten. Nach Kritik an deren Unberechenbarkeit nutzen zwar immer weniger Unternehmen Aktienoptionen, doch es gibt noch Anhänger, wie Linde oder Fresenius.Die Abweichung zwischen dem, was im Portemonnaie landet, und dem, was der Aufsichtsrat zubilligt, gewinnt unabhängig von Aktienoptionen an Bedeutung, weil die Konzerne auf Druck des Gesetzgebers gezwungen sind, die Gehälter stärker an längerfristigen Kriterien auszurichten. Bonus/Malus-Regelungen und einbehaltene Tantiemen sind in den bisherigen Tabellen im Vergütungsbericht schwer darstellbar. Der Investor vermag das Entlohnungssystem aber nur zu beurteilen, wenn er über die Jahre nachvollziehen kann, dass die Bezüge mit dem langfristigen Erfolg der Gesellschaft verknüpft sind.Den größten Kulturwandel müssen die Unternehmen mit der neuen Kodex-Empfehlung bewältigen, wonach sie künftig für die variablen Vergütungen die Werte mitteilen sollen, die minimal bzw. maximal erreicht werden können. Solche Simulationsrechnungen sind lange von Investoren gefordert worden, um transparent zu machen, in welche Dimensionen es gehen kann. Allem Anschein nach sind solche Kalkulationen bislang aber auch innerhalb der Aufsichtsräte nicht überall angestellt worden. Dies legen jedenfalls Beobachtungen von Aktionärsvertretern in Hauptversammlungen nahe. Ihre Hinweise auf Erfolgsziele, die eine Bezeichnung als Hürde nicht verdienen, stoßen immer wieder auf nebulöse Einlassungen von Aufsichtsratsseite.Dass die Minimum/Maximum-Arithmetik am Ende für Erleuchtung sorgt, muss indes bezweifelt werden. Die Firmen dürften einige praktische Probleme mit dem “mittleren Wahrscheinlichkeitsszenario” haben, das der Kodex-Vorschlag verlangt. Vor Augen führen muss man sich hier nur die angebliche Überraschung des VW-Aufsichtsrats über die Dimension des Absatzrekords des Wolfsburger Autokonzerns, der sich in einem ebenso unverhofften 17-Mill.-Euro-Rekordsalär des Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn niederschlug – der “Spiegel” spricht inzwischen von “Gage” des VW-Chefs. Dieser Exzess wäre den Aktionären in einem mittleren Wahrscheinlichkeitsszenario wohl kaum präsentiert worden und hätte ihre Entscheidung in einer Hauptversammlungsabstimmung somit nicht beeinflussen können.Die großen Dax-Konzerne haben sich in der Mehrzahl von Beginn an mit der Transparenz der Gehälter schwergetan. Der Widerstand gegen die individuelle Offenlegung war lange vehement, nur zähneknirschend haben sich die Firmenvertreter dann der gesetzlichen Regelung gebeugt. Dass sich die Vergütungsberichte nun durch Prägnanz und Klarheit auszeichnen, ist leider nicht durchweg zu erkennen. Wie bei vielen heiklen und unangenehmen Themen wird versucht, mit in einer Bürokratensprache verfassten Elaboraten den Anforderungen zwar zu genügen, die Exegese der Texte aber zur wissenschaftlichen Herausforderung zu machen. Der Anleger aber braucht präzise und leicht verdauliche Angaben. Und dies umso mehr, als Brüssel das Aktionärsvotum über die Vergütung zur jährlichen Übung erklären und auch die Informationspflichten über Managergehälter vereinheitlichen will.——–Von Sabine Wadewitz ——- Der Anleger braucht leicht verdauliche Informationen über Managergehälter, zumal Brüssel das Aktionärsvotum über die Vergütung zur Pflicht erklären will.