Im Herzen von Europa 4.0
Dass die Eintracht fußballerisch auf europäischem Niveau mitspielt, ist offenkundig. Schließlich kickt der Klub ja gerade aktuell in der Europa League gegen Fenerbahce, Royal Antwerp und Olympiakos Piräus. Dass Eintracht Frankfurt auch in puncto Digitalisierung europäisch vorn mitmischt, ist indes weniger bekannt.
Zu denen, die das wissen und sich genau deshalb für die Eintracht interessieren, zählt die norwegische Regierung. In dieser Woche war eine hochrangige Delegation aus Oslo im Waldstadion zu Gast. Norwegens Digitalisierungsministerin Linda Hofstad Helleland lobte im Anschluss an die Gespräche die Eintracht über den grünen Klee. Sie sei „sehr angetan“ von den „innovativen“ Anwendungen, die der Sportverein seinen Fans anbiete – etwa von der App Mainaquila. Die App, aufsetzend auf eine virtuelle Debitkarte der Deutschen Bank, erlaubt den Nutzern bargeldloses Zahlen – und zwar nicht nur am Würstchenstand hinter dem G-Block, sondern auch außerhalb des Fußballstadions.
Dass ausgerechnet eine Skandinavierin den Digitalisierungsgrad eines deutschen Fußballvereins lobt, ist für die Eintracht so schmeichelhaft, wie wenn Italiener die Qualität der Hartweizennudeln in einem hiesigen Supermarkt rühmen würden. Schließlich gilt Skandinavien in vielerlei Hinsicht als Vorbild, was die Digitalisierung insbesondere der öffentlichen Verwaltung angeht.
Hofstad Helleland machte bei ihrem Auswärtsspiel im Deutsche-Bank-Park deutlich, dass ihr Fokus auf dem Zusammenspiel von Private und Public bei der effizienten Nutzung von Daten liegt – vor allem den maschinenbezogenen. Was das Internet of Things angehe, etwa die digitale Unterstützung bei der Pflege der Rasenplätze, habe sie mannigfaltig Inspirationen erhalten, betonte die Ministerin. Die Eintracht, so könnte man den Eindruck gewinnen, befindet sich nicht nur im Herzen von Europa, wie es in der Stadionhymne heißt, sondern auch im Herzen von Europa 4.0.
Zugleich, daraus machte die Ministerin keinen Hehl, diene der enge Austausch mit der Eintracht und mit dem Finanzplatz und Wirtschaftsstandort Frankfurt auch klassischen Motiven der geschäftlichen Zusammenarbeit. So habe Norwegen hessischen Datendienstleistern angeboten, ihren enormen Energiehunger verstärkt durch Bezug von erneuerbarer Energie aus Norwegen zu stillen.
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Bleibt noch die Frage, warum gerade Norwegen – wie kam der Kontakt zustande? Eingefleischte Eintracht-Fans werden da eine Vermutung haben – und die ist richtig. Natürlich nahm Jan Åge Fjørtoft eine zentrale Rolle in der Kommunikation zwischen der Vereinszentrale und dem Regjeringskvartalet an der Osloer Akersgata ein. Der Stürmer, der bei der legendären „Schlacht um Frankfurt“ im Mai 1999 mit seinem 5:1 den Klassenerhalt sicherte, steht bei fußballbegeisterten Frankfurtern bis heute ganz weit oben auf der Beliebtheitsskala. Das liegt einerseits daran, dass er zu der kleinen Gruppe von Menschen gehört, die automatisch mit einem Begriff der deutschen Fußballsprache verbunden werden. So wie Fußballfreunde bei „Selbsteinwechslung“ automatisch an Günter Netzer denken, so ist das Wort „Übersteiger“ für alle Zeiten eng mit Fjørtoft verbunden – hatte er doch die Chuzpe, beim dramatischen Spiel 1999 gegen Kaiserslautern Torwart Andreas Reinke mit ebenjenem Übersteiger zu narren. Andererseits liegt das am außergewöhnlichen Talent Fjørtofts, das Publikum auch jenseits des Rasenplatzes zu unterhalten, etwa als er seinen ersten Einsatz unter Trainer Felix Magath mit den Worten kommentierte: „Die Entscheidung fiel zwischen mir und dem Busfahrer. Zum Glück hatte der Busfahrer seine Schuhe vergessen.“
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Ein Spieler des aktuellen Eintracht-Teams war beim Besuch der politischen Delegation aus Norwegen natürlich auch mit von der Partie: Jens Petter Hauge, der seit einigen Wochen für die Eintracht spielt. Erling Haaland, der norwegische Stürmerstar, war im Frankfurter Stadtwald indes nicht zu sichten. Aber der spielt ja auch nicht für die Eintracht. Zumindest noch nicht.