Herausforderungen allerorten
Versicherer
Im Klimawandel richtig vorsorgen
Von Thomas List
Die private Vorsorge muss mit einer nachhaltigen Anlage verbunden werden. Versicherer und ihre Kunden tun sich dabei schwer.
Altersvorsorge und Klimawandel – die zwei zentralen Themen, die die Versicherungswirtschaft beschäftigen. Beim Blick auf das Programm des diesjährigen Versicherungstags des Branchenverbandes GDV am 26. September in Berlin tauchen diese Punkte allerdings nicht direkt auf. Stattdessen ging es um Bürokratieabbau (Bundesjustizminister Marco Buschmann) und Geoökonomik (Moritz Schularick, Präsident Institut für Weltwirtschaft, Kiel).
Der Blick geht also eher in die Weite. Doch ist klar, dass die wirtschaftspolitischen Strategien der USA und Chinas („Neue Seidenstraße“) sich auf Deutschland als Exportnation auswirken. Der hiesige Konjunkturmotor stottert kräftig, der Autoindustrie geht es nicht gut. Kein Wunder, dass sich die Verbraucher mit Ausgaben zurückhalten.
Wer sein Portemonnaie für den Konsum zuhält, denkt der an die Zukunft und sorgt fürs Alter vor? Es scheint so zu sein, sieht man sich die Stimmung in der Assekuranz an. Die ist im zweiten Quartal dieses Jahres besser geworden, heißt es beim GDV. Steigende Löhne und sinkende Zinsen sollen sich auf das Neugeschäft mit laufenden Beiträgen, also bei Lebens- und Rentenversicherungsverträgen, positiv auswirken, so die Erwartung befragter Versicherer.
Tatsächlich legte das Neugeschäft im ersten Halbjahr beim Branchenprimus Allianz zu, auch wenn das Geschäft mit einmaligen Zahlungen weiterhin rückläufig war. Die Versicherer geben dabei das Kapitalmarktrisiko immer stärker an ihre Kunden ab, verabschieden sich also immer mehr von den klassischen Garantiezinsprodukten. Die Kunden scheinen die Chancen langfristig ertragreicher Kapitalmärkte erkannt zu haben und schließen tatsächlich mehrheitlich solche Policen ab.
Klar ist, dass angesichts der Überalterung unserer Gesellschaft die staatliche Rente für die Jüngeren immer weniger reichen wird, um den gewohnten Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Obwohl die Einsicht, selbst vorzusorgen, auch bei den Generationen Y und Z weit verbreitet ist, hapert es bei der Umsetzung. Staatliche Anreize sind leider viel zu schwach ausgeprägt und auch zu kompliziert, um die Vorsorgemüdigkeit nachhaltig zu überwinden.
Auch Finanzminister Christian Lindner, der am Vorabend des Versicherungstags beim GDV zu Gast war, setzt sich immer wieder für den Ausbau der privaten Vorsorge ein. Zuständig ist er auch für die Aufsicht in Gestalt der BaFin. Die Regulatorik hat sich durch Solvency II in der Versicherungswirtschaft deutlich verändert hin zu einem risikobasierten Ansatz. An sich sinnvoll, erschwert er für die Versicherer die verstärkte Hinwendung zum Aktienmarkt – weshalb dieses Risiko eben zunehmend an die Kunden abgegeben wird.
Ähnliches gilt für alternative Investments wie Immobilien, Infrastruktur und Private Equity. Aufsichtsrechtlich wird hier meist nicht regional und sektoral differenziert, sondern Eigenkapitalregeln werden nach größtmöglichem Risiko aufgestellt. Allerdings würden solche Differenzierungen auch wieder nur mit hohem Aufwand umsetzbar und kontrollierbar sein.
Ein Umsetzungsproblem hat auch die für die Bekämpfung des Klimawandels erforderliche verstärkte Berücksichtigung von ESG-Kriterien in der Kapitalanlage. Versuche, diese zu klassifizieren (Taxonomie), sind für die Anwender schwer umsetzbar. Sie kämpfen mit unzureichenden Daten. Letztlich ist den Bürgern nur schwer zu vermitteln, was nun eigentlich „grüne“ Anlagen sind. Schnell kommt der Verdacht des Greenwashings auf.
In der Praxis zeigt sich, dass Kunden bei explizit grünen Anlagen sehr zurückhaltend sind. Entsprechende Versicherungsprodukte sind rar. Die Einsicht, sich an der grünen Transformation zu beteiligen, ist in der Assekuranz vorhanden. Allerdings auch die Erkenntnis, dass die Risiken, in die „richtigen“ Anlagen zu investieren, groß sind. Immerhin geht es um Kundengelder, die über Jahrzehnte genügend Erträge abwerfen müssen, um den Versicherten einen auskömmlichen Lebensabend zu ermöglichen.