KommentarSpar- und Investitionsunion

Illusion des großen Wurfs

An den wichtigsten Stellschrauben kann die EU selbst nicht drehen, denn Steuern und Insolvenzregeln sind Ländersache.

Illusion des großen Wurfs

Spar- & Investitionsunion

Illusion des
großen Wurfs

Von Detlef Fechtner

Die sogenannte Spar- und Investitionsunion werde der „zentrale Wegbereiter“ sein, um die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Europas zu steigern. Davon sind zumindest EU-Kommissarin Maria Albuquerque und ihre Chefin Ursula von der Leyen überzeugt, die sich in Hymnen über das strategische Vorhaben überbieten. Hand aufs Herz: Geht es nicht ’ne Nummer kleiner? Auch die EU-Kommission sollte verstanden haben, dass sie sich mit ihren oft überhöhenden Ankündigungen einen Bärendienst erweist. Overpromising underperforming – die EU-Behörde muss sich zu Recht vorwerfen lassen, abermals zu viel zu versprechen und zu wenig zu halten.

Denn so richtig viel Neues enthält der Fahrplan für eine Belebung der europäischen Kapitalmärkte nicht. So ist die Gesetzesinitiative für Vereinfachungen bei Verbriefungen schon lange angekündigt, ebenso wie die Erleichterungen für Versicherungen, sich in Aktien zu engagieren. Und bei den wichtigsten Punkten hat die EU ohnehin kaum Kompetenzen – etwa bei der steuerlichen Begünstigung von Retail-Investments oder bei der Angleichung der Insolvenzregeln. Da muss sie sich recht kleinlaut auf „Empfehlungen“ beschränken.

Im Grunde sind nur zwei Ansagen neu: Erstens die Ankündigung, die Aufsicht über Börsen, Clearinghäuser oder Zentralverwahrer sowie gegebenenfalls große Assetmanager stärker zu vereinheitlichen und teilweise auf EU-Ebene zu übertragen. Und zweitens das Angebot eines „28.ten Regimes“, damit Marktteilnehmer Hindernisse in Form gesellschafts-, steuer- und arbeitsrechtlicher Differenzen überwinden können. In beiden Fällen sind jedoch politische Widerstände programmiert.

Ist die Spar- und Investmentunion also nicht einmal das Papier wert, auf dem sie vorgestellt wird? Ganz im Gegenteil. Mit ihrem Fahrplan sorgt die Kommission dafür, dass Initiativen beschleunigt werden, die überfällig sind, wie etwa die Anpassung der Solvency-Regeln. Auch führt der Vorwurf der Halbherzigkeit in die Irre. Schließlich insinuiert er, die EU-Behörde traue sich nicht, Gesetze anzukündigen, die den Finanz-Binnenmarkt wirksamer voranbringen würden. Bemerkenswerterweise kommt solche Kritik oft sogar von denen, die sich sofort beschweren würden, wenn weitergehende Initiativen angeschoben würden, etwa für ein European Safe Asset.

Kurzum: Das aktuelle Strategiepapier ist kein großer Wurf, aber eine durchaus vernünftige Weichenstellung.

An den wichtigsten Stellschrauben kann die EU selbst nicht drehen, denn Steuern und Insolvenzregeln sind Sache der Mitgliedsländer.

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