Inflation ist, wenn Zigaretten vier Mark kosten
Woran man merkt, dass die Preise steigen wie schon lange nicht mehr? Daran, dass die Kugel im Eissalon auf dem Oeder Weg 1,50 Euro kostet. Wohlgemerkt: die kleine Kugel. Für die große sind 2,10 Euro fällig. Das ist ziemlich deftig für Menschen der Generation Jolli, Berry & Dolomiti. Denn das heißt, dass eine Kugel Eis beim Italiener heute so teuer ist wie in den Achtzigern nicht weniger als acht Capris.
Woran merkt man es noch? Daran, dass ein Freund zur Party lädt. Weil er, wie er sagt, sich – erstens – das Bier bald nicht mehr leisten kann, wenn die Preise weiter so steigen. Und weil das – zweitens – wiederum so ernüchternd ist, dass man sich einfach betrinken muss.
Und woran noch? Daran, dass gestern ein Bettler im Hauptbahnhof abgewunken hat, als ihm zwei junge Reisende ihre leeren Pfandflaschen überlassen wollten. Wahrscheinlich war sein Kalkül, dass es sich für ihn nicht lohnt, um der zweimal 25 Cent wegen den Weg rüber zum Rewe zu machen, denn bei dem aktuellen Preisauftrieb sind die 50 Cent ja bereits dann, wenn er in den Hauptbahnhof zurückkehrt, nicht mehr 50 Cent wert.
Natürlich sind es längst nicht nur die Bettler, für die Inflation ein Thema geworden ist, das stets und ständig in Unterhaltungen eine Rolle spielt. „Ich fahre jetzt mit dem eigenen Auto konsequent langsamer, um Benzin zu sparen, denn das kann sich ja niemand mehr leisten“, erklärte jüngst ein Bekannter – und zwar einer, der gerade nicht zwingend darauf angewiesen ist, den Euro zweimal umzudrehen. Nein, denn das Auto, von dem er spricht, ist ein 911er. Auf die Rückfrage, warum er nicht auf ein 9-Euro-Ticket umsteige, winkte er indes ab. Was die sozialwissenschaftliche Frage aufwirft, ob der Brass der Bundesbürger auf die Bahn letztendlich noch größer ist als ihre – nach Einschätzung vieler Nachbarn fast schon pathologische – Furcht vor Inflation – the „German Angst“.
Ein Zitat, das Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt zugeschrieben wird, lautet „Inflation ist, wenn das Päckchen Zigaretten vier Mark kostet“. Erinnerlich: Der Altkanzler wollte damit beruhigen (und das Beispiel war treffsicher gewählt, weil der Zigarettenpreis geschätzt einen zweistelligen Anteil an den gesamten Lebenshaltungskosten des Kettenrauchers Schmidt hatte). Aus heutiger Sicht dürfte der Hinweis hingegen eher beunruhigende Wirkung entfalten, denn aktuell kostet eine Schachtel mehr als das Dreieinhalbfache von „vier Mark“.
Damit dieser Artikel jedoch nicht trübselig endet, sondern in positivem Ton schließt, noch rasch zwei Nutzwert-Hinweise, damit Sie in diesen schweren Zeiten trotzdem profitieren können. Erstens: Bei allem, was teurer wird, gibt es auch etwas, was – nachweislich des Statistischen Bundesamts – billiger geworden ist: Telekommunikations-Dienstleistungen. Wer also über die in die Höhe schießenden Preise klagen möchte, kann das am Telefon zumindest billiger als vor einem Jahr. Zweitens: Ein Gastronom erzählte jüngst, dass der Personalmangel so akut sei, dass er mittlerweile sogar völlig ungelernte und unerfahrene Kräfte für 18 Euro im Biergarten einsetze. Inklusive Trinkgeld kämen Bedienungen an guten Tagen auf 30 Euro Stundenlohn. Das nur als Hinweis, wenn Ihr Chef Sie das nächste Mal zusammenfaltet: Es gibt Alternativen.