KommentarÜberzogene Wachstumserwartungen

Hellofresh hat Glück im Unglück

Der Kochboxenversender Hellofresh hat seine Expansion überreizt. Nur gut, dass nicht alle Investitionsprojekte bereits umgesetzt sind und es mit den Fertiggerichten einen neuen Hoffnungsträger gibt.

Hellofresh hat Glück im Unglück

Hellofresh

Glück im
Unglück

Von Helmut Kipp

Der Kochboxenversender Hellofresh, einer der großen Profiteure der Corona-Pandemie, hat sich vergaloppiert. Das Management hat, geblendet vom Glanz der Boomjahre, das Wachstumspotenzial im Stammgeschäft klar überschätzt. Nun muss konsolidiert werden. Die Abschreibungen auf Fertigungskapazitäten im wichtigsten Markt Nordamerika sprechen für sich. Weitere Wertberichtigungen auch in Europa dürften folgen. Statt Wachstum zu managen, geht es nun darum, die Kosten zu senken, die Rentabilität zu stabilisieren und den freien Cashflow zu steigern.

Dabei haben die Berliner Glück im Unglück. Denn zum einen stehen manche Investitionsprojekte nur auf dem Papier, so dass sie relativ leicht gecancelt werden können. Zum anderen federt das stark wachsende Neugeschäft mit Fertiggerichten die Verkaufseinbußen bei den Kochboxen ab. So kann der Konzern bezogen auf den Umsatz per saldo noch leichtes Wachstum zeigen. Die Herausforderung ist nun, das langfristige Wachstumspotenzial der Ready-to-Eat-Schiene richtig abzuschätzen und den Ausbau der Fertigung entsprechend zu steuern, um nicht ein zweites Mal in die Falle überzogener Expansionserwartungen zu tappen. Bisher konzentriert sich das Fertigessengeschäft auf Nordamerika, die Ausweitung nach Europa läuft gerade an. Hier gibt es ohne Zweifel noch reichlich Absatzpotenzial. Auf der Hand liegt aber auch, dass die aktuelle Wachstumsrate von 50% im ersten Halbjahr nicht von Dauer sein wird. Denn die Konkurrenz durch Tiefkühlkostanbieter, Lebensmittelhändler, Restaurants und Essensdienste ist groß.

Wie weit die neue Mischung aus Effizienz im Stammgeschäft und Wachstum im zweiten Segment am Kapitalmarkt trägt, wird sich weisen. Viele der auf Wachstumswerte ausgerichteten Alt-Investoren haben sich verabschiedet, was die Aktie mehr als 90% ihrer Börsenbewertung im Vergleich zu den Topkursen aus dem Jahr 2021 gekostet hat. Dass die Ertragszahlen des zweiten Quartals 2024 über den Erwartungen liegen, ist ein Signal der Zuversicht. Bei aller Enttäuschung sollte man bedenken: Hellofresh schreibt operativ Gewinn und ist ordentlich finanziert.

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