Frankfurt

Humorvoll wie ein Deutscher

Der „perfekte Europäer“ soll nüchtern sein wie ein Ire, demütig wie ein Spanier, organisiert wie ein Grieche, gesprächig wie ein Finne – und humorvoll wie ein Deutscher. Die erste Reisesaison post Corona spült alte Klischees wieder nach oben.

Humorvoll wie ein Deutscher

Frankfurt füllt sich wieder, zumindest langsam. In der Kleinmarkthalle und auf dem Römerberg fotografieren wieder Touristen. Und zur Halbzeit der Sommerferien kehren viele Frankfurter wieder an den Main zurück. Für nicht wenige ist es seit langem die erste Rentrée aus dem Ausland, denn wegen Corona wurden viele Reisen aufgeschoben.

Umso bemerkenswerter, dass sich an den Urlaubsgeschichten, die zu Hause erzählt werden, gar nicht so viel verändert hat. In ihnen leben oftmals die gleichen Stereotypen über die europäischen Nachbarn wieder auf, mit denen man sich Strand, Pool oder Restaurant in der Ferne teilen musste. Über die Engländer, die sich schlecht ernähren. Über die Schweden, die sich maßlos betrinken. Oder die Holländer, die so geizig sind, dass sie lieber in Wohnwagen als in Hotels leben und sich lieber in Supermärkten als in Restaurants verpflegen.

Einige dieser Ressentiments sind völlig aus der Luft gegriffen. So zählen Schweden nach Studien der Weltgesundheitsorganisation zu den Europäern, die eher wenig Alkohol konsumieren. Andere Vorurteile spiegeln sich indes zumindest teilweise in Statistiken, etwa der hohe Anteil stark übergewichtiger Menschen in Großbritannien oder die starke Verbreitung von Caravans in den Niederlanden.

Noch heute stößt man in Souvenirläden in London, Brüssel oder Frankfurt auf ein Postkartenmotiv, das sich der britische Cartoonist John Hughes-Wilson in den Neunzigern ausgedacht hat und das die einschlägigen Vorurteile trefflich zusammenfasst, wie der „perfekte Europäer“ sein sollte: nüchtern wie ein Ire, demütig wie ein Spanier, organisiert wie ein Grieche, gesprächig wie ein Finne – und humorvoll wie ein Deutscher. Haha, sehr komisch.

Aufschlussreich in diesem Zusammenhang, wie insbesondere die Hoteliers die Urlauber aus verschiedenen Nationen einschätzen. Hier erhalten die Deutschen seit vielen Jahren recht gute Noten dafür, dass sie vergleichsweise wenig Krach machen und ihre Zimmer nicht in chaotischem Zustand hinterlassen – sondern vielfach sogar noch das Bett machen.

Andererseits sind die Bundesbürger dafür berüchtigt, sich selbst über Kleinigkeiten zu beschweren. Wer Freude an kuriosen Beschwerden deutscher Urlauber bei Reiseveranstaltern hat, findet übrigens im Netz Lesestoff für mehrere Tage. Wenn zum Beispiel moniert wird, das Besteck im Hotel sei so scharf geschliffen gewesen, dass man sich „mehrfach“ verletzt habe. Oder wenn geschimpft wird, der Veranstalter habe es versäumt, darauf hinzuweisen, dass die Taxifahrer in Istanbul nicht alle deutsch sprechen. Oder beklagt wird, dass das Meer durch einen Sturm verunreinigt war – und niemand kam, um es zu putzen.

Die deutsche Reisebranche hat aus den Beschwerden gelernt. Wenn neue Destinationen für Pauschalreisende erschlossen werden und die Hotels entsprechend ausgestaltet werden sollen, bedient man sich regelmäßig des Sachverstands derjenigen, die Deutschlands Touristen so gut kennen wie nicht einmal die Deutschen sich selbst: der mallorquinischen Hoteliers.

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