Gekauft und gestohlen
Loyalität und Patriotismus können auf höchst unterschiedliche Weise demonstriert werden. Und wenn sie wie im Falle Russlands dazu dienen, den Kreml gut zu stimmen, dann greifen reiche Russen schon mal tief in die Tasche.
Besonders sichtbar war das in den Nullerjahren geworden, jener Zeit, in der Staatspräsident Wladimir Putin den vormaligen Oligarchen klarmachte, dass sie nicht mehr die erste Geige im Staat spielen und sich lieber aufs gute Wirtschaften beschränken sollten – demonstrative Wohltaten für den Staat inklusive. So gut wie alle hatten die Zeichen der Zeit verstanden. Und manche waren in ihrer patriotischen Loyalitätsbekundung besonders kreativ, indem sie eben russische Kulturgüter im Westen aufkauften und nach Russland zurückbrachten.
Fabergé-Eier für St. Petersburg
Viktor Vekselberg etwa, jener Multimilliardär, der sein Vermögen mit der weitverzweigten und stark im Rohstoffsektor investierten Holding Renova Group machte, sich später an renommierten Schweizer Unternehmen wie Oerlikon oder Sulzer beteiligte und inzwischen längst auf westlichen Sanktionslisten steht. Der heute 66-Jährige kaufte im Jahr 2004 von der Familie Forbes in New York für rund 100 Mill. Dollar ihre berühmte Peter-Carl-Fabergé-Sammlung, deren Herzstück die neun kaiserlichen Fabergé-Eier waren. Nach der Rückführung nach Russland errichtete er dafür in Absprache mit dem Kreml 2013 ein eigenes Museum in St. Petersburg.
Davor noch, im Jahr 2005, finanzierte Vekselberg die Überführung der sterblichen Überreste des russischen Philosophen Iwan Iljin und der seiner Frau vom Schweizer Zollikon nach Moskau. Iljin war 1954 in der Schweiz gestorben. Sein Werk, in dem Russland zum Retter der Welt hochstilisiert wird, wurde später zur Lieblingslektüre von Putin.
Versteigerung verhindert
Ein anderer russischer Tycoon, Alischer Usmanow, wurde 2007 kulturell-patriotisch aktiv, indem er die Kunstsammlung des russischen Cellisten und Dirigenten Mstislaw Rostropowitsch für umgerechnet 51 Mill. Euro kaufte. Rostropowitsch, einst politischer Sowjetdissident, war kurz zuvor gestorben, und die Sammlung, die wertvolle russische Gemälde enthielt, drohte bei einem Londoner Auktionshaus versteigert und auseinandergerissen zu werden. Mit einem angebotenen Aufpreis verhinderte Usmanow – sehr zur Freude der Witwe – die Versteigerung.
Die Sammlung mit mehr als 400 Gemälden, Porzellanarbeiten und Möbelstücken wurde kurz darauf dem russischen Staat übergeben. Usmanow, der sein Geld in der Metallurgie, der Telekommunikation und mit frühen Investitionen in Internetunternehmen gemacht hat und der infolge des Ukraine-Krieges vom Westen mit Sanktionen belegt wurde, ist heute wirtschaftlich besonders in seinem Geburtsland Usbekistan aktiv.
Klauen statt kaufen
Aber auch bei den russischen Kulturgütern selbst haben sich die Zeiten geändert. Inzwischen werden sie aus dem Westen nämlich weniger zurückgekauft als vielmehr zurückgestohlen. Seit dem Ukraine-Krieg zeigt sich in europäischen Bibliotheken das Phänomen, dass wertvolle russische Bücher verschwinden. In Polen trat die Leiterin der Warschauer Universitätsbibliothek sogar zurück, nachdem 24 kostbare russische Werkausgaben abhandengekommen waren. Bereits im November – so wurde jetzt bekannt – verschwanden aus der französischen Nationalbibliothek wertvolle Erstausgaben renommierter russischer Nationaldichter.
Medienberichten – etwa in den baltischen Staaten und in Frankreich – zufolge sollen die Diebe mit dem Kunstgriff von Faksimiles gearbeitet haben, mit denen die Originale in den geschädigten Bibliotheken ersetzt wurden.
Die Diebstähle wurden übrigens laut Ermittlern unter der Regie einer georgischen Bande ausgeführt – ein Teil von ihr wurde bereits festgenommen. Die Spur der entwendeten Bücher jedoch führe in die russische Hauptstadt und verliere sich dort. Ob die Auftraggeber reiche Sammler, russische Patrioten oder Mitarbeiter an einer hybriden Kriegsführung sind, ist nicht bekannt.