Groß und Klein
Wird Christian Sewing zum mächtigsten Banker der Republik, wenn er übermorgen das Amt des Bankenpräsidenten übernimmt? Er ist es doch längst. Zumindest im privaten Bankgewerbe scheint niemand in Sicht, der Sewing das Wasser reichen könnte. Schon deshalb wird sich der Bankenverband glücklich schätzen, dass Sewing dem Drängen des Verbands nachgegeben hat und Anfang Juli als oberster Repräsentant des privaten Kreditgewerbes antritt – nachdem sein Umfeld zunächst jegliche Ambitionen des Managers aufs Präsidentenamt in Abrede gestellt hatte. Wenn es in den kommenden Wochen vor allem darum gehen wird, hinsichtlich des im Herbst erwarteten Vorschlags der EU-Kommission zur Umsetzung der Baseler Kapitalregeln zu lobbyieren, stößt eine Organisation mit Sewing an der Spitze in Brüssel gewiss auf mehr Resonanz als unter Führung des Berenberg-Verwaltungsratsvorsitzenden. Denn Hans-Walter Peters, der im vergangenen Jahr, nachdem sich Martin Zielke abrupt als Commerzbank-Chef und Bankenpräsident verabschiedet hatte, übergangsweise eingesprungen war, hat mit den Feinheiten der Baseler Eigenkapitalvorschriften nicht viel am Hut.
Manchmal allerdings sollte man vorsichtig sein mit dem, was man sich wünscht. So gut Sewing dem Bundesverband deutscher Banken (BdB) nach außen zu Gesicht steht – wie der Manager in seiner bis 2024 laufenden Amtszeit nach innen wirken wird, steht auf einem anderen Blatt. In der Deutschen Bank hat die sich abzeichnende Ergebniswende Sewing eine gleichsam überlebensgroße Statur verliehen – in Kreisen des Aktionariats wird auch angesichts der Hängepartie um die Nachfolge von Aufsichtsratschef Paul Achleitner daher schon die Frage aufgeworfen, ob der Vorstandschef des größten deutschen Kreditinstituts sich seinen Aufsichtsratschef womöglich selbst aussuchen darf. Er übernimmt das Präsidentenamt in einem Verband, der sich vom Stolz früherer Tage doch um einiges entfernt hat. Wundenlecken ist in der 160 Beschäftigte zählenden Organisation derzeit angesagt, nachdem in den vergangenen fünf Jahren in der Maple Bank, der Wirecard Bank sowie der Greensill Bank gleich drei Häuser der Einlagensicherung der privaten Banken auf die Füße gefallen sind.
Noch in den letzten Tagen seiner Amtszeit hat BdB-Präsident Peters die Spitze des Prüfungsverbands ausgewechselt und Berater hinzugezogen, um die Struktur und das Personal auf den Prüfstand zu stellen. Damit muss das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Sewing und die Deutsche Bank-Mitarbeiter, die ihn bei der Ausübung seines Amtes unterstützen, dürften jedenfalls zu verhindern wissen, dass die Schwächephase des Verbands auf den neuen Präsidenten abfärbt.
Allein die Greensill Bank hat einen Schaden von knapp 3 Mrd. Euro verursacht. Nach der Faustformel, wonach allein die Deutsche Bank ein Viertel der Beiträge zur freiwilligen Einlagensicherung zu schultern hat, kommt auf das Institut damit ein hoher dreistelliger Millionenbetrag zu, wenn es gilt, den Einlagensicherungsfonds aufzufüllen. Weitere 600 Mill. Euro kosten das Institut die Beiträge zum europäischen Bankenabwicklungsfonds. Auch vor diesem Hintergrund ist klar, dass sich unter BdB-Präsident Sewing der Kreis der von der freiwilligen Einlagensicherung erfassten Adressen reduzieren dürfte – manch Institutioneller dürfte sich bald andernorts nach Depositenschutz umsehen müssen.
Für Sewing wird diese Reform zur ersten Bewährungsprobe. Denn bei den kleinen und mittelgroßen Kreditinstituten, die das Gros der gut 170 ordentlichen Mitglieder ausmachen und auf ihre Refinanzierungsfähigkeit bedacht sind, dürften substanzielle Einschränkungen auf Widerstand stoßen. Sewing muss darauf achten, dass die Kluft zwischen der Deutschen Bank und den kleinen Verbandsmitgliedern nicht zu groß wird. Zugleich muss er verhindern, dass die privaten Banken den politischen Kredit, sofern sie ihn sich in der Pandemie verdient haben, nicht gleich wieder verspielen. Trotz glasklarer Regeln zur Befüllung des EU-Abwicklungsfonds etwa wettert Sewing, der fortan mehr denn je fürs private Kreditgewerbe steht, als Deutsche-Bank-Chef ein ums andere Mal gegen die Höhe der Bankenabgabe, während das Haus Boni in Milliardenhöhe zahlt.
Ein Anfang könnte sein, sich zu bedanken für Pandemiehilfen, deren Ausmaß, gemessen an der Wirtschaftsleistung, nirgends so groß ausfielen wie hierzulande, die der Deutschen Bank Kreditausfälle erspart und nach Jahren roter Zahlen 2020 einen Gewinn ermöglicht haben.