Hiobsbotschaften ohne Ende
Luftfahrt
Nach der Krise ist vor der Krise
Von Lisa Schmelzer
In der Luftfahrt folgen auf Rekordergebnisse schnell Verluste. Besser dagegen gewappnet sind breit aufgestellte Firmen.
Der Luftfahrtkonzern Boeing verschickt derzeit nahezu täglich Hiobsbotschaften. Da geht es um Flugzeuge, die erst einmal nicht zertifiziert werden, Schwierigkeiten mit bereits zugelassenen Fliegern oder Lieferkettenprobleme. Für die Fluggesellschaften heißt das im Ergebnis immer, dass vorhandene Maschinen zeitweise nicht eingesetzt werden können oder bestellte Flugzeuge mit deutlicher Verspätung kommen. Eine verlässliche Wachstumsplanung ist unter diesen Vorzeichen kaum möglich; erste Airlines haben ihre Prognosen bereits nach unten korrigiert.
Doch die Probleme von Boeing sind nur ein Grund, warum Fluggesellschaften ihre Zuversicht für die kommenden Monate zunehmend verlieren. Zu schaffen machen den Firmen auch die stark gestiegenen Kosten. Die Ausgaben für Kerosin sind in die Höhe geschnellt, und das Personal ist teurer geworden – beides sind die größten Kostenblöcke. Kleiner Schwenk zurück zur Boeing-Problematik: Wenn neue Flugzeuge verspätet bei den Airlines landen, hält das auch die Kerosinausgaben hoch, da die neuen Flieger in der Regel treibstoffeffizienter sind als ihre Vorgängermodelle. Ganz zu schweigen von den umweltschädlichen Emissionen, von denen alte Maschinen mehr ausstoßen als die Nachfolger.
Teure Piloten
Auch beim Personalaufwand ist ein Ende der Fahnenstange noch nicht in Sicht, wie die diversen laufenden Tarifkonflikte nicht nur bei der Lufthansa vermuten lassen. Auch der aktuelle Fachkräftemangel treibt den Aufwand in die Höhe, so sind beispielsweise im vergangenen Jahr die Löhne für die knapp gewordenen Piloten in den USA um bis zu 40% angehoben worden. Das sorgt für zusätzlichen Druck auf europäische Airlines in den laufenden Lohnverhandlungen.
Die höheren Kosten eins zu eins an die Kunden weiterzugeben, wird den Fluggesellschaften kaum gelingen. Heute schon sind die Ticketpreise auf Rekordhöhe. Selbst mancher Airline-Manager wundert sich, dass die Nachfrage angesichts dieses Preisniveaus noch nicht nachgelassen hat. Der Nachholeffekt aus der Corona-Pandemie dürfte langsam abflauen, und die hohe Inflation der vergangenen Monate könnte in der Reiselust doch irgendwann Spuren hinterlassen. Da verbietet es sich, die Tarife noch einmal deutlich zu erhöhen. Leidgeprüft sind da aktuell viele Billigfluglinien, die ebenfalls unter den gestiegenen Kosten ächzen, aber erst recht nicht an der Preisschraube drehen können, wenn sie ihre äußerst preissensiblen Passagiere nicht vergrätzen wollen. Damit gerät aber ihr Geschäftsmodell in Gefahr, wenn die Kosten weiter explodieren.
Über Skaleneffekte die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, fällt derzeit ebenfalls schwer. Die Wettbewerbsbehörden diesseits und jenseits des Atlantiks haben sich zuletzt kritisch hinsichtlich möglicher Übernahmen und Zusammenschlüsse gezeigt. So prüft die EU-Kommission die Übernahme der ITA durch die Lufthansa sehr genau und wird vermutlich strenge Auflagen verhängen. Und der Deal Jetblue/Spirit in den USA kommt vermutlich gar nicht erst zustande.
Schon immer liegen Erfolg und Misserfolg im hochzyklischen Fluggeschäft eng beieinander. Auf ein Jahr mit Rekordergebnis kann schnell ein Zyklus mit hohen Verlusten folgen. Da hilft es, wenn man sich für schlechte Zeiten ein finanzielles Polster zulegen kann, was bei den auch in guten Zeiten mageren Renditen und Milliardeninvestitionen in neues Fluggerät aber ein Kraftakt ist. Erfolgversprechender ist da eine breite Aufstellung. Während beispielsweise in der Pandemie das Passagiergeschäft zum Erliegen kam, florierte die Luftfracht. Während Geschäftsreisende nach der Coronazeit nur zögerlich zurückkamen, war man bei Urlaubsreisen schnell wieder auf Vorkrisenniveau. Und selbst die Boeing-Turbulenzen haben für Fluglinien, die stark im Wartungssegment sind, ein Gutes: Die immer wieder auftretenden Schwierigkeiten mit diversen Fliegern machen oft engmaschigere und umfänglichere Wartung nötig – das treibt den Techniktöchtern der Airlines Geschäft in die Arme. Gut also, dass sich die Lufthansa entschieden hat, keine Anteile an Lufthansa Technik abzugeben. So kommt sie sicher besser durch das nächste zyklische Tief.