Harte Landung
Geht es nach Carolyn McCall, sehen die großen europäischen Airlines im Europaverkehr noch heftigen Turbulenzen entgegen. Die Easyjet-Chefin prophezeit Lufthansa und Co im Kurz- und Mittelstreckenraum binnen weniger Jahre das Aus. Diese Verkehre würden mehr oder minder komplett von den Low-Cost-Carriern übernommen – eine Einschätzung, die von Experten durchaus geteilt wird. Für die etablierten Fluggesellschaften sind die Billiganbieter zu einem Stachel im Fleisch geworden, der an der Ertragsmisere in der Branche einen zentralen Anteil hat.Dabei ist die Lage noch geradezu komfortabel, wenn der Europaverkehr “bloß” die Gewinne, die auf lukrativen Langstrecken eingeflogen werden, zum großen Teil verzehrt, wie dies bei der Lufthansa in den vergangenen Jahren der Fall war. Weit schlimmer ist die Situation bei der Konkurrenz, allen voran Alitalia, die nach jahrelang tiefroten Zahlen wieder einmal kurz vor der Notlandung steht. Die Italiener leiden u.a. massiv unter der Konkurrenz von Easyjet im Regionalverkehr und sind von einer wettbewerbsfähigen Kostenstruktur weit entfernt. Vom Partner Air France-KLM, die ein Viertel an Alitalia hält, ist keine Hilfe zu erwarten. Zwar haben die Franzosen signalisiert, die schon beschlossene Kapitalerhöhung bei der italienischen Airline mitzutragen, wollen darüber hinaus aber kein Geld einschießen. Dies ist auch verständlich, denn Air France ist selbst das Schwächeglied im Bund mit KLM. Die Airline kämpft mit personellen Überkapazitäten und zu hohen Kosten und schreibt insgesamt rote Zahlen. Auch hier ist der Regionalverkehr ein Verlustgeschäft.Tatsächlich sind die etablierten Fluggesellschaften für den Wettbewerb mit originären Billiganbietern wie allen voran Ryanair und Easyjet bisher nicht allzu gut gerüstet. Anfangs noch in einer Nische haben diese Low-Cost-Carrier inzwischen ein paneuropäisches Netz geknüpft, das ihr profitables Wachstum weiter unterstützt. Zwar haben die großen Gesellschaften in den vergangenen Jahren Anstrengungen unternommen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, indem sie erhebliches Kostengepäck abgeworfen und so den Abstand zu den Billiganbietern verringert haben. Allerdings sind diese in zähem Ringen mit den gewerkschaftlich gut organisierten Beschäftigten errungenen Einsparungen inzwischen weitgehend ausgereizt, die verbleibenden Kostenunterschiede vielfach strukturell bedingt.Damit bleiben bei den eigenen Low-Cost-Töchtern, wie sie inzwischen das Duo Britisch Airways und Iberia (IAG) oder Lufthansa übernommen oder neu ausgerichtet haben, Kostennachteile gegenüber Ryanair und Co, die durch andere Vorteile für den Kunden kompensiert werden müssen, wenn den Marktanteilsgewinnen der Briten Einhalt geboten werden soll. Der Erfolg der IAG-Tochter Vueling zeigt, dass diese Strategie Früchte tragen kann, denn bei den Passagieren besteht durchaus Bereitschaft, für Komfortservices zu zahlen. Indes ist das den Billigheimern auch schon eingefallen. Davon abgesehen lehrt ein Blick in die Statistik, dass zumindest seit der Krise 2008 die Nachfrage im Economy-Segment (oder bei Basisangeboten) höher ist und schneller wächst als im Premium-Bereich. Dies beschert den etablierten Airlines einen nachteiligen Produktmix, der die Margen belastet. Und obendrein lockt dieses Wachstumspotenzial noch Newcomer, die zusätzlich die Preise verderben und auch die Bemühungen um die Rückführung von Überkapazitäten am europäischen Himmel – wie die skandinavische Norwegian.Während die Lufthansa zwar ertragsschwach, aber immerhin noch bilanziell gesund in diese Turbulenzen fliegt und versucht, mit einem proaktiven Sparprogramm gegenzusteuern, sind andere nach jahrelangem Sinkflug bereits so ausgezehrt, dass ein erneuter Kapitalbedarf unausweichlich erscheint. Das gilt nicht nur für Alitalia, sondern auch für Air Berlin. Die Sanierung der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft kommt nur äußerst zäh voran und das Tafelsilber ist praktisch schon komplett verkauft. Hoffnungen ruhen bei beiden Unternehmen auf dem Interesse nahöstlicher Konkurrenten, im europäischen Markt vorzudringen. So ist Air-Berlin-Großaktionär Etihad auch als möglicher Investor bei Alitalia im Gespräch. Und wenn den Italienern das Wasser bis zum Hals steht, werden sie vielleicht auch einen solchen Investor akzeptieren. Für die Branche in Europa bedeuten die nahöstlichen Geldspritzen allerdings am Ende nichts Gutes. Die seit langem überfällige Konsolidierung der Branche würde einmal mehr vertagt.——–Von Heidi RohdeDie Low-Cost-Carrier in Europa sind ein hartnäckiger Stachel im Fleisch der etablierten Airlines. Den Schwächsten im Glied droht eine Notlandung.——-